
Im Streit um Weihnachten an der deutsch-türkischen Elite-Schule Istanbul Lisesi kann das christliche Fest nun doch im Unterricht behandelt werden. "Nach gemeinsamer Sitzung zwischen der türkischen Schulleitung und der Leitung der Deutschen Abteilung kann ich Ihnen mitteilen, dass kein Verbot "Weihnachten" im Unterricht zu besprechen vorliegt", hieß es am Montag in einer E-Mail der deutschen Abteilungsleitung an die Lehrer, die der dpa vorliegt. Berichte über ein Weihnachtsverbot an dem von Deutschland geförderten Gymnasium hatten in der Bundesrepublik einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.
Die Kontroverse geht auf ein Schreiben der türkischen Schulleitung an die Leitung der deutschen Abteilung vom vergangenen Dienstag zurück, das der dpa vorliegt. Die Schulleitung erlässt darin kein Weihnachtsverbot. Sie fordert eine Erklärung dafür, dass "intensiv Geschichten über Weihnachten und das Christentum" im Unterricht behandelt würden. Zugleich könnten "Fragen von Schülern zu Vokabeln der türkisch-islamischen Zivilisation von den deutschen Lehrern nicht beantwortet werden". Der Direktor warnt vor "Manipulationen" und erinnerte an "nationale moralische Werte" der Schule.
Die Leitung der deutschen Abteilung am Istanbul Lisesi schrieb daraufhin am selben Tag an die deutschen Lehrer: "Es gilt nach Mitteilung durch die türkische Schulleitung eben, dass ab sofort nichts mehr über Weihnachtsbräuche und über das christliche Fest im Unterricht mitgeteilt, erarbeitet sowie gesungen wird."
Der prominente Abgeordnete Mustafa Sentop von der Regierungspartei AKP warf den deutschen Lehrern "Missionierung" vor. "Missionierung in staatlichen Schulen kann nicht erlaubt werden", teilte der Vorsitzende der Verfassungskommission im Parlament auf Twitter mit. "Reißt euch zusammen. Das hier ist die Türkei. In einer Staatsschule kann die religiöse/politische Propaganda des deutschen Staates gegenüber Kindern dieses Landes nicht gestattet werden."
Die Bundesregierung stellt die Entsendung deutscher Lehrer an die Schule trotz der Kontroverse nicht in Frage. Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, sagte, er gehe davon aus, dass an der traditionsreichen Schule auch in Zukunft im Unterricht über deutsche Weihnachtsbräuche gesprochen werden könne. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, der Fall eigne sich nicht als Ausgangspunkt für eine Debatte über die Türkei-Politik der Bundesregierung.
Die derzeit 35 deutschen Lehrer des Istanbul Lisesi werden von der Bundesrepublik entsandt und aus Steuermitteln bezahlt, was auf eine jährliche Förderung in Millionenhöhe hinausläuft. Das Elite-Gymnasium wird ausschließlich von türkischen Schülern besucht und ist eine staatliche türkische Schule, die aber zugleich als deutsche Auslandsschule anerkannt ist. Der türkische Schulleiter wird direkt vom Bildungsministerium in Ankara ernannt. Ihm untersteht der Leiter der deutschen Abteilung.
Grundlage der personellen Unterstützung durch die Bundesrepublik ist ein Zusatzvertrag von 1986 zum Kulturabkommen zwischen Berlin und Ankara, wonach Deutschland bis zu 80 deutsche Lehrer an bestimmte türkische Schulen entsendet. Das Kulturabkommen von 1957 besagt: "Die Vertragsparteien werden bemüht sein, sich gegenseitig dabei zu unterstützen, ihren Völkern die Kenntnis der Kulturgüter des anderen Landes zu vermitteln."
Der deutsch-türkische AKP-Abgeordnete Mustafa Yeneroglu sprach von einem "totalen Versagen der Journalisten" in Deutschland bei dem Thema. Ein Weihnachtsverbot habe es nie gegeben. Zu den Reaktionen teilte er mit: "Man stelle sich mal die Empörungswelle vor, wenn in Bayern ein aus der Türkei entsandter Lehrer von einer rein christlichen Schülerschaft unterrichtsfremd erwarten würde, Ramadanlieder zu singen und islamisch/religiöse Themen nach der Vorstellung der Lehrer zu behandeln."
Deutsche Politiker hatten sich über Verbot empört
Der Streit über den Umgang mit dem christlichen Weihnachtsfest hatte deutsche Politiker empört. "Das Verbot des Weihnachtsfests an der Deutschen Schule in Istanbul durch türkische Behörden ist ein Schlag gegen die Lehr- und Religionsfreiheit", sagte die Chefin der CSU-Abgeordneten im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, der "Passauer Neuen Presse" (Montag). Den Lehrern und Schülern das Fest zu verweigern und es sogar noch nicht einmal im Unterricht behandeln zu können, sei nicht nachvollziehbar. "Wir merken immer mehr, dass die Türkei in eine Autokratie abrutscht", bilanzierte sie.
CDU-Vize Julia Klöckner sagte dem Blatt, dass Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan kulturelle Einflüsse der Nachbarländer quasi per Ansage verbieten wolle, sei "Ausdruck von Unsouveränität, Bevormundung und Abschottung" und das Gegenteil von Freiheit und Aufklärung. "Wer freie Gedanken einebnen will, der ist aus Verblendung wohl auch zu weiterem fähig."
Grünen-Chef Cem Özdemir erinnerte daran, dass die Türkei schon immer Heimat griechischer, aramäischer und armenischer Christen gewesen sei - lange bevor die ersten Türken und Muslime anatolischen Boden betreten hätten. Offensichtlich habe sich Erdogan in den Kopf gesetzt, "auch die letzten Reste an religiöser und ethnischer Vielfalt gründlich auszumerzen, wenn er sich selbst von harmlosen Weihnachtsliedern in seiner Herrschaft bedroht fühlt".
CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach verlangte eine scharfe Reaktion der Bundesregierung. Das Verbot sei ein weiterer Beleg dafür, dass Erdogan das Land auf einen "intoleranten, konservativ-islamischen Weg" wolle. Wenn es Bestand habe, sei die Grundlage für weitere deutsche Zahlungen in Millionenhöhe entfallen. (dpa)
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