
Mit dem Appell, ihre Schulen umgehend mit der Lernplattform Iserv auszustatten, haben sich die Leiterinnen der vier Lilienthaler Grundschulen an die Bildungspolitiker im Gemeinderat und die Verwaltung gewandt. „Wir haben seit Monaten eine Pandemie, die vollkommen andere Kommunikationsformen erfordert“, heißt es in dem Brief, der Mitte Januar im Rathaus einging. Eine Woche später zeigt sich während der Sitzung des Bildungsausschusses: Von jetzt auf gleich wird es nicht gehen. Selbst wenn alle Beteiligten auf die Tube drücken, werden noch Monate ins Land gehen, bis eine solche Plattform für den Distanzunterricht von den Schulen genutzt werden kann.
Eine erste Hürde haben die Schulen selbst genommen, indem sie sich auf einen Anbieter geeinigt haben. Auch das vom Rathaus geforderte gemeinsame Konzept zum Distanz- und Wechselunterricht liegt seit Dezember vor. Doch jetzt beginnt es hakelig zu werden: Technische Details müssen mit den Schulen noch geklärt werden, unklar ist, ob Server benötigt werden oder eine Cloud-Lösung bevorzugt wird. Hinzu kommt, dass die 10.000 Euro, die die Gemeinde im Haushalt bereitgestellt hat, mit einem Sperrvermerk versehen sind.
Erst wenn der Haushaltsplan für 2021 vom Landkreis genehmigt ist, kann die Sperre aufgehoben und das Geld ausgegeben werden. Nach den Erfahrungen aus den Vorjahren wird eine Rückmeldung frühestens für Mitte Februar erwartet. Erst dann kann das notwendige öffentliche Vergabeverfahren starten. Im Rathaus wagt man nur die vorsichtige Prognose, dass die Lernplattform im laufenden Schuljahr zur Verfügung stehen wird. Die Verantwortlichen einschließlich Bürgermeister Kristian Tangermann sehen die Dringlichkeit und versprechen einen nahtlosen Ablauf, doch an dem Prozedere kommen sie nicht vorbei.
Wie sehr das Hin- und Her von Präsenz- und Distanzunterricht an den Kräften und Nerven von Lehrern, Eltern und Kindern zehrt und wie wichtig der Einsatz der Online-Technik wäre, wurde im Ausschuss am Dienstag deutlich: Elternvertreterin Claudia Ostendorff beschrieb als Mutter eines Zweitklässlers, wie sehr der Versuch, nach zehn Monaten der Pandemie die Kinder per Arbeitszettel am Schulleben zu beteiligen, an seine Grenzen stößt. Die Grundschüler gingen langsam die Wände hoch, wenn sie aufgefordert seien, Zettel für Zettel abzuarbeiten. Ihnen fehle der direkte Kontakt zu anderen Kindern und der Austausch mit den Lehrern.
Auch für die Falkenberger Grundschullehrerin Andrea Schwarz kann es so nicht weitergehen. In ihrer vierten Klasse müsse sie im Deutschunterricht jetzt die vier Fälle durchnehmen, doch im Distanzunterricht ohne Möglichkeiten der Erläuterung sei das nicht zu vermitteln. „Damit kann ich nicht ins Homeschooling gehen“, sagte sie. Andere Schulen, so berichteten Eltern, behelfen sich in der Not bereits mit selbst organisierten Lösungen: So soll an der Schroeterschule zumindest in einzelnen Jahrgängen die Lernplattform Padlet eingesetzt werden.
Und die Lage wird nicht einfacher: Die verschärften Corona-Einschränkungen bleiben noch bis Mitte Februar bestehen, und Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne überlässt es nun den Eltern zu entscheiden, ob ihre Kinder der Schule auch dann fernbleiben, wenn im Wechselmodell eigentlich Unterricht in der Schule ansteht. So ist davon auszugehen, dass ab nächster Woche noch mehr Grundschüler dem Distanzunterricht folgen werden.
Nicht nur die Anschaffung der Lernplattform zieht sich in Lilienthal hin, es hapert auch an anderer Stelle: Nur eine der vier Grundschulen in der Gemeinde verfügt überhaupt über einen Glasfaseranschluss. In Trupermoor, Worphausen und an der Schroeterschule fehlt die Anbindung ans schnelle Internet. Dort könnte die angedachte Lernplattform wohl nur eingeschränkt laufen: Videokonferenzen mit 30 Kindern, die sich gleichzeitig zuschalten, könnten über einen normalen Anschluss an den Server nicht laufen. Nur der Austausch von Dokumenten und Nachrichten wäre kein Problem, sagt Frank Baier, der im Lilienthaler Rathaus für die IT verantwortlich ist.
Zwar läuft im Landkreis eine neue Runde beim Breitbandausbau, bei der gezielt Einrichtungen wie Krankenhäuser, Gewerbegebiete oder auch Bildungseinrichtungen ausgestattet werden sollen. Doch auch dieses Vorhaben erfordert noch Geduld. Das Ergebnis des Vergabeverfahrens muss abgewartet werden, erklärte Bürgermeister Kristian Tangermann den Ausschussmitgliedern. „Es kann noch keiner sagen, wann der Glasfaser-Anschluss kommt“. Auch der Versuch der Verwaltung, vom Anbieter EWE Näheres über geplante Breitband-Anschlüsse im Ort zu erfahren, hat nichts gebracht. Das Unternehmen, so hieß es, lasse sich nicht in die Karten blicken. In seinem Frust regte CDU-Ratsherr Nicolas Laack an, ob die Gemeinde denn nicht auf eigene Kosten Glasfaserkabel an die Schulen verlegen lassen könne, was vom Bürgermeister wegen des bereits laufenden Förderprogramms für unmöglich gehalten wird.