
Auf das Vermächtnis Rudolf Dodenhoffs fällt ein tiefer Schatten, daran gibt es nichts zu deuteln. Der Worpsweder Fotograf war im März und April 1942 an sogenannten „rassenkundlichen“ Untersuchungen in Tarnów im damaligen Generalgouvernement beteiligt. Eine Ausstellung im Berliner Dokumentationszentrum Topographie des Terrors zeigt seine Verstrickungen in die Versuche des NS-Staats, seine rassistische Doktrin wissenschaftlich herzuleiten (wie berichtet im WESER KURIER). Das Kreisarchiv Osterholz hat aber an Teilen dieser Darstellung Zweifel.
Vor allem die Wiener Wissenschaftlerin Margit Berner hat dieses Projekt umfassend aufgearbeitet und die Belege gefunden, die die Beteiligung des Worpsweders beweisen. Für die Ausstellung haben insgesamt vier Kuratoren weitere Hintergründe recherchiert, unter anderem auch im Kreisarchiv Osterholz, wo Dodenhoffs fotografisches Archiv liegt. Dort war seine Beteiligung an den Untersuchungen bislang unbekannt, Verbindungen aus der NS-Zeit ins besetzte Polen aber durchaus nicht.
Rudolf Dodenhoff, der 1917 in Worpswede geboren wurde und dort auch 1992 starb, betrieb nach dem Krieg ein Fotogeschäft im Künstlerdorf. Er hatte das erste Farblabor in Norddeutschland und verdiente neben seiner künstlerischen Tätigkeit als Landschaftsfotograf sein Geld vor allem mit Werbeaufnahmen und Passfotos. Sein Fotoatelier übernahm im Jahr 1999 der Fotograf Dieter Weiser, der später auch das Archiv von den Erben Dodenhoffs erwarb.
Als er 2016 das Geschäft aufgab, ging der rund 100.000 Aufnahmen umfassende und nur sehr rudimentär archivierte Bestand an das Kreisarchiv Osterholz. Dort kümmert sich seitdem Gabriele Jannowitz-Heumann um die systematische Aufarbeitung und digitale Erfassung. Dabei stellte sich heraus, dass viele Worpsweder Künstlerporträts, die nur mit „R. Dodenhoff“ signiert waren, gar nicht – wie immer angenommen – von Rudolf, sondern von seiner Ehefrau Ruth Dodenhoff stammten. So bekam sie kurz vor ihrem Tod 2018 die Rechte an diesen Aufnahmen zurück.
Wie aber kam der Worpsweder Rudolf Dodenhoff, Sohn des Landschaftsmalers und NSDAP-Mitglieds Heinz Dodenhoff, im Zweiten Weltkrieg ins besetzte Polen? Kriegstauglich war er nämlich nicht, nachdem er sich im Jahr 1936 beim Reichsarbeitsdienst in Rotenburg ein schweres Lungenleiden zugezogen hatte. Stattdessen ging er nach München an die Staatliche Lehranstalt für Fototechnik und machte dort 1941 seinen Abschluss als Fotograf.
Viele seiner Kommilitonen wie beispielsweise Peter von Zahn kamen danach als Kriegsberichterstatter an die Front. Dodenhoff aber wurde Schriftleiter in der Krakauer Zentralstelle für Bild und Film, die die Zeitschrift „Das Generalgouvernement“ herausgab. Da der Fotograf selbst kein NSDAP Mitglied war, musste er eine Beurteilung der Reichskulturkammer, beziehungsweise des Gaupresseamts vorweisen. Darin bescheinigten ihm die NS-Behörden, dass es aus ihrer Sicht keine politischen oder sonstigen Bedenken gegen ihn gebe.
Der Landkreis Osterholz hat aufgrund der Berliner Ausstellung eine Stellungnahme Jannowitz-Heumanns veröffentlicht. Dort heißt es, Rudolf Dodenhoff wurde „eine Sonderaufgabe übertragen. (...) Seine Aufgabe war es, die jüdischen Männer in typischen Kopfstellungen zu fotografieren. Die Frauen wurden von den Wissenschaftlerinnen selbst fotografiert. Zudem oblag ihnen die Anfertigung von Nacktaufnahmen.“ So behauptet es auch die US-Wissenschaftlerin Gretchen Schafft in ihrem Buch „From Racism to Genocide“.
Damit widerspricht die Kreisarchivarin den Ausstellungsmachern: Die berufen sich auf einen Zwischenbericht, den Elisabeth Fliethmann, eine der beiden federführenden NS-Wissenschaftlerinnen in Tarnów, im Mai 1942 in der Publikation „Deutsche Forschung im Osten“ veröffentlichte. Dort berichtet sie: „Außerdem wurden von jeder Person vier Kopfaufnahmen und drei Ganzkörpernacktaufnahmen gemacht. Die Aufnahmen wurden mit der freundlichen Genehmigung des Leiters der Zentralstelle für Film und Bild im Generalgouvernement, Herrn Homann, von Herrn Dodenhoff gemacht, wofür ich beiden Herren unseren besten Dank ausspreche. Die Ganzkörperaufnahmen der Frauen machte ich (Fliethmann) selbst.“
Und am 6. September 1942 schrieb Fliethmann an ihre Kollegin Dora Kahlich: „Vom künstlerischen Standpunkt aus sind die Fotos sehr gut. (...) Unsere Hilfskraft und die eine Bettlerin sind wunderbar.“ Die Hilfskraft war Maria Bozena Romanowski, eine polnische Fotolaborantin, die Dodenhoff kurze Zeit später in Worpswede heiratete. Sie hatten einen gemeinsamen Sohn, die Ehe wurde 1945 wieder geschieden. Von Krakau wechselte Dodenhoff nach Wien, wo er ab dem Wintersemester 1942 unter anderem „Rassenkunde“ studierte und als Fotograf für die Fakultät, die zu Heinrich Himmlers Stiftung „Das Ahnenerbe“ gehörte, tätig war. Unter anderem arbeitete er zusammen mit seiner Ehefrau zum „Deutschtum“ in der Hohen Tatra und Südtirol. Er plante auch einen Bildband zu Tirol, der aber nie erschienen ist. Es gibt ein Manuskript und Aufnahmen dazu im Kreisarchiv.
1950 heiratete Dodenhoff, zurück in Worpswede, abermals eine Mitarbeiterin: Ruth Schapitz war aus Hannover gekommen und arbeitete in seinem Geschäft an der Bergstraße. Im Keller des Hauses wuchs das Archiv, das aber laut Kreisarchivarin Jannowitz-Heumann keine Aufnahmen für die rassehygienischen Untersuchungen enthalte. „Ob Dodenhoff seinen Nachlass tatsächlich gereinigt hat, wie im Katalog zur Ausstellung zu lesen, kann nur vermutet, aber nicht bewiesen werden“, betont sie. „Es bestehen allerdings mehrere Bilder von jüdischen Menschen aus Tarnów, gestempelt mit ,Zentralstelle für Film und Bild Krakau'.“ Diese zeigen laut Beschriftungen etwa „Zigeuner“, „Juden“ oder im Falle eines Bettlers „Leben in Lumpen“. Das Kreisarchiv gibt diese Bilder zurzeit nicht zur Veröffentlichung frei, bereitet aber nach eigenen Angaben einen Vortrag zum Thema im kommenden Jahr vor.
Das falsche Porträt von Rudolf Dodenhoff
Unter den wenigen Bildern, die das Osterholzer Kreisarchiv herausgab, befindet sich eine Fotografie, die angeblich ein Porträt Rudolf Dodenhoffs, wohl aus den 1940er-Jahren, sein sollte. Nachdem es Familienangehörige als solches autorisiert hatten, ist es auch in der Berliner Ausstellung und im Buch von Margit Berner dazu zu sehen. In Wirklichkeit erwies es sich aber als Bild von Rudolfs Bruder Erwin Dodenhoff. Der Worpsweder Bildhauer Ulrich Conrad hatte diesen Fehler bemerkt, Archivarin Gabriele Jannowitz-Heumann bestätigt ihn. In der Folge musste auch eine weitere Zuordnung korrigiert werden: Da man im Kreisarchiv vom „falschen Rudolf“ auf einem Hochzeitsfoto auf seine erste Ehefrau geschlossen hatte, dachte man, es zeige Maria Bozena Romanowski. In Wirklichkeit ist es Anne Meta Dodenhoff, Erwins Gattin.
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