
Hasskommentare im Internet können die Opfer psychisch so sehr treffen wie physische Übergriffe im wahren Leben. Teenager sind laut einer Forsa-Umfrage besonders gefährdet, Opfer von aggressiven Attacken im Netz zu werden.
Die niedersächsische Landesstelle Jugendschutz setzt auf Prävention. An diesem Donnerstag steht das Thema Hate Speech auf der Agenda einer Fachtagung in Hannover. Experten aus den Bereichen Pädagogik, Psychologie und Medienforschung tauschen sich darüber aus, wie sich Jugendliche vor Hassposts schützen können.
„Fakten posten, dagegenhalten, humorvoll reagieren“, erklärt die Medienreferentin der Landesstelle Jugendschutz, Eva Hanel, wie Jugendliche den Hasskommentaren im Netz begegnen können. Eine wirkungsvolle Gegenrede sei auf vielen Ebenen möglich.
„Wenn User freundlich, aber klar Stellung beziehen, ist das eine äußerst hilfreiche digitale Rückendeckung für die Betroffenen“, so Hanel. Dabei richte sich die Hate Speech in den sozialen Netzwerken meist nicht gegen Einzelne, sondern gegen Gruppen. Hier sei die ganze Gruppe aufgerufen, dagegenzuhalten.
Verfasser verschleiern ihre Identität
„Jugendliche sollten lernen, dass online die gleichen Verhaltensregeln gelten, die auch unser Zusammenleben offline prägen“, meint die Referentin für Gewaltprävention bei der Landesstelle Jugendschutz, Andrea Buskotte. Tatsächlich aber gelten im Netz offenbar andere Regeln.
Verfasser von Hasskommentaren verschleiern ihre Identität, und Betreiber von sozialen Netzwerken greifen nicht ein, wenn ein Shitstorm losgetreten wird. In der digitalen Kommunikation werden soziale Umgangsformen nicht selten außer Kraft gesetzt.
Laut einer Forsa-Umfrage sind Jugendliche besonders gefährdet, Opfer im Internet zu werden. Zum einen tummeln sie sich häufig in sozialen Netzwerken, zum anderen nehmen sie sich die Online-Kritik zu Herzen. Jeder zweite zwischen 14 und 24 Jahren hat Erfahrungen mit Hasskommentaren im Internet gemacht.
Investition in Personal
Laut einer Umfrage des Grimme-Instituts helfen klare Regeln in den Foren und eine redaktionelle Begleitung, um die Attacken zu unterbinden. „Da müssen die Betreiber in Personal investieren“, meint Buskotte. Eltern wissen häufig gar nicht, dass ihre Kinder im Netz gemobbt werden.
„Kinder fürchten, dass ihre Eltern mit Sanktionen reagieren, wenn sie davon erzählen“, erklärt Andrea Buskotte. Eltern könnten ihre Kinder jedoch unterstützen, indem sie ihnen raten, möglichst sparsam mit persönlichen Informationen im Netz zu sein, um möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten.
Sind Beleidigungen, Drohungen oder rassistische Äußerungen erst einmal online, können Eltern ihren Kindern dabei helfen, den Netzwerkbetreiber zu kontaktieren, um eine Löschung der Kommentare zu verlangen. „Schnelle Lösungen gibt es allerdings selten“, weiß Andrea Buskotte. Das gelte auch für eine Anzeige bei der Polizei. Die Ermittlungsarbeit im Netz sei sehr langwierig.
Bloßgestellt und gedemütigt
Die emotionalen Folgen von aggressiven Online-Kommentaren seien vergleichbar mit „echten“ Übergriffen, meint die Berliner Psychologin Dorothee Scholz, die an der Fachtagung in Hannover teilnehmen wird. Ähnlich wie nach direkten physischen Bedrohungen fühlten sich die Betroffenen bloßgestellt und gedemütigt.
„Bei Kindern hilft die persönliche Ansprache“, weiß Andrea Buskotte. Jugendliche suchten sich die Unterstützung eher im Netz. Die Landesstelle Jugendschutz empfiehlt die Seite juuuport.de. Dort helfen junge Menschen betroffenen Jugendlichen. Im Krisenfall rät die Expertin, die Jugendhilfe vor Ort zu kontaktieren.
Teenager sind aber nicht nur Täter oder Opfer, sondern auch Beobachter. Wer diskriminierende, rassistische oder rechtsextremistische Kommentare mitliest, sollte dagegenhalten, ruft Cornelia Heyken von der Amadeu-Antonio-Stiftung zu mehr Zivilcourage auf.
Gesetzliche Regelung
Eine stabile Community, die sich entschlossen gegen Hassposts positioniere, stärke die Betroffenen. Ihre Kollegin Christina Dinar wird bei der Tagung über Rechtsextremismus in den Foren berichten. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) setzt sich für eine gesetzliche Regelung ein.
Sein Entwurf (Netzwerkdurchsuchungsgesetz) sieht ein Auskunftsrecht für Betroffene vor, damit diese den Angreifer identifizieren und juristisch belangen können. Groß sei dabei die Gefahr, dass der Hater seinerseits unter einem Vorwand an die persönlichen Daten des Betroffenen gelange, kritisiert die europaweite No-Hate-Speech-Kampagne.