
Mal rein wirtschaftlich und grob vereinfacht betrachtet, gab und gibt es in diesen Pandemie-Zeiten drei Kategorien von Leuten: Leute, deren Einkommen ungefähr dem des Vorjahres entspricht, Leute, die trotz oder auch wegen der Pandemie viel mehr – sowie Leute, die viel weniger verdient haben. Erik Weispfennig zählt zu letzterer Gruppe. „Deutlich weniger“ sei es gewesen, sagt er. Veranstaltungen fielen aus, auch seine eigene, die Sixdays-Night im badischen Oberhausen. Sein Job beim nationalen Radsport-Verband, bei dem er Vizepräsident ist, ist sowieso ehrenamtlich, die Verpflichtungen durch den internationalen Verband waren rar gesät 2020. Ist, zum Glück für ihn, nicht so dramatisch. Es geht ihm und seiner Familie gut, sagt er. Er sei mit dem Geld stets eher konservativ umgegangen, habe Rücklagen. „Ich habe ein Sparbuch.“ So sagt er es. Es gibt ein Haus mit Garten da in Waghäusel-Kirrlach, am Nordrand des Landkreises Karlsruhe. Die Corona-Maßnahmen müssen ja sein. Mehr häusliche Ruhe, weniger Termin-Gehetze ist zunächst mal nichts Schlimmes. „War eher wie ein Sabbatical“, sagt er. Dass etwas fehlt in diesen Zeiten? Wem geht es schon groß anders?
Erik Weispfennig gehört zu denjenigen, bei denen nicht nur im Portemonnaie sehr viel fehlt in diesen Zeiten. Er wäre ab spätestens diesem Donnerstag in Bremen ein sehr gefragter und sehr geforderter Mann. An diesem Abend hätte der Startschuss für die Sixdays fallen sollen, deren Sportlicher Leiter er ist, seit mittlerweile neun Jahren. Die 57. Auflage des Veranstaltungsmix aus hochwertigem Radsport und munterem Volksvergnügen ist die erste der Sixdays-Geschichte, die um ein Jahr verschoben werden muss. Statt an diesem Donnerstag soll sie nun am 13. Januar 2022 beginnen. All die Sixdays-Menschen, die Aufbauer, Organisatoren, Helfer, Betreuer, Techniker, DJs, Gastronomen, Kellner, Sicherheitsleute, Medienbetreuer – und die, die in dieser Aufzählung vergessen wurden – werden an diesem und den folgenden Abenden mehrheitlich in ihren Stuben hocken, statt sich um die Gäste auf der Bürgerweide zu kümmern. Auf der Bürgerweide werden keine Gäste erwartet. Zero days statt Sixdays.
Auch die, die zumindest rein körperlich am meisten von allen beansprucht wären bei der Chose über sechs Tage beziehungsweise Nächte, sind ausgeladen. Die Fahrer fahren nicht. Kein Rennen, keine Gage, keine Prämien. Mehrheitlich leben die Radsportler doch vom Radsport, geht es bei einigen Profis gar an die Existenz? Ist es nicht nur schade, dass es auch in Bremen kein Sechstagerennen gibt in diesem Lockdown-Winter, sondern ist es für sie bedrohlich?
„Die meisten sind finanziell einigermaßen abgefedert“, sagt Erik Weispfennig. Einige, wie die Sieger von 2020, Nils Politt und Kenny de Ketele, sind bei einem Straßen-Rennstall angestellt, die meisten Bahnspezialisten fahren für ihre jeweilige Nationalmannschaft. Haben zum Beispiel Verträge bei der Sportgruppe der Bundeswehr. Natürlich fehlen die Prämien und Gagen, aber es bleibt zumindest eine Art Grundeinkommen.
Deutlich schwerer sei für die Sportler, mit dem großflächigen Wegfall der Wettkämpfe klarzukommen. Die sind ja zunächst mal das Hauptmotiv für die tausenden Trainingskilometer. „Mental ist das schwierig“, sagt Weispfennig, einst selbst ein Spitzensportler. Keine Wettkämpfe heißt nicht nur, um es bildhaft zu formulieren, dass die Triebfeder fürs tägliche Training angebrochen ist. Wettkämpfe sind außerdem das beste Training für Wettkämpfe. Es ist halt ein Unterschied, ob jemand ohne oder mit Wettkampfpraxis in ein Meisterschafts- oder Olympiafinale geht.
Der verschobene Wettkampfkalender, das verschobene Olympiajahr haben die Pläne etlicher Sportler verändert. Einige der älteren hängen nun noch ein Jahr dran, andere haben aufgehört. Aus dem Feld der seit Jahr und Tag um die Bremer Bahn rollenden Rennfahrer betrifft das laut Erik Weispfennig den Niederländer Wim Stroetinga. Er siegte vor sieben Jahren an der Seite von Leif Lampater und wollte, mit 35, in diesem Januar ein letztes Mal in der ÖVB-Arena antreten. Stroetinga wollte nicht warten bis 2022, er habe aufgehört, sagt der Sportchef.
Hören auch Zulieferer oder Sponsoren auf, die es für solch ein Multi-Event zuhauf braucht? Das goldene Zeitalter des Sechstage-Metiers liegt, vorsichtig formuliert: eher hinter als noch vor ihm. Mario Roggow, Leiter Sixdays beim Hauptveranstalter ESN (Event & Sport Nord GmbH), sagt zum ersten Ausfall-Jahr seit mehr als einem halben Jahrhundert: "Da ist keiner, der sagt: Dann bin ich raus." Sie bekämen bei der ESN ein positives Feedback, auch vonseiten der politischen Entscheidungsträger. "Da ist eine Form von Wir-Gefühl da", sagt Roggow sogar.
Das Sechstagerennen sei keine Veranstaltung, bei der ein Ausrichter kommt, dem man quasi nur die Halle aufschließt. Es sei sozusagen etwas Eigenes. „Das kann man nur rocken, wenn man dafür brennt“, sagt Roggow. Und all den Schwierigkeiten, Einbußen, der Kurz- oder gar Nichtarbeit zum Trotz brennen sie, um das Bild aufzunehmen, nun für die Sixdays 2022. Mario Roggow sagt: „Man merkt ja manchmal erst, wenn etwas nicht da ist, wie sehr es einem fehlt.“
Eine WK-Serie über sechs Tage
Ende August ist im vergangenen Jahr die Entscheidung gefallen: Die Sixdays 2021, geplant für die Tage vom 14. bis 19. Januar, müssen ausfallen und um ein Jahr verschoben werden. Ausgeklügelte Hygienekonzepte brauchten gar nicht erst geschrieben werden für ein Event, das drinnen statt draußen stattfindet und im Kern darauf aus ist, Menschen zusammenzubringen. Eine Art Geister-Sechstagerennen hätte abgesehen vom finanziellen Defizit den Charakter der Veranstaltung konterkariert. In den folgenden Ausgaben des WESER-KURIER soll im Rahmen der Serie „Sechs Tage ohne Rennen“ aus verschiedenen Blickwinkeln, aus der Sicht von verschiedenen Sixdays-Beteiligten, beleuchtet werden, was der Ausfall der Bremer Traditionsveranstaltung bedeutet.
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