
Bremen. 'Super', 'einfach toll', 'die vielen Leute am Ziel und die besondere Atmosphäre vor historischer Kulisse...'. Die Verlegung von Start und Ziel des swb-Marathons von der Bürgerweide in die City ist bestens angekommen bei der vielbeinigen Läuferschar. Bis auf ein paar kleine Schönheitsfehler: zu wenig Toiletten für die Frauen, kein Schutz vor dem zugigen Wind auf Domshof und Domsheide und nur zwei Massagebänke bei 5000 Aktiven.
Für Verköstigung, Ruhezonen oder Sachenausgabe gab es in den vergangenen Jahren trockene und warme Messehallen. Diesmal standen die Teilnehmer schweißnass im Freien, um den Flüssigkeitspegel aufzufüllen oder mit Obst und Butterkuchen den Akku aufzuladen.
Doch was soll's: Wer sich den Strapazen von 42, 21 oder zehn Kilometern auf städtischem Straßenbelag unterzieht, ist hartgesotten und freut sich vor allem, durchgekommen zu sein. Wie Christina Wessels und Ingrid Brandt aus Arsten, die sich erst in letzter Minute für die Halbdistanz angemeldet hatten und sich jetzt darüber wundern, 'wie schnell wir waren'. Die Erklärung der Hobbyläuferinnen: 'Wir sind immer dem Zweistunden-Mann hinterhergerannt.' Zur Erklärung für alle Nichtläufer: Damit die Aktiven eine Orientierung zur Einteilung ihres Rennens haben, sind sogenannte Zeitläufer mit einem Ballon im Feld. Nun stehen die beiden Frauen entspannt am Rathaus und gönnen sich ein promillefreies Weizenbier - die ultimativ größte Belohnung für fast jeden Läufer.
Jörg Aulenkamp aus Osnabrück und Jan Krahmer aus Detmold-Lippe hatten auf den letzten 20 Kilometern der Marathonstrecke miteinander Kontakt aufgenommen, ab und zu ein paar ermunternde Worte gewechselt und diskutieren nun ihre Zeiten. 'Zehn Minuten über meiner Bestmarke', strahlt Krahmer und weiß auch, warum: 'Weil meine Frau gedroht hat, dass ich nie wieder laufen darf, wenn ich noch einmal aufgeben sollte.'
Bei Kilometer 30 wäre es fast wieder soweit gewesen. Doch dann - das Gefühl, es zu schaffen, der berühmte Ausstoß von Glückshormonen und Rückenwind von der Überseestadt bis in die Zielgerade Obernstraße. 'Da habe ich noch 50 Leute überholt', freut sich der 46-Jährige frühere Bremer über den Endorphin-Schub.
Das sind die schönen Geschichten rund ums Rennen. Petra Skalsky aus Syke, die Mutter des Siegers, ist so stolz an diesem Tag. 'Endlich hat er es geschafft nach so vielen Anläufen!' Bremen locke keine Stars mit Riesensummen, und deshalb bekämen die Amateure auch einmal eine Chance. Sohn Martin humpelt davon, mit einer Riesenblase am Fuß. Ein Wunder, dass er dies durchgestanden hat.
Wenig später im Flugzeug nach Frankfurt traf Skalsky einen, der es besonders eilig hatte: UN-Sonderbotschafter Willi Lemke auf dem Weg zu einem Gipfeltreffen mit Staatsoberhäuptern in New York. Start zum Halbmarathon um 10.50 Uhr, Zieleinlauf nach einer Stunde und 49 Minuten, schnell zum abgestellten Rad und nach Hause. Einchecken um 14 Uhr auf dem Neuenlander Feld. Der 64-Jährige: 'Dafür, dass ich nur noch einmal die Woche trainieren kann, ist das eine Weltklassezeit.'
Für Jens und Ulrike Freier aus Blockdiek ging es nach einer total verkorksten Saison gar nicht um eine Superzeit, sondern nur ums Dabeisein über zehn Kilometer. Stolz zeigen sie ihre Silberplaketten und fühlen sich als starkes Zweier-Team - 'auch wenn mir meine Frau am Ende davongelaufen ist', erzählt Jens Freier. Nun bummeln sie durch die Stadt und stellen wie alle Befragten fest: 'Die Verlegung in die Innenstadt ist toll. Hoffentlich bleibt das so.'
Das hoffen auch der Bremer Andreas Rzany und seine aus Usbekistan stammende Frau Nakhsazha, sie über zehn, er über 21 Kilometer dabei mit guten Zeiten. Ihr größter Traum: einmal im fernen Usbekistan einen Marathon laufen.
Für die Polizei war es ein relativ ruhiger Tag mit 70 abgeschleppten Wagen - weit weniger als 2009. Die Zahl der Zuschauer, mehrere Zehntausend, sei in etwa gleich gewesen. Zufrieden ist auch Organisationschef Utz Bertschy, wenngleich noch logistische Verbesserungen angesagt seien. So hatte das Technische Hilfswerk zu wenig Absperrkräfte bereit gestellt, weshalb Teilnehmer fehlgeleitet wurden.
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