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„Die Energie bin ich“, steht auf einem Spiegel. Daneben ein großformatiges Schwarz-Weiß-Konterfei, das den Künstler neben seinem schwarzmatt lackierten Fahrrad zeigt. Eine Sonderanfertigung für den Linkshänder, der alles mit einem Arm erledigen muss: Schalten, bremsen, lenken. Das Original-Rennrad steht vor dem Spiegel. Es sind Orte wie diese, die eine besondere Magie verströmen. Für die Worpsweder Galeristin Susanna Böhme-Netzel ist Heini Linkshänder in dieser Ecke der Großen Kunstschau besonders präsent. „Da steht jetzt Objekt als Titel neben dem Spiegel, aber in Wirklichkeit war das sein Spiegel, der in seinem Flur in Mevenstedt hing“, erinnert sich die Geschäftsführerin der Worpsweder Kunststiftung Friedrich Netzel, die kurz nach dem Tod des Künstlers von den Erben ins Künstlerhaus nach Mevenstedt eingeladen wurde.
Im selben Raum der Großen Kunstschau steht eine Skulptur: ein Unterarm, der bis über den Ellenbogen reicht – das Lebensthema des Künstlers und sein Symbol für Schaffenskraft, Inspiration und Zielstrebigkeit. Kunst sei für ihn „Wirklichkeitsbenennung und -bewältigung“, so hat es der Wahl-Worpsweder, geboren in Laufen an der Salzach, Vater von drei Kindern, Künstler, Lebenskünstler und Überlebenskünstler Heini Linkshänder immer wieder formuliert. Studienaufenthalte in Wien, Salzburg, Linz, München und Düsseldorf – die Linkshänder als bekennender Schwarzhörer für seine künstlerische Selbstfindung nutzte, führten zu einer prägenden Begegnung mit Joseph Beuys. Die Bekanntschaft mit Friedrich Meckseper ließ Linkshänder Mitte der 70er-Jahre nach Worpswede aufbrechen. Es folgten erste Ausstellungen sowie ein Stipendium an der Villa Romana in Florenz.
Die Retrospektive zeichnet diesen Weg liebevoll nach. Von den ersten Malereien, den „Blutbildern“, inspiriert durch die Begegnung mit Beuys, über zart-sensible Aquarelle bis hin zu Themen wie Partnerschaft, Liebe, Geburt und Kinder. Wer Heini Linkshänder persönlich kannte, wird vielleicht nicht unbedingt als erstes Zartheit und Sensibilität mit dem sportlichen und querköpfigen Künstler assoziieren. Doch die Stärke dieser Retrospektive liegt gerade darin, die Fülle, Vielfalt und Vielschichtigkeit des Heini Linkshänder zu präsentieren und fühlbar zu machen. In einem Film über ihn wird sein Drucker und treuester Sammler Heinz Dodenhof gefragt, was ihm an der Kunst Linkshänders so sehr gefalle. „Das Ergebnis“, antwortet dieser knapp.
Ergebnisse in vielen Facetten
Die Große Kunstschau zeigt viele Facetten dieser Ergebnisse: Mal sind es zarte Bleistiftzeichnungen auf Noten- oder Bleistiftpapier, mal großformatige Malereien, zarte Aquarelle oder grobe Skulpturen aus Holz. Zu sehen sind Köpfe, bekleidete und unbekleidete weibliche Figuren. Die Frau nimmt als bildnerisches Motiv einen besonderen Stellenwert ein. „Sie verkörpert die Suche nach dem Absoluten, die Nähe zur Natur, zum Kosmos, den Hang zum idealen Leben und zur umfassenden Liebe“ zitiert Karen Hammer, Geschäftsführerin der Kulturstiftung im Landkreis Osterholz den Kunstkritiker Rudolph Bauer über die Werke Linkshänders.
An dieser Stelle ist es wichtig, etwas über die Ausstellungsmacherinnen zu erfahren. Es handelt sich um Susanna Böhme-Netzel von der Kunststiftung Friedrich Netzel, die von den Erben des verstorbenen Künstlers mit einer umfangreichen Schenkung überrascht wurde. Ferner um Karen Hammer, die vom Heini-Linkshänder-Sammler Heinz Dodenhof mit über 100 Werken für ihre Stiftung beschenkt wurde, und um Berit Müller, Geschäftsführerin der Heinrich-Vogeler-Stiftung im Haus im Schluh, die insbesondere Druckgrafiken und Druckstöcke aus ihrer Sammlung beisteuerte. „Wir hatten die Idee, dass jede von uns eigene Räume durchkomponiert“, erzählt Karen Hammer zum Ausstellungskonzept. Wobei sich die Exponate später dann einfach von Raum zu Raum miteinander verbunden haben, so ergänzt Susanna Böhme-Netzel.
Die Ausstellung sei ein „Glücksfall“, sagen die Frauen, weil die Erben ihnen das umfangreiche Konvolut ihres Vaters einfach umstandslos zur Verfügung gestellt hätten. „Das war so der Wunsch meines Vaters“, erklärt Linkshänders ältester Sohn, Jürgen Strasser. Aber er habe sich selber gewundert, wie reibungslos alles übergeben worden sei. „Natürlich hätte man das eine oder andere auch gern selbst behalten.“ Aber: Die Schau zeige, dass die Entscheidung richtig war. „Achtung, bitte Ruhe. Künstler arbeiten vor der Natur. Sie ist Quelle für alle Kunst. Bleiben Sie auf den Wegen! Vermeiden Sie jeden Lärm! Sie könnten sonst ein Kunstwerk verhindern“, heißt es auf einem „Bauschild“ am Eingang.
Die Stelle markiert den Beginn einer besonderen Retrospektive, die hier nur in wenigen Zügen skizziert werden kann. Porträt- und Landschaftsmalereien, die die tiefe Verbundenheit Linkshänders mit der norddeutschen Tiefebene kennzeichnen, werden ebenso gezeigt wie unzählige Erinnerungsstücke aus seinem Schaffensprozess zwischen 1985 und 2012. „Bitte nicht in die roten Kissen weinen“, heißt es an einer Ausstellungsvitrine, die an eine Straßenaktion des Künstlers erinnert. In anderen Vitrinen sind Artefakte wie Heftpflaster, versehen mit dem Stempelaufdruck „Kulturschmerz“ ausgestellt. Schweißbrille, Stempel, Druckstöcke und daraus entstandene Werke sind hinter Glas zu sehen. „Künstler-Torf – mir ist kalt“, steht auf einer mit Torf gefüllten Vitrine im großen Raum der Kunstschau. Schmerz, Isoliertheit, aber auch Trost, Liebe und viel Humor sind Inhalte dieser wirklich sehenswerten Werkschau.
Die Retrospektive „Alles mit Links“ ist noch bis einschließlich Sonntag, 20. Oktober, in der Großen Kunstschau, Lindenallee 5, in Worpswede zu sehen. Am Sonntag, 13. Oktober, findet ab 12 Uhr eine Matinee statt. Titel: „Meine Heimat ist die Kunst“ – zum Werk von Heini Linkshänder mit Donata Holz“. Anmeldungen werden unter der Telefonnummer 04792 / 1302 entgegengenommen.
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