
Worpswede. Im Streit um den Spielplatz am Paula-Modersohn-Becker-Weg in Worpswede gibt es eine unerwartete Wende: Bei dem Grundstück, das die Gemeinde, wie berichtet, gerne und auch gegen den Widerstand zahlreicher Anwohner zu Bauland machen möchte, handelt es sich um ein Biotop. Das hat die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Osterholz in dieser Woche festgestellt und es auch der Worpsweder Verwaltung so mitgeteilt.
Eigentlich sollte das Thema am kommenden Montag, 25. Januar, erneut auf der Tagesordnung des Planungsausschusses stehen. Weil bei der vorherigen Beratung aufgrund der Corona-Regelungen mehrere Anwohner nicht als Gäste an der Sitzung teilnehmen konnten, sollte es erneut öffentlich beraten werden. Die Sitzung wurde aus diesem Grund extra in den Hüttenbuscher Schützenhof verlegt, weil dort mehr Platz für Zuhörer ist als in der Worpsweder Ratsdiele. Dabei bleibt es auch, aber aus der geplanten Debatte zu diesem Thema wird erst mal nichts: Bürgermeister Stefan Schwenke teilte am Donnerstag mit, der Tagesordnungspunkt sei gestrichen, weil er „nicht abschließend beraten und beschlossen werden“ könne. Es bedürfe „einer weiterführenden Klärung des Sachverhalts“, so der Verwaltungschef, der sich auf Nachfrage selbst überrascht von der Entwicklung zeigte.
Das Grundstück ist als Spielplatz im Flächennutzungsplan eingetragen, wurde aber nie als solcher hergerichtet. Die Anwohner nutzen es für verschiedene Aktivitäten, unter anderem als Bolzplatz oder für Straßenfeste. Auf die Idee, dass es sich bei dem Areal um eine schützenswerte Fläche im Sinne des Naturschutzes und der Artenvielfalt handeln könnte, kamen auch sie bislang nicht. Sie boten der Gemeinde Worpswede gar an, die rund 1200 Quadratmeter zum Bodenrichtwert von 92 Euro pro Quadratmeter selber kaufen zu wollen, um so eine Bebauung zu verhindern.
Diese rund 110.000 Euro können sie sich nun möglicherweise sparen, denn die Einschätzung der Naturschutzbehörde ist eindeutig. Die stellte fest, informiert von einer ökologisch versierten Bürgerin, dass es sich um eine Magerwiese handelt. Genaugenommen ist von „magerem mesophilem Grünland“ an einem kalkarmen Standort die Rede. Unter anderem wachsen dort Rotes Straußgras, Rotschwingel, Gewöhnliches Ferkelkraut, Feld-Hainsimse, Gemeine Schafgarbe, Gewöhnliches Ruchgras, Spitzwegerich und Gänseblümchen.
Schutzbedürftig sei dabei nicht die einzelne Art, sondern „die Artenkombination und somit die gesamte Vegetation, die den Biotoptyp kennzeichnet“, wie Behördensprecher Jörn Stelljes ausführt und betont: „Dieser Biotoptyp ist gesetzlich geschützt.“ Ein solcher Befund ist nicht zuletzt deshalb erstaunlich, weil der ursprünglichen Beschlussvorlage bereits ein umfangreiches Gutachten des Bremer Planungsbüro Instara beigefügt war, das die Verwaltung nach der Zustimmung der politischen Gremien in Auftrag gegeben hatte.
Das Gutachten hat sich über rund vier Seiten mit den Belangen von „Umwelt- und Naturschutz sowie Landschaftspflege“ auf dem Grundstück beschäftigt und kommt zu der Einschätzung, „bezogen auf das Schutzgut Pflanzen und Tiere sowie biologische Vielfalt“ sei der Fläche nur eine „geringe Bedeutung“ zuzuordnen. Es heißt dort, die biologische Vielfalt sei auf dem Areal als „stark eingeschränkt zu betrachten“. Die Planer ziehen den Schluss, dass sich mit einer Bebauung des Spielplatzes „keine erheblichen Beeinträchtigungen für das Schutzgut Pflanzen und Tiere sowie die biologische Vielfalt“ ergeben würden.
Eine Firmensprecherin räumt ein, dass Instara dies lediglich aufgrund des bestehenden Bauplans für den Bereich beurteilt habe. Eine weitergehende Untersuchung vor Ort, beispielsweise durch einen Biologen, habe es nicht gegeben. Die hat nun die Untere Naturschutzbehörde ihrerseits veranlasst. Das Ergebnis ist eindeutig: Alles, was „zu einer Zerstörung oder sonst erheblichen Beeinträchtigung eines gesetzlich geschützten Biotops“ führe, sei untersagt, macht Jörn Stelljes deutlich. Die Gemeinde habe nun zu prüfen, ob sie auch „unter Berücksichtigung der naturschutzfachlichen Wertigkeit“ die Planung fortführe, so der Behördensprecher. Falls sie das wolle, wäre eine Ausnahmegenehmigung oder eine Befreiung erforderlich. Diese wiederum würden in jedem Fall die Verpflichtung zu Ausgleichsmaßnahmen nach sich ziehen.
„Hoher Siedlungsdruck“
Die Worpsweder Verwaltung hatte, nachdem die Grundflächenzahl von 0,3 auf 0,25 für das Spielplatz-Grundstück reduziert worden war – demnach also das spätere Haus ohne Nebengebäude maximal ein Viertel der Grundstücksfläche einnehmen dürfte – vorgeschlagen, dass höher als zuvor beschlossen gebaut werden dürfe. Man wollte die erlaubte Gebäudehöhe von 6,50 auf 7,50 Meter anheben, da „ein hoher Siedlungsdruck und ein hoher Bedarf an Wohnbauflächen“ in der Gemeinde bestehe und daher „mit Grund und Boden sparsam umgegangen“ werden solle, heißt es in der nun zurückgezogenen Beschlussvorlage. Mit einem Meter mehr Höhe sei auch ein Doppelhaus realisierbar, ohne dass von der beschlossenen, formalen Eingeschossigkeit abgewichen werden müsse, so die Argumentation. In direkter Nachbarschaft gebe es Häuser mit bis zu 8,80 Meter Höhe, insofern passe sich der Neubau dort ein. Solche Überlegungen sind nun aber erst einmal obsolet.