
Bevor der Bremer Polizeivizepräsident Dirk Fasse auf das Thema Migration blickt, stellt er zunächst eines klar. „Es darf keiner von mir erwarten, dass ich den Rechten hier einen guten Boden rede.“ Insgesamt seien die Straftaten in Bremen in den vergangenen zwölf Jahren deutlich rückläufig. 2006 wurden rund 96.000 in Bremen erfasst, im vergangenen Jahr nur noch 74.500. „Aber“, so der Polizeichef, „Sicherheit ist ein Megatrend.“ Es gäbe ein Spannungsfeld zwischen den objektiven Zahlen und der gefühlten Sicherheit. Cyberkriminalität, globalisierte Lebensverhältnisse und eine erhöhte Terrorgefahr würden das Gefühl der Unsicherheit der Menschen befeuern.
Donnerstagabend, kurz vor der polizeilichen Terrorabwehrübung am Bremer Hauptbahnhof, spricht Bremens Polizeivize über das Thema „Herausforderung der Zuwanderung für die Polizei". Die Borgfelder Gruppe Organisationsteam Fleet hat eingeladen. Über 20 Borgfelderinnen und Borgfelder nehmen an der Informationsveranstaltung teil. Darunter Aktive der Borgfelder Flüchtlingshilfe Runder Tisch. Arnold Schröder, ein Ingenieur, der sich seit 2015 um drei unbegleitete minderjährige Flüchtlinge kümmert, ist ins Fleet gekommen, weil er sich über den Titel der Veranstaltung gewundert hat. "Ich war ein bisschen überrascht", sagt Schröder, "weil wir hier in Borgfeld ja kaum Zuwanderer haben."
Die Motivation des Veranstalters Wendelin Seebacher ist indes folgende: „Kaum ein Thema hat uns mehr bewegt als die Zuwanderung seit 2015“, sagt der Sprecher des Organisationsteam Fleet vor Veranstaltungsbeginn. Tatsächlich, das bestätigt das Statistische Bundesamt in Wiesbaden, hat 2018 jeder vierte Einwohner Deutschlands einen Migrationshintergrund vorweisen können. Das ist der höchste Stand seit Beginn der Erhebung im Jahr 2005. Seebacher fragt sich: „Haben diese Veränderungen in der Gesellschaft Auswirkungen auf die Sicherheitsstruktur in unserer Stadt?“
Fasse liefert Antworten und legt polizeiliche Kennzahlen, Statistiken zur Bevölkerungsentwicklung, Sozialdaten sowie Lagebilder unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge vor. „Kriminalität und Migration“ steht über einer Statistik. Rechtliche Verstöße von Ausländern hätten keine große Bedeutung, erklärt Fasse dazu. Klischees ließen sich da nicht bedienen: Die Zahl der Delikte, die von Ausländern begangen werden, liegt im Land Bremen unter 20 Prozent. Ursachen für Kriminalität lägen nicht in der Herkunft begründet, unterstreicht der Polizeivizepräsident. „Auffälligkeit ist nicht der Ausländerstatus, entscheidend ist, wie ein Mensch lebt.“ Was zähle, seien Teilhabe, Bildung und Integration. „Wir leben Migration, das ist Teil dieser Gesellschaft und auch Teil meines Freundeskreises“, sagt Fasse.
Dennoch müsse sich die Polizei durch die aktuelle Lage neu aufstellen. Globalisierung, Zuwanderung und Terrorgefahr hätten die Arbeit der Polizei grundlegend verändert. Als Fasse 1980 bei der Bremer Polizei anfing, „da wurden die Maschinengewehre gerade eingemottet.“ Inzwischen sei jeder Streifenwagen wieder mit einer Langwaffe ausgestattet. „Ich erwarte von jedem Schutzmann auf der Straße, dass er in der Lage ist, Terroristen die Stirn zu bieten. Selbst wenn da einer mit 'ner MP steht wie bei Charlie Hebdo.“
Dirk Fasse: Er ist seit rund sieben Jahren Polizeivizepräsident der Stadt Bremen. Der 57-jährige Lilienthaler hat schon in vielen Rollen und Funktionen bei der Polizei gearbeitet. 1980 begann er seine Ausbildung bei der Bremer Polizei, studierte später an der Hochschule für öffentliche Verwaltung, übernahm die Leitung des Rauschgiftkommissariats, war Polizeiführer, Dozent an der Fachhochschule, stellvertretender Kripochef und Leiter der Schutzpolizei.
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