
Lilienthal/Grasberg/Wilstedt. In Sachsen und Thüringen, wo sich besonders viele Menschen mit Corona anstecken und die Todeszahlen steigen, kommen die Bestatter kaum hinterher. In der Region rund um Bremen hingegen ist die Lage nicht angespannt, sagt Ralph Stelljes vom Rudolf Stelljes Bestattungsinstitut. Andere schließen sich ihm an, sie seien nicht überlastet. Aber ihre Arbeit hat sich in der Coronakrise stark verändert. Mit mehr Aufwand birgt die Pandemie neue Herausforderungen für den Beruf. Und es schmerzt die Bestatter, den Hinterbliebenen keinen angemessenen Abschied von den Verstorbenen ermöglichen zu können.
„Wenn ich im Fernsehen die Bilder aus Sachsen sehe, denke ich, dass wir gut davon gekommen sind“, sagt Ralph Stelljes. Er habe erst einen einzigen bestätigten Corona-Toten bestattet, erzählt der 60-Jährige, der zusammen mit seinem Bruder das alteingesessene Familienunternehmen in Lilienthal in der vierten Generation führt. Der Verstorbene habe bereits in einer luftdichten Hygienehülle gelegen, bevor er in einen Sarg umgebettet wurde, den Plastiksack durfte Stelljes nicht mehr öffnen. Vor einer möglichen Infizierung bewahrten ihn auch ein Ganzkörperanzug, Schürze, Schuhüberstulpen, Handschuhe, eine Atemschutzmaske der Klasse FFP3 und eine Schutzbrille.
Die Schutzmaßnahmen kennen routinierte Bestatter vom Umgang mit Toten, die am Norovirus erkrankt waren. Auch wenn im Bestattungswesen der Tod allgegenwärtig ist, treibt die Sorge vor Ansteckungen Ralph Stelljes um. „Man lebt ja mit der Angst, dass man nicht weiß, ob der Tote Corona hat“, sagt er. Er habe Respekt vor dem Virus.
Tatsächlich hat er seit Weihnachten mehr Menschen bestattet, das sieht Stelljes aber nicht als außergewöhnlich an. In den Wintermonaten und jetzt im Januar sterben nach seiner Erfahrung generell mehr Menschen als sonst im Jahr. Engpässe bei den Krematorien - coronabedingt oder nicht - seien ihm in diesen Tagen nicht bekannt.
Das bestätigt Bestatter Ulf Franzke, auch er erlebe derzeit keine Verzögerungen bei den Einäscherungen. Das Beerdigungsinstitut seiner Tochter Jessica Franzke, das unter anderem in Worpswede und Grasberg vertreten ist, habe bislang nur wenige Corona-Tote beigesetzt, „es waren sehr vereinzelte Fälle“, berichtet der 62-Jährige. Die Auswirkungen der Krise bekommt das Bestattungsunternehmen dennoch täglich zu spüren. Dabei spielen nicht nur die strengen Hygieneregeln zum Umgang mit Covid-Verstorbenen eine Rolle. Die Gespräche mit den Angehörigen sind durch den Abstand und die FFP2-Maske schwieriger, das sei schade, denn ihm sei der persönliche Kontakt sehr wichtig, betont Franzke.
Er wisse von Trauerrednern, die aus Angst vor dem Virus die Gespräche mit den Angehörigen nur noch telefonisch führten. Für Angehörige von Covid-Toten sei die ohnehin schon schwierige Situation noch einmal schlimmer. Ihnen werde das Abschiednehmen verwehrt. „Man spürt, wie unglücklich sie sind, dass sie ihren Angehörigen nicht mehr sehen dürfen“, erzählt der 62-Jährige. Die Menschen hätten aber Verständnis dafür, dass es Einschränkungen gebe.
Die Bestatter sind die erste Anlaufstelle für Hinterbliebene, unterstützen die Angehörigen, erfüllen ihnen ihre Wünsche bei der Beisetzung und sie begleiteten den Verstorbenen auf seiner letzten Reise. Dabei müssen sie sich und Angehörige der Verstorbenen vor möglicher Ansteckung schützen.
Deshalb wünscht sich Ulf Franzke, dass seine Branche bei den Corona-Impfungen bevorzugt berücksichtigt wird. Schließlich seien sie ähnlich gefährdet wie die Pflegekräfte in Altenheimen und Krankenhäusern. Auch der Bundesverband Deutscher Bestatter fordert schnelle Corona-Impfungen für Bestatter und Mitarbeiter in Krematorien.
Nach Corona-Ausbrüchen mit hohen Infektionszahlen kam es zu Todesfällen in Wilstedter und Tarmstedter Pflegeeinrichtungen. Die steigende Zahl an Toten, die an oder mit Corona verstorben waren, bekamen die Wilstedter Bestatter Dörte und Rainer Bahrenburg zu spüren. „Wir hatten sieben bis acht Fälle in den vergangenen Wochen“, berichtet Rainer Bahrenburg. An die Kapazitätsgrenzen seien sie aber noch nicht gestoßen, „es ist zu bewältigen, von der Situation in Sachsen sind wir weit entfernt.“ Bahrenburg weiß zudem, dass es in einem Monat mehr, in anderen Monaten weniger Menschen sind, die zu Grabe getragen werden, die Zahlen bewegten sich noch im Bereich der natürlichen Schwankungen. Dennoch ist er wütend. Die schleppend anlaufende Impfung gegen das Coronavirus ärgert ihn. „In Pflegeheimen kann man noch Leben retten, jedes Corona-Opfer ist eines zu viel. Wir haben unabhängig von der Schuldfrage viel Zeit verloren“, bedauert Bahrenburg.