
Hannover. Niedersachsen will den Antibiotikaeinsatz in der Nutztierhaltung mit Hilfe einer Onlinedatenbank spürbar reduzieren. Die Datenbank vernetzt wichtige Informationen aus den Ställen und der jeweiligen tierärztlichen Behandlung und soll Landwirten und deren Beratern als Leitfaden und Hilfestellung dienen.
Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) sagte am Mittwoch in Hannover bei der Vorstellung der Initiative, dass sie die Gesundheit der Tiere verbessern und gleichzeitig die Antibiotikavergabe senken soll.
Der Einsatz der Arznei für die Tiere im Stall ist ein Auslöser für multiresistente Keime, die unter Umständen auch für Menschen gefährlich werden können.
Das Land fördert den Aufbau und Betrieb der Datenbank über zwei Jahre mit 166.000 Euro. Die Initiative startet in der Metropolregion Bremen-Oldenburg, die weitere 85.000 Euro gibt. Auch die Landwirtschaftskammer schießt 34.000 Euro zu. Unter ihrem Dach soll die Onlineplattform später landes- und bundesweit nutzbar sein.
Uwe Bartels vom Agrar- und Ernährungsforum Oldenburger Münsterland sagte: "Das Projekt soll praxistaugliche Lösungen entwickeln, die den gesellschaftlichen Erwartungen entsprechen und zugleich natürlich auch den wirtschaftlichen Erfordernissen eines globalisierten Wettbewerbs." Der SPD-Politiker ist einer der Amtsvorgänger von Minister Meyer. Erste praktische Anwendungen der Plattform sind für nächstes Frühjahr geplant.
Die Teilnahme der Bauern ist freiwillig. Jedoch setzt die Datenbank an einer Stelle an, mit der kürzlich per Gesetz neue Vorgaben auf die Landwirte zugekommen sind. Zum 1. April traten schärfere Regeln in Kraft. Seither müssen Bauern für Hühner, Puten, Schweine und Rinder regelmäßig melden, welchen Stoff sie wie vielen Tieren in welchen Mengen wie lange geben. Ausreißer nach oben müssen gegensteuern. Hier soll Niedersachsens Datenbank ansetzen.
Und das scheint durchaus angebracht. Denn von den bundesweit eingesetzten Tierantibiotika gingen zuletzt etwa 40 Prozent ins Agrarland Niedersachsen. "Wir wollen die Menge deutlich herunterfahren", sagte Minister Meyer zu dem Vorhaben des Landes.
Laut Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit gehört die Region um Cloppenburg mit ihrer intensiven Nutztierhaltung zu den Spitzenreitern bei der Ausgabe. Wegen des Zusammenhangs mit den multiresistenten Keimen wird schon seit langem eine Reduzierung der Antibiotika angestrebt. Die Initiative für die niedersächsische Datenbank berichtete, dass es wissenschaftlich umstritten sei, wie viel der risikoreichen Keimresistenzen auf das Konto von Antibiotika aus der Landwirtschaft gingen. Der Handlungsbedarf sei dennoch klar.
Antibiotika bekämpfen fast ausschließlich Bakterien, gegen Viren und Pilze wirken sie dagegen nicht. Das Resistenzrisiko steigt nach Angaben der Bundestierärztekammer bei ungezieltem Einsatz - also dem Gießkannenprinzip - bei zu geringer Dosierung sowie bei verlängerter und wiederholter Anwendung, insbesondere in kompletten Tierbeständen.
Beispiele für den Nutzen vernetzter Datenbanken gibt es auch in der Humanmedizin. So lässt etwa der moderne Kampf gegen Krebs mit immer spezielleren Therapien die Zahl denkbarer Behandlungen anschwellen. Ärzte stehen so vor einem Dilemma. Die Berliner Charité zum Beispiel erprobt daher ein System, mit dem Mediziner noch am Krankenbett in Sekundenschnelle Zugriff auf Patientendaten und relevante Studien etwa über Medikamentenwirksamkeit oder Therapieerfolge haben. So können sie ihre Taktik regelrecht vorab simulieren. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt nun das Nutztier-Datenbankprojekt aus Niedersachsen.
Hintergrund: Antibiotika in der Tierhaltung
Ein Masthähnchen bekommt in Deutschland im Schnitt an 10 seiner 39 Lebenstage Antibiotika. Das hat eine Studie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover und der Universität Leipzig ergeben. Ein Schwein wird demnach während einer 115-tägigen Mast an durchschnittlich 4 Tagen mit einem antibiotischen Wirkstoff behandelt.
Die Anwendung von Antibiotika ist umstritten, weil der Wirkstoff bei Keimen zu Resistenzen führen kann und Medikamente dann nicht mehr wirken. Dies betrifft in erster Linie die Tiere, gefährlich kann es aber auch für Menschen werden, die Fleisch mit resistenten Bakterien gegessen haben. Auch bei ihnen kann es vorkommen, dass eine Arznei nicht mehr wirkt. (dpa/lni)