
Bei eigenen Ecken sieht Karam Han, defensiver Mittelfeldakteur des FC Oberneuland, inzwischen sehr genau hin. Zumindest dann, wenn Chan-gil Park sie schlägt. Entdeckt Han eine Schwachstelle, ruft er seinem Teamkollegen auf Koreanisch die Rückennummer des Verteidigers zu, der dieser am nächsten steht. Doch obwohl kein Gegenspieler die beiden versteht und auch die Bälle meist ungefähr dort landen, wo die vermeintliche Lücke ist: „Ein Tor ist dabei noch nie gefallen“, erzählt Han und lacht.
Neben ihm und Park läuft mit Gwan-woo Kang noch ein dritter Südkoreaner für den Fußball-Bremen-Ligisten auf. Momentan verweilt der 23-Jährige jedoch in der Heimat und erholt sich von einem Kreuzbandriss, den er sich Mitte Mai im Training zugezogen hat. Beim vorgezogenen Saisonhighlight, der DFB-Pokal-Erstrundenpartie im eigenen Stadion gegen Zweitligist SV Darmstadt 98, will er aber dabei sein – wenn auch nur als Zuschauer. „Das wird er auf jeden Fall sehen wollen“, sagt Han.
Dass der Weg die drei aus ihrer etwa 8500 Kilometer entfernten Heimat in den Norden Deutschlands führte, kam über ihren Manager zustande. Der lebt in Bremen und vermittelt seit mehreren Jahren junge Spieler aus Südkorea nach Oberneuland, wo diese in zwei benachbarten Reihenhäusern wohnen. Aktuell leben jeweils fünf von ihnen pro Haus auf drei Etagen zusammen, die Hälfte von ihnen spielt beim FCO. Die Zimmer sind spartanisch eingerichtet, persönliche Gegenstände finden sich nur wenige. Dafür aber viele Fußballschuhe: Allein Park besitzt sechs Paar. Auf den Wäscheständern hängen vor allem Trikots, Sporthosen und Stutzen.
Neben den Trainingseinheiten gehen die Jungs und Männer oft ins Fitnessstudio – oder zu Werder-Partien, wenn auch eher zur Regionalliga-Mannschaft. „Wir wollen in dieser Saison aufsteigen, daher gucken wir uns die Spiele an, um zu sehen, wie das Niveau dort ist“, sagt Han. Zeit für Tagesausflüge bleibt der Hausgemeinschaft kaum, auch weil einige von ihnen Sprachschulen besuchen.
Hin und wieder gehen sie zusammen essen, am liebsten ins japanische Restaurant „Yakumi Sushi“. Die meiste Zeit aber halten sie sich in der Küche auf und sitzen an einem großen Tisch zusammen, der von sieben eng aneinander gerückten Stühlen umgeben ist. Gegessen wird vor allem Reis, gerne scharf und vor allem mit vielen Beilagen. Auf der Küchenzeile stehen zwei Reiskocher, die nahezu im Dauerbetrieb seien. „Die sind wichtiger als der Kühlschrank“, sagt Han. Der 21-Jährige kam nicht nur zum Fußballspielen her, sondern auch um sich weiterzubilden. „In Südkorea spielen junge Fußballer nur Fußball, sie lernen nichts“, sagt Han, der vor Kurzem sein Fachabitur abgelegt hat.
Als er vor sechs Jahren mit dem Flugzeug in Bremen landete, betrat er erstmals in seinem Leben ausländischen Boden. Überrascht war er von den Straßenbahnen, weil sie oberirdisch fuhren, er aber aus Südkorea nur U-Bahnen kannte. Von Bremen selbst waren ihm das Märchen der Stadtmusikanten und Werder sowie dank des Videospiels Fifa einige der damaligen Stars des Vereins bekannt: „Spieler wie Özil, Mertesacker, Naldo – das ist sehr, sehr lange her“, sagt Han. Obwohl er inzwischen fließend Deutsch spricht, rufen ihn seine Mitspieler weiter beim Nachnamen – so wie die anderen Südkoreaner im Team auch.
„Das spricht sich schneller“, erklärt Park, der seine erste Europastation in Belgien hatte. Beim AFC Tubize lief er in der zweiten Liga auf, fühlte sich dort aber nicht wohl. „Die Leute waren nicht so freundlich wie hier“, sagt der 23-Jährige, der noch nur wenig Deutsch spricht. Sein Lieblingsgericht bestellt er aber problemlos: „Wurst“. Auch „Guten Tag“ und „Ich liebe dich“ gehen ihm leicht über die Lippen, doch das könne in Südkorea jeder, erzählt er. Im Vergleich zu seiner alten gefällt ihm in seiner neuen Heimat vor allem die Ruhe im Straßenverkehr. In Südkorea werde wesentlich mehr gehupt, als es in Bremen der Fall ist. Probleme bereitet ihm neben der Zeitumstellung das Wetter: „Wenn ich schlafen will, muss alles um mich herum dunkel sein“, sagt Park. Das aber sei im Sommer in Bremen schwierig, auch weil er häufig sehr früh ins Bett gehe. Der viele Regen sei hingegen keine große Belastung.
Die Partie gegen Darmstadt ist für die beiden das „Karrierehighlight“, sagen sie. Angst, dass sie es eher unschön in Erinnerung behalten könnten, haben sie keine. „Warum sollten wir nicht gewinnen?“, fragt Han. Mut mache ihm und Park das Testspiel gegen den Darmstädter Ligakonkurrenten VfL Osnabrück im Juli, das zwar mit 1:6 verloren ging, bei dem sie aber „viel gelernt“ hätten.
Wer weiß, vielleicht haben die beiden dann ja mit ihrer Eckenvariante erstmals Erfolg. Zumindest findet sich im Kader ihres Gegners kein Koreaner und damit wahrscheinlich niemand, der ihre Sprache spricht. Und einen besseren Zeitpunkt, als mit ihrem kleinen Kniff einen haushohen Favoriten aus dem Pokal zu kegeln, gibt es wohl kaum.
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