
Landkreis Rotenburg. Im Umgang mit dem Wolf wünscht sich Landrat Hermann Luttmann ein konsensorientiertes Verfahren analog zum sogenannten Niedersächsischen Weg, bei dem die Interessen der Landwirtschaft und des Artenschutzes weitgehend unter einen Hut gebracht werden sollen. „Wir müssen mit dem Wolf leben“, sagte der CDU-Mann in der jüngsten Sitzung des Umwelt- und Planungsausschusses. Die Frage sei aber: „Wieviel Wolf verträgt unsere Kulturlandschaft und insbesondere die ökologisch gewollte Weidetierhaltung?“
2000 sei das erste Wolfsrudel in Deutschland aufgetaucht, 2007 der erste standorttreue Wolf in Niedersachsen. Aktuell gebe es vier bestätigte und ein unbestätigtes Wolfsrudel im Landkreis Rotenburg, und zwar in Gnarrenburg, Heeslingen, Rotenburg, Visselhövede und Scheeßel, sagte Luttmann mit Verweis auf die Internetseite www.wolfsmonitoring.com. Unter einem Rudel verstehe man Eltern mit Nachkommen aus ein bis zwei Jahren, das könnten jeweils drei bis elf Jungtiere sein. Das Problem sei der Anstieg der Nutztierrisse, wobei nicht nur Schafe und Ziegen betroffen seien, sondern auch Rinder und Pferde.
Bei der SPD fragen sie sich, warum sich Luttmann überhaupt in dieser Form zum Thema Wolf äußert, wo er doch als Jurist selbst erkannt habe, dass die EU-Vorgaben derzeit gar keinen Spielraum zulassen. „Und schon gar nicht auf Kreisebene“, so Volker Kullik, Naturschutzexperte in der SPD-Kreistagsfraktion. „Wenn Herr Luttmann schon eklatante Fehlentwicklungen anprangern möchte, für die EU-Vorgaben verantwortlich sind, dann erwartet man doch ehrlich gesagt, dass er die verfehlte Subventionspolitik im Agrarbereich zum Thema macht. Denn diese ist sowohl für das dramatische Höfe-Sterben als auch für die massiven Naturzerstörungen und den Artenverlust in unserem Landkreis ganz erheblich verantwortlich.“ Dagegen sei das Thema Wolf doch absolut untergeordnet zu betrachten, werde aber immer wieder gern angeheizt.
SPD-Fraktionschef Bernd Wölbern: „Unaufgeregte Sachlichkeit würde der Diskussion guttun, gerade weil sich sogenannte Wolfshasser und Wolfsliebhaber völlig unversöhnlich gegenüberstehen. Es sei denn, man will diesen Konflikt am Kochen halten.“ Das Bedauern über den Rückgang der Weidehaltung wäre schließlich schon in den vergangenen Jahrzehnten angebracht gewesen, als die extreme Intensivierung der Landwirtschaft die Tiere von der Fläche holte. „Nun den Wolf dafür verantwortlich zu machen, ist doch nicht wirklich ehrlich und löst auch kein Problem“, so Wölbern.
Generell sehe die SPD mittelfristig zwar auch die Notwendigkeit einer „Regulierung“. Die Scheu des Wolfes vor dem Menschen müsse unbedingt erhalten bleiben. Wolfsfreie Zonen, wie zum Beispiel die Deichregionen oder dicht besiedelte Bereiche, dürften kein Tabu in der Diskussion sein. Die Aufnahme in das Jagdrecht erscheine aber „eher symbolträchtig als wirklich zielführend“.
Der Wolf sei auf unterschiedlichen Ebenen streng geschützt, erklärt Kullik. „Die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU und das Bundesnaturschutzgesetz, das ist der Rechtsrahmen, in dem wir uns bewegen.“ Und weil der Wolf zu den streng geschützten Arten gehört, bestehe ganz klar die Pflicht, ein genaues Monitoring, also eine genaue Beobachtung und eine genaue Buchführung über alle Vorgänge in den Wolf-Populationen zu machen und regelmäßig Bericht zu erstatten. Das sei ein großer Aufwand. Im Bundesnaturschutzgesetz gebe es schon jetzt Ausnahme-Tatbestände, die besagen, dass man vom absoluten Tötungsverbot abgehen könne, wenn es zum Beispiel erhebliche wirtschaftliche Schäden gibt.
Marco Mohrmann hingegen, der CDU-Kreistags- und Landtagsabgeordnete, schließt sich der Einschätzung von Landrat Luttmann „vollumfänglich“ an. Er sagt: „Wir müssen in die Lage versetzt werden, den Wolfsbestand regulieren zu können. Hierzu hat der Niedersächsische Landtag auf Initiative der CDU und Beschluss der Großen Koalition im November einen Entschließungsantrag in den Landtag eingebracht, der zum Ziel hat, dass Wölfe im Rahmen von Managementplänen entnommen werden können, wenn der günstige Erhaltungszustand der Wölfe sichergestellt ist.“ Dieser Zustand sei bereits lange erreicht, bundesweit seien inzwischen 128 Rudel bestätigt. „Das dürften rund 1300 Wölfe und damit weit mehr als in Ländern wie Norwegen, Schweden oder auch Frankreich sein, wo in völliger Selbstverständlichkeit Wölfe erlegt werden.“
Nun seien die SPD-Umweltministerin Svenja Schulze und das zuständige Bundesumweltministerium gefragt, der Anerkennung des erreichten günstigen Erhaltungszustandes den Weg zu bahnen. Denn für die Weidetierhaltung könne man in Niedersachsen trotz umfangreicher Schutzmaßnahmen von einer „mittlerweile unerträglichen Situation in den Wolfsregionen“ sprechen. Daher sei er dafür, dass der Wolf trotz hohem EU-Schutzstatus gejagt werden könne.
Europarechtlich streng geschützt
Landkreis Rotenburg. Der Wolfsbestand in Niedersachsen konzentriere sich deutlich im Raum Lüneburger Heide, Nienburg und Hannover, das sei weniger als die Hälfte der Landesfläche, sagt Landrat Luttmann. Umweltminister Olaf Lies lasse derzeit prüfen, ob der Wolf ins Jagdrecht aufgenommen werden könnte. „Aktuell ist keine Jagdzeit möglich.“ Der Wolf genieße einen erheblichen Schutz durch EU-Recht, das Luttmann nicht mehr für angemessen hält: „Dieses europarechtliche strenge Schutzsystem auch für den Wolf, eine nicht vom Aussterben bedrohte Tierart, ist meiner Meinung nach überholt und sollte aufgehoben werden.“ Aber dies sei ein weiter Weg und heute wohl noch nicht mehrheitsfähig.
Luttmann sieht beim Thema Wolf insbesondere den Bund und speziell die Bundesumweltministerin gefordert. Sie müsse jetzt aufgrund aktueller Bestandszahlen den günstigen Erhaltungszustand für den Wolf zumindest in den Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen feststellen, damit dort ein effektives Wolfsmanagement betrieben werden könne. Denn die FFH-Richtlinie räume den Mitgliedstaaten unter der Bedingung, dass sich die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet in einem günstigen Erhaltungszustand befindet, die Möglichkeit ein, vom strengen Schutzsystem abzuweichen. Eine solche Abweichung könne beispielsweise gerechtfertigt sein zum Schutz wild lebender Tiere und zur Verhütung ernster Schäden, aber auch im Interesse der Volksgesundheit, der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses.
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