
Lilienthal. Als der Druck durch die Nationalsozialisten unerträglich wurde, verließ Julius Frank 1936 notgedrungen seinen Heimatort Lilienthal. Die jüdische Fotografen-Familie sah keinen anderen Weg mehr, als ihr Wohn- und Geschäftshaus an der Hauptstraße zu verkaufen. Um Hass und Ausgrenzung zu entkommen, flüchtete Julius Frank in die USA. In seinem Gepäck befand sich damals auch ein Trikot des TV Lilienthal, das er als begeisterter Sportler getragen hatte. Fast 85 Jahre später ist genau jenes Hemd mit dem markanten Vereinsemblem wieder zurück gekehrt. Es gehört zum Nachlass, den die Familie dem Bremer Focke-Museum und dem Heimatverein Lilienthal überlassen hat.
Es war schon ein emotionaler Moment, als die große Holzkiste aus Übersee geöffnet wurde, und nach und nach all die Dokumente, Fotos und andere Dinge vom Lebensweg der Franks zum Vorschein kamen. Mike und Barbara Frank, Sohn und Tochter des bekannten Fotografen, hatten alles sorgsam sortiert in Kartons gepackt und per Schiff auf die große Reise nach Bremen geschickt. Bei seinem Besuch im September 2019 in Lilienthal hatte Mike Frank schon Fotos seines Vaters, Groß- und Urgroßvaters überreicht, die auf einem Computer-Stick gespeichert waren. Zurück in den USA ging es dann wie versprochen ans große Kisten-Packen. Am Ende waren es um die zwei Kubikmeter Zeitzeugnisse, die so zusammenkamen.
Die Inventarliste umfasst etwa zwölf DIN-A4-Seiten. Zusammen mit den Spezialisten vom Focke-Museum haben Mitglieder des Heimatvereins Lilienthal alles gesichtet. Der Nachlass ist besonders wertvoll, auch weil er jede Menge künstlerische Fotos aus drei Generationen der Fotografen-Familie enthält. Der Großvater von Julius Frank, der ebenfalls Julius hieß, hatte 1872 sein erstes Foto- und Malergeschäft im Ort eröffnet. Er gehörte zu den Pionieren der Lichtbildfotografie. Ihm folgte Sohn Henry, der 1906 das Foto-Atelier übernahm. Julius Frank jr. setzte diese Tradition nach dem Tod seines Vaters 1931 fort.
Von dem Fotografen-Meister der ersten Stunde stammen kunstvolle Porträts und Landschaftsaufnahmen, die nun als Original-Abzüge im Bremer Archiv verwahrt werden. Aufnahmen, die Julius Frank jr. später für den amerikanischen Architekturfotografen Julius Shulman gemacht hat, sind ebenfalls in Bremen gelandet. Auch Korrespondenz zum Wiedergutmachungs-Verfahren aus den frühen 1950er-Jahren befanden sich in den Kartons. Und dann Medaillen und Urkunden, die der sportbegeisterte Julius Frank als Leichtathlet und Turner für den TVL überreicht bekommen hatte.
Die wissenschaftliche Auswertung des Nachlasses steht noch aus, aber fest steht schon jetzt, dass das Bremer Museum eine Ausstellung über die Familie Frank zeigen will und dies noch vor dem großen Umbau des Museums 2022 passieren soll. Der Heimatverein plant eine eigene Ausstellung, möglichst schon im Mai oder Juni, doch das hängt davon ab, wie die Corona-Geschichte weiter verläuft.
Mit dem Focke-Museum ist vereinbart worden, dass die Dinge aus dem Nachlass, die ortsspezifisch sind, nach Lilienthal ins Emmi-Brauer-Haus in der Feldhäuser Straße kommen sollen. Ehrenvorsitzender Harald Kühn schätzt, dass es am Ende 20 bis 30 Prozent des Nachlasses sein werden, die künftig in Lilienthal aufbewahrt und in Ehren gehalten werden. Noch immer sind die Verantwortlichen im Heimatverein überwältigt und hoch erfreut, dass die Familie sich zu dieser Schenkung entschlossen hat. Einen „großen, nicht selbstverständlichen Vertrauensbeweis“ nennt Harald Kühn diese Entscheidung. Er hat zusammen mit Peter Richter die Geschichte der Familie Frank erforscht, 2005 den Kontakt in die USA aufgebaut und auch das Buch „Als die Hoffnung starb“ über das Schicksal der jüdischen Familie aus Lilienthal geschrieben.
Schon seit Ende August befindet sich der Nachlass in Bremen. Und eigentlich hätte die besondere Schenkung mit der dazugehörigen Geschichte schon längst der Presse präsentiert werden sollen. Doch dann nahm die Pandemie nach dem Sommer an Fahrt auf. Hinzu kam der personelle Wechsel in der Museumsleitung, wo seit November Anna Greve die Verantwortung als Direktorin trägt. Im Ergebnis führte es dazu, dass aus dem ursprünglichen Plan nichts wurde.
Zwei Gedenk-Veranstaltungen
Lilienthal/Sandbostel. Die Gemeinde Lilienthal und der Heimatverein beteiligen sich am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus: An diesem Mittwoch, 27. Januar, sollen um 11 Uhr Blumen auf den Stolpersteinen vor dem Atelier Kühn an der Hauptstraße 44 niedergelegt werden. Die beiden Steine erinnern an die Vertreibung der jüdischen Fotografen-Familie Frank, die dort seit 1897 lebte. 1937 mussten die Brüder Ludwig und Julius Frank unter der Nazi-Herrschaft das Haus zwangsweise verkaufen. Ludwig Frank, Schauspieler, wurde 1938 im KZ Oranienburg inhaftiert. Julius Frank konnte 1936 nach Amerika emigrieren.
Auch in Sandbostel wird der Opfer gedacht: Der dortige Gedenkstättenverein zeigt den Dokumentarfilm „Holocaust light gibt es nicht!“ (2014, Regie: Ilona Rothin). Wegen der Corona-Beschränkungen findet die Filmveranstaltung auf der Video-Plattform „Zoom“ statt. Die Zugangsdaten gibt es nach einer Anmeldung per E-Mail an j.dohrmann@stiftung-lager-sandbostel.de.