
Landkreis Rotenburg. Mit Bienchen und Blümchen kennt er sich bestens aus. Manfred Radtke beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit Bienen, ihren Lieblingsblumen und bevorzugten Nistplätzen. Mit der Zeit hat er sich so viel Wissen angeeignet, dass er darüber sogar eine Broschüre, fast schon ein Buch, geschrieben hat. Vor knapp sechs Jahren ist „Gefährdete Wildbienen – Nisthilfen bauen und Lebensräume schaffen“ erschienen – mittlerweile schon in der achten Auflage.
„Damals waren Wildbienen noch kein Thema in den Medien“, erinnert sich der Autor. Trotzdem war von Anfang an die Nachfrage nach der Broschüre sehr groß. Und sie wächst, seitdem viele Menschen mit grünem Daumen auch unter die Insektenhoteliers gehen wollen. Den Begriff „Insektenhotel“ kann der Rotenburger übrigens nicht leiden. „Das klingt nach Übernachtungsmöglichkeit. Aber die Wildbienen und Wespen wollen dort ja nicht schlafen, sondern ihre Eier hineinlegen“, klärt er auf. Und so falsch der Begriff sei, so falsch seien auch die Gegenstände, die manche Baumärkte in ihren Insektenhotels anbieten. „Da sind dann zum Beispiel Tannenzapfen, Holzschnitzel oder Stroh drin“, beklagt Radtke. „Das bringt den Bienen leider nichts.“ Was ihnen aber nützt und noch viel mehr, steht in seiner Broschüre.
Das informative Heft ist beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) erschienen. Nachdem der einstige Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft der Naturschutzverbände im Landkreis Rotenburg, Folkert Lange, gestorben war, sei BUND-mäßig „nichts mehr los gewesen“, so Radtke. Also nahm er sich vor, in seinem Ruhestand die regionale BUND-Gruppe zu reaktivieren. „Es ist mir überhaupt nicht schwergefallen, Mitglieder für den Vorstand zu gewinnen“, blickt der 76-Jährige zurück. Das Team habe er schnell zusammen gehabt. Damals hatte die Kreisgruppe 230 Mitglieder, nach einer Werbeaktion seien es derzeit fast 750. „In unserem Newsletter habe ich geschrieben, dass es die Kreisgruppe jetzt seit zehn Jahren gibt“, sagt Radtke. Gefeiert worden sei das nicht, denn erstens wäre das wegen Corona nicht gegangen, und zweitens „bin ich nicht so der Feier-Typ".
Als gebürtiger Ostpreuße hat Radtke seine Kindheit auf dem Land verbracht. So erklärt er seine Liebe zur Natur – und seine Verbindung zur Landwirtschaft. Die Proteste der Landwirte gegen die Düngemittelverordnung könne er verstehen. „Die hohe Nitratbelastung der Böden ist in erster Linie nicht die Schuld der Landwirte, sondern der Politik“, lautet Radtkes Überzeugung. „Sie verlangt von den Landwirten, dass sie auf dem Weltmarkt mithalten müssen. Und so sind die Landwirte die Dummen, die nicht anders können als Lebensmittel in Hochleistungsbetrieben zu produzieren.“ Deswegen hatte er vor gut einem Jahr ins Rotenburger Rathaus eingeladen, um mit den Landwirten zu sprechen. Über 100 Leute seien zu dem Treffen gekommen. „Nur gemeinsam können wir etwas erreichen“, meint er. Deswegen freut es ihn auch, dass 2020 gemeinsam mit Landwirtschaft und Landesregierung die Vereinbarung zum „niedersächsischen Weg“ unterschrieben wurde.
Neben der BUND-Kreisgruppe gründete Radtke auch den Arbeitskreis Wildbienen bei der Stadt. Und er nimmt für den BUND Stellung zu Infrastruktur- und Bauprojekten. Rotenburg liegt am östlichen Rand des Verkehrsverbundes Bremen und Niedersachsen (VBN). Dass man von der Wümmestadt aus zu Tarifpreisen mit dem Regionalzug bis nach Oldenburg und noch weiter fahren kann, ist auch seinem früheren Engagement im Rotenburger Stadtrat zu verdanken.
Noch ein Beispiel für einen Erfolg, an dem er maßgeblich beteiligt war? Beim BUND-Wettbewerb „Summende Kommune“ bekam Rotenburg den ersten Preis. Seinen Stolz drauf drückt Radtke so aus: „Nicht Osnabrück hat gewonnen. Auch nicht Oldenburg – sondern Rotenburg.“ Dafür gab es eine Plakette und einen Besuch des Diplom-Biologen Rolf Witt, einem Experten für Wildbienen und Wespen. „Er hat uns gezeigt, wo man noch mehr für die Wildbienen tun kann“, sagt Radtke, der bei dieser Gelegenheit noch mehr über Bienchen und Blümchen erfuhr.