
Landkreise Osterholz/Rotenburg. In Lilienthal ist der Anteil der überschuldeten Erwachsenen am geringsten im Vergleich zu rund 90 anderen Kommunen im Bremer Umland. Nach den Zahlen des bundesweiten „Schuldneratlas 2020“ der Wirtschaftsauskunft Creditreform gehören auch Grasberg, Worpswede sowie die Samtgemeinde Tarmstedt zu den Kommunen mit niedrigen Überschuldungsquoten in der Region. Noch weniger über 18-Jährige sind im Bremer Stadtteil Borgfeld überschuldet.
Die Stadt Bremen bleibt im Länderranking allerdings wie in den Vorjahren Schlusslicht mit einer Quote von fast 14 Prozent. Bremerhaven ist bundesweit weiter die Stadt mit der höchsten Überschuldungsquote. In der Seestadt sind rund 21,8 Prozent der Erwachsenen überschuldet. Niedersachsen landet mit rund 10,2 Prozent auf Rang acht. Im Landkreis Osterholz sieht es entspannter aus. Dort sind 8,1 Prozent der über 18-Jährigen dauerhaft nicht in der Lage, ihren monatlichen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Weil sie weniger einnehmen, als sie ausgeben müssen, und eine Verbesserung der finanziellen Lage nicht in Sicht ist, gelten sie als überschuldet.
Ein Trend, der auch im Landkreis Osterholz zu sehen ist: Die Überschuldung der Verbraucher nimmt ab. Die Quote aller Volljährigen, die auf längere Sicht mit ihrem Geld nicht hinkommen, lag hier im Jahr 2018 noch bei 8,3 Prozent.
Die Lage im Landkreis Osterholz ist weniger brenzlig als in vielen anderen Regionen. Im Ranking der 45 Landkreise und kreisfreien Städte in Niedersachsen steht Osterholz laut Creditreform an vierter Stelle. Auf einer bundesweiten Rangliste bedeutet das Rang 127 von insgesamt 401.
In der Liste der niedersächsischen Kreise findet sich der Kreis Rotenburg auf Platz 13 wieder. Die Quote dort beträgt 9,05 Prozent. Niedersachsenweit haben sich im Jahr 2019 insgesamt 86 000 Personen aufgrund finanzieller Problemen an eine Schuldnerberatungsstelle gewandt.
Nirgendwo innerhalb des Landkreises Osterholz ist der Anteil der überschuldeten Verbraucher unter den Erwachsenen kleiner als in der Gemeinde Lilienthal. Das war schon vor zwei Jahren so. Die Überschuldungsquote beträgt 6,47 Prozent. In Grasberg sind es 8,27 Prozent der Erwachsenen, in Worpswede 7,93 Prozent und in der Samtgemeinde Tarmstedt, die zum Landreis Rotenburg gehört, 6,59 Prozent.
In Borgfeld gilt eine Überschuldungsquote von gerade einmal 5,01 Prozent, damit liegt der Stadtteil innerhalb Bremens auf Platz fünf. Noch weniger Sorgen um eine Überschuldung müssen sich laut Statistik die Menschen in Oberneuland, in Schwachhausen rund um den Bürgerpark, am Riensberg oder in Arsten machen. Nicht nur in der Region, sondern bundesweit nahm die Überschuldungsquote der Bürger trotz der Corona-Krise und der tiefen Rezession ab. Staatshilfen und Konsumzurückhaltung hätten dafür gesorgt, „dass ein flächendeckender Liquiditätsengpass bisher ausblieb“, sagte Creditreform-Geschäftsführer Stephan Vila. Aber das dürfte nur die Ruhe vor dem Sturm sein, denn 700 000 Menschen hätten den Arbeitsplatz verloren.
„Die langfristigen Perspektiven für die Überschuldungsentwicklung sind besorgniserregend“, warnte der Creditreform-Experte Patrik-Ludwig Hantzsch. Kurzarbeit und wachsende Arbeitslosenzahlen führten momentan dazu, dass viele Verbraucher in Deutschland weniger Geld zur Verfügung hätten. Dies werde „zeitlich versetzt zu einem Anstieg der Überschuldungsfälle führen“, warnte Hantzsch. Die Folgewirkungen der Pandemie würden gravierender sein als die Weltfinanzkrise 2008 und 2009.
In diesem Jahr nahm die Zahl der überschuldeten Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland aber noch einmal ab und verringerte sich um 69 000 auf 6,85 Millionen. Die Überschuldungsquote sank leicht auf 9,87 Prozent und lag damit erstmals seit vier Jahren unter der Zehn-Prozent-Marke. In den Zahlen spiegelte sich noch einmal die robuste Verfassung des Arbeitsmarktes bis zum Frühjahr 2020 wider. Dieser Positivtrend habe sich aber durch die Corona-Pandemie aber spätestens ab April gewendet, betonten die Experten.
Gegen den Trend können immer mehr alte Menschen in Deutschland ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen. Seit 2013 habe sich die Zahl der überschuldeten Verbraucher im Alter ab 70 Jahren mehr als vervierfacht – auf mittlerweile rund 470 000 Betroffene. Bei den über 50-Jährigen wuchs die Zahl der Überschuldungsfälle laut Creditreform um 245 000 oder elf Prozent.
Finanzielle Probleme entstehen nach Angaben von Schuldnerberatungen zumeist aufgrund von Einkommensverlusten durch Arbeitslosigkeit oder zu gering entlohnte Arbeit sowie durch Unfälle oder schwere Erkrankungen, die zur Erwerbslosigkeit führen. Aber auch die Trennung von Paaren sowie eine Erkrankung oder der Tod eines Partners können Gründe dafür sein. In der Folge können Immobilienkredite nicht mehr bezahlt werden, und auch für Stromrechnungen sei dann oft kein Geld mehr da. Schulden entstehen darüber hinaus häufig im Handy- und Internetbereich.
Die Gutverdiener können laut Creditreform Einkommensausfälle kompensieren, sie sparen vermehrt und üben zugleich Ausgabenvorsicht sowie Konsumzurückhaltung. Die unteren sozialen Schichten haben keine oder nur sehr geringe finanzielle Reserven und eine „negative Sparquote“ – sie ver- und überschulden sich“, so Stephan Vila.
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