
Worpswede. Heinrich Vogeler ist knapp mit dem Leben davon gekommen, jetzt sitzt er in einem Bremer Irrenhaus, weil er dem Kaiser einen pazifistischen Brief geschrieben hat. Marie Griesbach schmort gleichzeitig im Gefängnis in Leipzig. Wieder in Freiheit, gründen die beiden im Frühjahr 1919, nach der Zerschlagung der Bremer Räterepublik, die Barkenhoff-Kommune in Worpswede. Vogeler, der den alten Bauernhof schon 1895 gekauft und zu einem Jugendstil-Gesamtkunstwerk umgestaltet hatte, steht unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs, an dem er als Freiwilliger teilnahm. Der Universalkünstler kam grundlegend verändert nach Worpswede zurück: Er war politisiert und radikalisiert. Und er wollte keine Märchenfiguren mehr malen, sondern politische Realitäten verändern – wenn schon nicht im Großen, dann wenigstens im Kleinen.
So beschreibt Oliver Peuker die Ausgangssituation für seine neue Theater-Produktion. Mit einem fünfköpfigen Ensemble bringt er die „Kommune Barkenhoff“ auf die Bühne, allerdings nicht am Original-Standort, sondern in der Bötjerschen Scheune in Worpswede. Das Stück sei speziell für diesen Raum konzipiert, verrät der Theatermacher aus dem Teufelsmoor am Rande der Proben. An anderen Orten soll es nicht aufgeführt werden. Links und rechts im Saal liegen zwei Rundballen Heu, dazwischen ist eine Art Spielbahn, das Publikum soll später zu beiden Seiten davon sitzen. Premiere ist am 31. Juli.
Was die Gäste dann erwartet, ist schwer zu greifen. Das Stück aus Peukers Feder basiert zum größten Teil auf Original-Zitaten. Die sind nicht nur in Briefen und Veröffentlichungen der Protagonisten gut dokumentiert, sondern auch im Bremer Staatsarchiv zu finden. Eine Kommune ist auch zu den politisch unruhigen Zeiten der Weimarer Republik verdächtig; schon damals hat der Staat seine V-Leute auf ein solches, höchst suspektes Treiben wie am Weyerberg angesetzt. Ideen aus Kommunismus und Anarchismus treffen mit christlichen Idealen wie der Nächstenliebe zusammen. Daraus entsteht eine Lebensgemeinschaft, die gesellschaftliche Utopien mit alternativer Landwirtschaft und Selbstversorgung kombiniert. So gesehen sei das Thema brandaktuell, meint Oliver Peuker.
Er hat für diese Inszenierung ein interdisziplinäres Konzept erarbeitet: Texte treffen auf choreografisches Theater, Musik, Tanz und Gesang spielen wichtige Rollen, das Bühnenbild bleibt karg. Das Spiel muss die Inhalte transportieren. Peuker selbst bleibt bei seinem neunten Stück mit Worpsweder Bezügen in 20 Jahren Cosmos Factory im Hintergrund. Er ist Autor, künstlerischer Leiter, Regisseur und Produzent in Personalunion. Auf der Bühne stehen Sonja Hurani, Citlali Huezo Sanchez, Judith Mann, Anouk Falkenstein und Thomas Lindhout, die alle mehrere Rollen auszufüllen haben. Die Geschlechter spielen dabei keine Rolle: Frauen spielen mitunter Männer, der Mann auch Frauenrollen.
Die Musik entsteht zum Teil live vor Ort und wird von den Schauspielern und Peuker selbst komponiert, dazu kommen Gitarrenklänge von Jon Geiger und Soundcollagen von Tom Horn. Ursprünglich war Ralf Benesch als musikalischer Direktor dieses Projekts vorgesehen, aber der Bremer Musiker starb völlig überraschend im April, lange bevor die Proben begannen. Seit Anfang Juli arbeitet das Ensemble der Cosmos Factory gemeinsam am Stück, seit dieser Woche probt es in der Bötjerschen Scheune. Das sei für eine solche Produktion durchaus ambitioniert, normalerweise seien zwei Monate Vorlauf nötig, meint der Regisseur und behauptet, deswegen schon mal das Feierabendbier streichen zu müssen. Aber auch Peuker ist im Herzen immer Schauspieler, so ganz genau ist seiner Mimik nicht zu entnehmen, wie ernst er das meint. Umso deutlicher wird aber, wie leidenschaftlich er und sein Ensemble für ihren Stoff brennen und der Premiere entgegenfiebern.
"Kommune Barkenhoff" läuft von Mittwoch, 31. Juli, bis Sonntag, 11. August, täglich ab 20 Uhr in der Bötjerschen Scheune, Bauernreihe 3 in Worpswede. Karten kosten 25 Euro, ermäßigt für Schüler und Studenten 19 Euro. Sie sind im Vorverkauf bei der Tourist-Info an der Bergstraße 13, telefonisch unter 04796/ 95 20 95 oder per Mail an tickets@cosmosfactory.de zu bekommen.
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