
Osterholz-Scharmbeck. Es geschah an einem Donnerstag. Am 19. Mai 1994 veränderte sich das Leben von Jens Kluge dramatisch; in wenigen Sekunden. Kluge war 37 Jahre alt, als er beim Absturz mit einem Segelflugzeug auf dem Flugplatz in Osterholz-Scharmbeck schwer verletzt wurde. Seither sitzt er im Rollstuhl. Doch der heute 55 Jahre alte Osterholz-Scharmbecker hat sein Schicksal gemeistert. Kluge fliegt nicht nur längst schon wieder, sondern steht auch beruflich seinen Mann; als Technischer Redakteur schreibt er Handbücher für die Marinetechnik.
"Es waren unglückliche Umstände, die mir damals zum Verhängnis wurden. Ich wollte in einem Alleinflug nach Bremen fliegen, um einen Prüfer für einen weitergehenden Flugschein abzuholen. Dabei ist es dann passiert", sieht der Diplom-Ingenieur die Schuld an dem tragischen Geschehen bei sich. Die Maschine war nach seinen Angaben "absolut in Ordnung". Es folgten rund ein halbes Jahr Krankenhaus- und Rehabilitationsaufenthalte. Doch schon während dieser Zeit flog Jens Kluge wieder bei Kollegen mit. "Auch gleich nach dem Ende der Reha bin ich mit meiner Frau zum Flugplatz gefahren", erzählt der Vater einer Tochter. Er wollte das Geschehen möglichst schnell verarbeiten.
Das nächste Ziel des begeisterten Fliegers war es, wieder selbst zu fliegen. Doch da Kluges Verein, der Bremer Verein für Luftfahrt (BLV), seinerzeit noch nicht über ein behindertengerechtes Flugzeug für den Piloten verfügte, machte der Kreisstädter seinen zusätzlichen Flugschein beim Verein in Oerlinghausen bei Bielefeld.
Handbedienung statt Pedale
Drei Jahre später kaufte der BLV dann ein Segelflugzeug und baute die Mechanik zur Handbedienung um, die sonst mit dem Fuß betätigt wird. Mit wenigen Griffen wird dieses Extra nun nach jedem Flug von Kluge abgebaut, sodass das Segelflugzeug auch normal geflogen werden kann. Trotz seines Schicksals hebt Kluge hervor, dass Segelfliegen kein gefährlicherer Sport als jeder andere ist. Noch ist er einer von wenigen querschnittsgelähmten Menschen in Deutschland, die den Segelflugsport ausüben. "Mit den Rolli-Fliegern in Ulm gibt es zwar einen Verein für behinderte, flugbegeisterte Menschen, aber die meisten fliegen im Ultraleichtflugzeug oder mit dem Motorsegler. Segelflieger sind eher selten", so Kluge. Er sucht daher Betroffene, die in den Verein eintreten und gerne ebenfalls fliegen möchten. "Der Verein wird dabei Unterstützung bieten", sagt er.
Kluge fliegt seit dem Jahre 1972; er wurde seinerzeit von Fluglehrer Peter Otto ausgebildet. Er erwarb 1974 seine Segelfluglizenz und hat inzwischen nach eigenen Angaben rund 1000 Starts und Landungen hinter sich gebracht. Bei einem gut 30-minütigen Flug konnten wir uns selbst ein Bild von Kluges fliegerischen Fähigkeiten machen. Mit einem Schleppflugzeug ging es auf etwa 800 Meter Höhe, nach dem Ausklinken weitere 200 Meter höher über die Stadt und die angrenzenden Dörfer hinweg. Bei herrlichem Wetter war die Sicht bis nach Bremerhaven hervorragend – ein insgesamt fantastisches Erlebnis, auch wenn dem Berichterstatter vor allem in den Kurven doch ein wenig seltsam in der Magengegend wurde.