
Lilienthal. Ella Gronau zieht es in die Welt hinaus. Nach dem Abitur ein Jahr ins Ausland zu gehen, das hat sie schon immer vorgehabt. Die Pandemie hält die 18-Jährige nicht davon ab, weiter dafür zu planen. Wenn alles klappt, sitzt die Abiturientin Anfang August im Flugzeug nach Bolivien. In dem Andenland will sie ein Jahr lang in einer Grundschule arbeiten. „Reisen ist Freiheit“ – formuliert Ella Gronau ein Stück Lebensgefühl für junge Leute. Nach dem Abitur per Freiwilligem Sozialen Jahr (FSJ) oder mit Programmen wie Work And Travel die Welt erkunden oder einfach so mit dem Rucksack losziehen – nach der Schulzeit beginnt für viele junge Frauen und Männer die große Freiheit mit allen möglichen Reisen durch die Länder dieser Erde. Die Corona-Pandemie hat auch das geändert.
„Viele verzichten auf das Gap Year“, sagt Gronau über das Lückenjahr nach der Schule und beginnen stattdessen eine Ausbildung oder ein Studium. Einen Grund zum Jammern sieht sie darin nicht. „Wir sind alle reif genug, um mit dieser Situation umzugehen“, sagt die Lilienthalerin über die coronabedingte Lebensplanänderung. „Dadurch, dass wir wissen, was auf uns zukommt, planen wir anders.“ Schlimmer sei es für den Jahrgang vor ihr gewesen. Plötzlich Pandemie. Viele mussten 2020 ihr soziales, kulturelles oder ökologisches Engagement im Ausland oder ihre Reisen abbrechen.
Alcalá heißt im August Ella Gronaus Ziel. Ein Dörfchen mit 1600 Einwohnern auf 2000 Meter Höhe. „Nicht so ein Ort, wo man Urlaub macht“, meint sie. Aber das will sie gar nicht, sondern ein Jahr lang in einer Grundschule beim Englisch-Unterricht helfen und sich dadurch auch selbst besser kennenlernen. Der Einsatz soll ihr bei der Studienwahl helfen. Pädagogik/Soziale Arbeit oder doch lieber Betriebswirtschaft? Noch hat sie sich nicht entschieden. „Ich möchte das FSJ nutzen, um rauszufinden, ob mir das Soziale so viel Spaß macht, dass ich es studieren möchte“, sagt Ella Gronau. Außerdem findet sie ihr Schulspanisch ausbaufähig, was ihr wiederum bei einem Weg in Richtung Wirtschaft neben Englisch zugutekäme.
In der Schule arbeiten und Bolivien erkunden, das verheißt keine Langeweile. Sie habe sich bewusst für das Schul-Projekt entschieden und gegen ein Au-Pair-Jahr in einer gut situierten Familie. „In einem Entwicklungsland lernt man mehr fürs Leben“, ist sie überzeugt. Sie will die Chance nutzen, sich in das Dorfleben zu integrieren, Bolivien und seine Kultur kennenzulernen und erwartet, nach ihrer Rückkehr viele Annehmlichkeiten des hiesigen Alltags wieder mehr wertzuschätzen, wie etwa fließend warmes Wasser.
In Alcalá wird sie mit drei weiteren Freiwilligen aus Deutschland in einer WG leben. So sieht es der Plan vor und bislang gehen die Projektbetreuer vor Ort davon aus, dass Ella Gronaus FSJ-Jahr stattfinden kann. Momentan genüge ein negativer Corona-Test und Quarantäne für die Einreise. Der Sommer ist aber noch eine Weile hin. Gronau sagt: „Man wird sehen, wie es sich entwickelt.“ Entscheiden werden letztlich über ihr Auslandsjahr die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes.
Mit anderen Bedenken muss sie selber einen Umgang für sich finden. Der medizinische Standard in Alcalá sei ein anderer als hier. Wenn sie sich mit Corona infiziere, dann wolle sie doch lieber in einem deutschen Krankenhaus behandelt werden. „Ich hoffe, dass ich irgendwie an eine Impfung kommen kann“, sagt Gronau. Die Meinung der Eltern macht es ihr nicht leichter. Die Mutter wolle sie nur mit Impfung ins Ausland lassen. Der Vater sage: „Mach es einfach!“
Nach langem Überlegen hat Ella Gronau im vergangenen Jahr drei Bewerbungen für das Auslandsjahr geschrieben. Nach dem Auswahlverfahren und einem Interview erhielt sie die Zusage im Rahmen des Weltwärts-Programms, organisiert von Volunta für den DRK-Landesverband Hessen. Rund 25 Prozent der Kosten für den Auslandseinsatz müsse sie selber aufbringen. Das sind 3600 Euro bis Juni. Ella Gronau jobbt dafür, nach dem Abi noch mehr und sie will Sponsoren suchen. Ihnen wolle sie ihre Geschichte erzählen. Ob sie damit Unternehmen überzeugen kann, sie zuckt mit der Schulter: „Ich weiß nicht, wie offen sie sind.“ Wer Ella Gronau unterstützen will, kann sie unter der E-Mail elgronau@gmail.com erreichen.
Noch hat das Abitur Priorität bei Ella Gronau. Der möglichen Abreise nach Bolivien im Sommer blickt sie gelassen entgegen. „Wenn es nicht stattfindet, studiere ich“, sagt die Noch-Schülerin. Sie freue sich zwar, wenn es mit dem FSJ funktioniere, aber ihr Leben werde sie dafür nicht riskieren: „Meine Gesundheit ist wichtiger.“
Freiwillig ins Ausland
Wer mindestens 16 Jahre (in einigen Ländern 18 Jahre) alt ist und maximal 27 kann ein Freiwilliges Jahr im Ausland absolvieren. Für dessen Vorbereitung sollten mehrere Monate bis zu einem Jahr einkalkuliert werden.
Das FSJ ist auf kein bestimmtes Land beschränkt, es dauert mindestens sechs, maximal 18 Monate, meist aber ein Jahr. Es kann als soziales, kulturelles oder ökologisches Auslandsjahr geleistet werden.
Weitere Informationen für junge Leute zu den verschiedenen Freiwilligendiensten im Ausland finden sich unter www.bundes-freiwilligendienst.de/ausland. Volunta heißt der Träger, über den Ella Gronau nach Bolivien geht, mehr Informationen dazu unter www.volunta.de.