
Borgfeld. Es sind zwei smarte Typen, die eines der größten Borgfelder Probleme anpacken. Die Zwillinge Timon und Torge Hilken bauen seniorenfreundliche Wohnungen. Die ersten Borgfelder sollen 2020 an der Katrepeler Landstraße bezugsfertig sein.
Parallel zu ihrem Studium Internationales Business wollen Timon und Torge Hilken in den kommenden Jahren bis zu 40 Wohnungen bauen. Der Bedarf ist groß. Seniorensprecher Johannes Huesmann geht davon aus, dass in Borgfeld derzeit jeder fünfte Bürger älter als 65 Jahre ist. Bis 2025 könnte es bereits jeder vierte sein, warnte Huesmann zuletzt auf der Beiratssitzung im Januar. In ein Stiftungsdorf zu ziehen, das könne sich nicht jeder leisten. So fehlten zahlreiche seniorengerechte Wohnungen. Dem Seniorensprecher lagen im Herbst 2018 nach eigenen Angaben etwa 30 Anfragen von älteren Menschen vor, die in Borgfeld bezahlbaren Wohnraum suchten. Tendenz steigend.
Das Statistische Landesamt erhebt nach eigenen Angaben keine Daten zum Bedarf und zum Bau von seniorengerechten Wohnungen. Auch die zentrale Stelle für barrierefreies Wohnen, der Verein Komfort, weiß nicht, wie viele altersgerechte Wohnungen in Bremen fehlen. Torge Hilken hat recherchiert und behauptet: „In Borgfeld fehlen rund 700 Wohnungen für Senioren.“ Der 20-Jährige und sein Bruder haben es sich zum Ziel gemacht, Senioren ein selbstständiges Leben in der Nähe ihrer Familie zu ermöglichen. Als Kommanditisten der Gesellschaft ihrer Eltern bauen die beiden gerade in Worpswede zwei altersfreundliche und eine barrierefreie Wohnung. Ab April sollen vier seniorenfreundliche Wohnungen in Borgfeld entstehen. Wohnungen, in denen es wenige bis gar keine Stufen gibt, die breite Türen haben, durch die Rollstühle und Rollatoren passen und in denen die Duschen befahrbar sind.
"Unsere Großeltern haben das Glück, in ihrer eigenen Wohnung zu wohnen: ebenerdig und barrierefrei", begründet Timon Hilken, warum zwei 20-Jährige seniorengerechte Wohnungen bauen. "Dieses Glück haben viele Senioren in Borgfeld nicht." Timon und Torge Hilken gehen davon aus: "Zehn Prozent der Borgfelder wollen sich verkleinern oder umorientieren, indem sie ihre Häuser verkaufen und in barrierefreie Wohnungen ziehen." Dass sie mit ihrem Geschäftsmodell einen Nerv getroffen haben, merken sie an der großen Nachfrage: "Für das Projekt Katrepeler Landstraße haben wir in gut einer Woche 20 Anfragen unter anderem aus Hamburg, Berlin und Hannover bekommen." Es seien oft die erwachsenen Kinder, die ihren Eltern in der Heimat eine Wohnung reservieren wollen. "Und sie fragen gleich, wann sie einziehen können", sagt Firmensenior Rainer Hilken. Sohn Torge ergänzt: "Wir wollen, dass Borgfeld ein Generationendorf bleibt." Eltern sollen in der Nähe ihrer Kinder wohnen dürfen, die Enkel aufwachsen sehen. Und die Kinder sollen die Möglichkeit haben, ihren Eltern etwas zurückzugeben. Vorbild ist für die Hilken-Brüder das eigene Familie-Modell. Oma Erika und Oma Karla wohnen nur einen Steinwurf entfernt in Wohnungen, die die Hilken GmbH & Co KG vom Büro Borgfelder Heerstraße 57a aus verwaltet. Die Grundrisse für die seniorengerechten Wohnungen haben sie abgesegnet.
Ex-Landwirt Rainer Hilken ist begeistert vom Engagement, der Disziplin und dem Geschäftssinn seiner Söhne. „Wir haben sie nicht dazu gedrängt“, betont der Senior. Er und seine Frau Maren, Geschäftsführerin der Hilken-Gesellschaft, stellen ihr Know-how und die finanziellen Mittel zur Verfügung, die ihre Söhne für die Umsetzung benötigen. „Ich habe nur gesagt: Wenn ihr euch dafür entscheidet, wird das zu Ende gemacht.“ Vor Höhen und Tiefen hat Rainer Hilken seine Jungs gewarnt. „Der Tag hat 24 Stunden, und wenn die nicht reichen, nehmen wir die Nacht dazu“, sagt er und lacht. Tatsächlich haben Torge und Timon Hilken inzwischen einen Eindruck davon, was ihr Vater meint. Während ihre Kommilitonen im holländischen Groningen am Wochenende mit ihren Freundinnen Partys feiern und abhängen, sitzen Torge und sein Bruder vor Bauplänen, treffen sich mit Steuerberatern, werben für ihre Bauprojekte und suchen neuen Baugrund.
An der Katrepeler Landstraße hatte eine ältere Dame ihr Einfamilienhaus aus den 1950er-Jahren verkauft, berichtet der für Bauplanung zuständige Timon Hilken. Auf dem Grundstück soll das Vierparteienhaus „Katrepel No. Six“ entstehen. Wo jetzt eine große Baugrube zu sehen ist, alte Plastiktanks liegen und efeuberankte Sträucher auf den Frühling warten, wird in wenigen Monaten ein Betonfahrzeug die Bodenplatte gießen.
Während das energiesparende KfW50-Haus in Worpswede im April bezugsfertig sein soll, gibt es für Borgfeld noch keinen Termin. Fest steht jedoch: An der Katrepeler Landstraße soll ein KfW40-Haus mit Erdwärmeheizung entstehen. Die Fassade in Weiß und Anthrazit halten die Bauingenieure des Grasberger Bauunternehmers Heiner Köster geradlinig. In dem Bau mit Satteldach wird es zwei je 90 Quadratmeter große, barrierefreie Dreizimmerwohnungen geben und im Dachgeschoss zwei jeweils 80 Quadratmeter große Wohnungen, teils mit Balkon. Notfalls könnte in die barrierefreien Wohnungen eine Pflegekraft miteinziehen, so die Idee. Wichtig ist den Jungunternehmern, dass man die Wohnelemente vom Handy aus steuern kann. Sie legen auch Wert darauf, dass die Handwerker möglichst aus Borgfeld und umzu kommen.
Nutzen sollen die Wohnungen Senioren und junge Leute. Ob sie verkauft oder zu marktüblichen Preisen vermietet werden, steht laut Torge Hilken noch nicht fest. Zum Abschied sagt er: „Uns geht es nicht primär ums Geldverdienen.“ Natürlich wolle er sich gemeinsam mit dem Bruder eine Perspektive aufbauen. „Aber das ist nicht der Fokus.“ Ihr Ziel ist ein anderes. Timon Hilken: „Bis wir 30 Jahre alt sind, wollen wir Borgfeld 100 seniorenfreundliche Wohnungen zurückgeben.“
Barrierefreies Bauen und Wohnen
Gesetzliche Vorgaben, was eine seniorengerechte Wohnung ist, gibt es nicht. Für barrierefreies Wohnen sind jedoch Normen nach DIN 18040 festgelegt, damit sich Menschen mit Behinderungen ebenso frei in ihrer Wohnung bewegen können, wie dies Menschen ohne Behinderung tun. Geregelt ist vor allem der Platzbedarf und die Form der Zugänge. Die Vorgaben gelten für öffentlich zugängliche Gebäude (DIN 18040-1) und Wohnungen, die vom Mieter uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbar sind (DIN 18040-2). Als altersfreundlich gelten Wohnungen, die zwar barrierefrei sind, aber über eine Treppe erreichbar sind. Informationen zur technischen Umsetzung und zu den Finanzierungsmöglichkeiten erteilen die Mitarbeiter des vom Senat geförderten gemeinnützigen Vereins Komfort (Landwehrstraße 44), Telefon: 0421 / 79 01 10.
|