
Landkreis Rotenburg. Ende Juni war es, da hat der Rotenburger Kreistag das Regionale Raumordnungsprogramm (RROP) beschlossen. Ohne die Stimmen der SPD, denn die stört sich daran, dass in Haaßel in der Samtgemeinde Selsingen weiterhin ein Standort für eine privat betriebene Bauschuttdeponie in dem Planungswerk festgeschrieben ist. Denn die Fläche liegt zum Teil in einem Naturschutzgebiet. Die SPD-Kreistagsfraktion kritisiert nun in einer Pressemitteilung das Abstimmungsverhalten der Selsinger Kreistagsabgeordneten Marco Mohrmann, Thea Tomforde (beide CDU) und Reinhard Lindenberg (Wählergemeinschaft).
Denn schon vor der Kreistagsentscheidung hätten die Samtgemeinde Selsingen, die Gemeinde Anderlingen, die örtliche Bürgerinitiative und der Nabu die von der Kreisverwaltung vorgeschlagene Hereinnahme der Deponie ins RROP eindeutig abgelehnt. Damit hätten sich auch Mohrmann, Tomforde und Lindenberg „erneut gegen den Deponiestandort positioniert“. Es hätte im Kreistag also eine Mehrheit gegen den Deponiestandort im Regionalen Raumordnungsprogramm geben können, doch habe politisches Kalkül dies verhindert. Die drei Abgeordneten seien schlichtweg umgefallen, so die SPD.
Die Sozialdemokraten argwöhnen, dass einerseits mit langen und unübersichtlichen Verfahrensabläufen der Widerstand der Bevölkerung in Haaßel und Umgebung gebrochen werden soll. Die SPD-Fraktion im Kreistag stehe eindeutig zu einem möglichen Rücktritt vom Kaufvertrag. Außerdem stehe die Fraktion weiterhin zu ihrer Verantwortung in der Ablehnung einer „Deponie an dem ungeeigneten Standort“ bei Haaßel. „Wir werden uns weiterhin für ein ergebnisoffenes Suchraumverfahren einsetzen“, heißt es von den Abgeordneten Christian Winsemann und Volker Kullik. Sie betonen zudem, dass ihnen ein öffentlicher Betrieb der Deponie viel lieber wäre als ein privater.
Marco Mohrmann findet die Verlautbarung der SPD auf Anfrage „inhaltlich an mehreren Stellen verwunderlich, die SPD bringt hier leider diverse Dinge grundlegend durcheinander“. Die Kreistagsentscheidung sei gut begründet: Durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg zur Einrichtung einer möglichen Deponie in Haaßel sei der Landkreis verpflichtet, bei seinen Planungen im Regionalen Raumordnungsprogramm, aber auch in der Naturschutzgebietsverordnung „Haaßeler Bruch“ Bau und Betrieb einer Deponie durch die Firma Kriete zu berücksichtigen. „Eine Verhinderungsplanung gegen das Projekt ist juristisch unzulässig, da der Antrag auf Errichtung der Deponie bereits acht Jahre alt ist“, so Mohrmann. Das sei allen Kreistagsabgeordneten bekannt und sei „auch von niemandem, auch nicht von der SPD, in den Ausschüssen bestritten“ worden.
Mohrmann weiter: „Hätte man, wie die SPD dies nun fordert, den Abschnitt Haaßel einfach aus dem RROP gestrichen, würde das RROP offen gegen die vorliegende geltende Rechtsprechung verstoßen und liefe Gefahr, rechtswidrig zu sein.“ Zum RROP gehörten aber eben beispielsweise auch die neuen Vorranggebiete Windenergie, die Schutzvorschriften für Trinkwasser im Südkreis (Stichwort: Fracking) sowie die Verhinderung des Torfabbaus im Gnarrenburger Moor. Ebenso lege das RROP Möglichkeiten der Siedlungsentwicklung und Gewerbeflächenentwicklung fest. „Ein Stillstand wäre sicher die Folge gewesen“, so Mohrmann. Daher sei es für die CDU/WfB/FDP-Gruppe zwingend erforderlich gewesen, das RROP inklusive der Passage zur Deponie in Haaßel zu beschließen. „Die Haltung der SPD in dieser Frage ist pure Schaufensterpolitik und fachlich völlig unangemessen“, findet er.
Der SPD sei auch bekannt, dass mit dem Beschluss des RROP die Realisierung der Deponie „weder wahrscheinlicher noch unwahrscheinlicher gemacht wurde“. Der Kreistag habe extra vor der Entscheidung am 27. Juni von externen unabhängigen Juristen die Frage prüfen lassen, ob ein Beschluss des RROP einen Rücktritt vom Kaufvertrag durch den Landkreis behindert. Diese Frage sei eindeutig verneint worden. Dass die Selsinger Abgeordneten Mohrmann, Tomforde und Lindenberg „Umfaller“ seien, findet Mohrmann „abwegig“. Das Gegenteil sei zutreffend. Auf Wunsch der Samtgemeinde seien weitere Verschärfungen beschlossen worden. So werde nun die für die Deponie nutzbare Fläche wirksam auf das seinerzeit beantragte Ausmaß begrenzt, sodass mögliche Vergrößerungen nicht mehr vom RROP gedeckt wären. „Im Übrigen hat es hierzu keinen Beschluss im Samtgemeinderat gegeben“, so Mohrmann.
Er räumt ein, dass sich nicht alle Forderungen aus Selsingen im RROP wiederfinden. Die Kreistagsabgeordneten hätten aber auch Verantwortung für alle anderen wichtigen Themen des RROP. Im Übrigen habe die Kreistags-SPD nicht mal einen Antrag gestellt, die Freistellung für die Deponie zu streichen, sondern gleich das gesamte RROP abgelehnt. Die Ausführungen der SPD erschienen ihm „doch arg konstruiert“.