
Bremen-Nord. Zugegeben, so richtig eisig war der Winter bislang kaum. Aber auch wenn es nur nasskalt um die Häuserecken stürmt, kann ein gemütliches Ofenfeuer Haus, Herd und Herz wärmen. Weniger gemütlich ist es allerdings, wenn plötzlich einige aufgebrachte Wespen durch die gute Stube krabbeln. Als Hintergrund eines solchen Phänomens muss man allerdings nicht unbedingt den Klimawandel vermuten.
Erfahrene Ofenbesitzer, die schon länger auf selbst gelagertes Holz zurückgreifen, kennen des Rätsels Lösung: Im Herbst suchen sich ausgeschwärmte Königinnen einen Schlafplatz für den Winter, der Schutz vor feuchtkalter Witterung verspricht. Holzstapel, womöglich noch überdacht, gehören da zur ersten Wahl: Gute Dämmeigenschaften, lockere Fasern, in die es sich gut eingraben lässt. Dort klappen sie dann ihre Flügel ein und fallen in die Winterstarre.
Werden sie allerdings versehentlich in die warme Wohnung umquartiert, erwachen sie in der Annahme, dass wohl schon Zeit zum Ausschwärmen sei. Stellt sich die Frage nach Vorkehrungen, um derlei unliebsame Begegnungen zu verhindern. Schließlich stehen Wespen unter Naturschutz; wer sie tötet und erwischt wird, muss mit einer erheblichen Geldbuße rechnen.
Auf die Idee, die Scheite bereits draußen absuchen, kommt man noch alleine. Die Tiere jedoch einfach abzuschlagen und ihrem Schicksal zu überlassen, scheint keine gute Idee. Wohin also mit ihnen und wie? Da ist Expertenrat gefragt.
Doch selbst bei der Ökologiestation in Schönebeck wären für eine derart spezielle Frage Recherchen nötig. So verweisen die Biologen dort lieber an den Bremer Imkerverein vom 1875. Dessen Vorsitzender August-Wilhelm Schinkel möchte sich zwar ebenfalls nicht unbedingt als Wespen-Experten bezeichnen, „aber wir siedeln ja schon mal Völker um.“ Damit gehen auch einige Kenntnisse einher.
Wenn eine Wespen-Königin im Winterschlaf aufgestört werde, sei das kein großes Problem, erklärt er. Zunächst könnte man den einzelnen Scheit einfach irgendwo anders ins Trockene legen. Eine heruntergefallene Königin muss auch nicht zwangsläufig umkommen. Aus Laubhäufchen sollte man sie aber doch befreien. Denn Schimmelpilze an Blättern könnten ihr eventuell zusetzen.
Das bestätigt auch Sönke Hofmann, Geschäftsführer im Landesverband Bremen des Naturschutzbundes (Nabu). „Besser das träge Insekt aufheben und an das noch ablagernde Holz setzen“, das in diesem Winter nicht mehr zum Einsatz kommt. Vorzugsweise erfolgt die Umquartierung mitsamt Scheit, da die Wespen sich mit einer klebrigen Substanz am Holz fixieren. Zwar könne man beim Ablösen kaum etwas kaputt machen – „ist ja kein Spezialkleber“ – aber unnötig stören sollte man eben auch nicht.
Dass einmal gleich mehrere Königinnen durch die Stube schwirren, findet Hofmann allerdings eher ungewöhnlich. „Solange wir noch keine richtige Frostlage hatten, können das auch Arbeiterinnen sein, die halt irgendwie überlebt haben.“ Aber auch für sie gilt nach seinen Worten: „Bei strengem Frost lieber in ein Glas sperren und in der Garage zwischenlagern; ansonsten nicht einfach freilassen, sondern eben in den frischen Holzstapel für nächstes Jahr setzen. Oder an einen geschützten Balken am Carport“
Wobei Imker August-Wilhelm Schinkel den Insekten erfahrungsgemäß eine gewisse Robustheit zuspricht: „Feuchtigkeit an sich macht ihnen wohl nicht so viel aus. Ich habe tatsächlich mal eine Hornissenkönigin im Kompost aufgestöbert, als ich den Haufen umsetzen wollte. Auf einen Ast gesetzt, brauchte die nur einen Moment und ist dann weitergeflogen.“ Solange sie eben dies tun, fliegen, haben sie auch eine gute Chance, sich ein neues Winterquartier zu suchen. „Bienen beispielsweise fliegen noch bei etwa sieben Grad Celsius.“ Erst darunter werde es heikel.
Schinkel fallen auch noch andere Ausweichquartiere ein. „Ich könnte mir vorstellen, dass es so einer Königin auch in einem Vogelhaus gefällt.“ Nur in die Wohnung holen sollte man sie eben nicht. Mal abgesehen davon, dass sie im Wachzustand keineswegs friedliche Mitbewohnerinnen sind, „finden sie drinnen ja auch kein Futter.“
Unabsichtlich ins Warme beförderte Tiere werden übrigens in aller Regel schnell genug wach, um sich vor dem Kaminfeuer zu retten. Das Fangen geht recht einfach, da sie zunächst noch etwas träge sind. Eine gute Hilfe sind Insektenfang-Geräte, die die bewährte Glas-Pappdeckel-Methode für den einhändigen Gebrauch perfektioniert haben.
Bleibt die Frage, ob man sich so nicht eine Wespenplage im nächsten Sommer heranzieht? Nein, meinen die Experten unisono. Königinnen suchten sich jedes Jahr gerne ein neues Quartier, erklärt August-Wilhelm Schinkel und empfiehlt, in den Wintermonaten unerwünschte Einfluglöcher einfach zuzuschmieren. Sönke Hofmann gibt außerdem zu bedenken, dass ohnehin „nur ein kleiner Teil nach dem Winter auch ein erfolgreiches Nest zustande bringt. Viele werden beim Aufbau gestört, von Vögeln gefressen oder erkranken“. Und: „Es ist ja eher so, dass wir als Mensch die Verantwortung haben: Wir haben das Holz aufgestapelt, das die Wespen, aber auch zum Beispiel winterschlafende Fledermäuse annehmen. Wenn wir also unabsichtlich solch eine Falle aufstellen, sollten wir die Auswirkungen minimieren.“
Unter Schutz
In der Regel kommt man in Deutschland nur mit zwei Wespenarten in Konflikt, der Paravespula germanica und der Paravespula vulgaris, also der Deutschen Wespe oder der Gemeinen Wespe. Beide Arten stehen in Deutschland unter allgemeinem Naturschutz. Gemäß § 39.1.1 des Bundesnaturschutzgesetzes ist es verboten, „Wespen mutwillig zu beunruhigen oder ohne vernünftigen Grund zu fangen, zu verletzen oder zu töten“. Auch eine „Beschädigung oder Zerstörung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten“ wird untersagt. In Bremen droht dafür ein Bußgeld von bis zu 5000 Euro – wie auch in Niedersachsen und den meisten anderen Bundesländern. Einige Wespenarten wie die Kreiselwespen oder Kopfhornwespen stehen sogar unter besonderem Schutz. Verstöße können mit Bußgeldern bis zu 50.000 Euro geahndet werden. Betrachtet wird dabei stets der Einzelfall, und die Bußgeldhöhe daher immer individuell bemessen.