
Bremen. Kleider machen Leute. Jens Ellrott hat eine rote Windjacke angezogen. Eine vom DLV, vom Deutschen Leichtathletik-Verband. Das Outfit lenkt die Gedanken zum großen Sport. Nationalmannschaft, Europameisterschaft, Weltmeisterschaft, Olympische Spiele. Dass Ellrott die Jacke mit dem Bundesadler jetzt hier an diesem Nachmittag beim Training der U 14 des zum Verbund Bremer LT (BLT) zählenden TuS Komet Arsten trägt: ist irgendwie eine Mischung aus Zufall und Sinnbild. Der Trainer aus dem Spitzensport trainiert Kinder aus dem Breitensport. Man darf das als Zäsur auffassen.
Nach mehr als zwei Jahrzehnten hat Jens Ellrott, 53 Jahre alt und seit 2015 Geschäftsführer beim TuS, sich aus dem Leistungssport zurückgezogen. Im Sommer hatte sich immerhin noch eine BLT-Sprintstaffel für die Deutschen Meisterschaften in Berlin qualifiziert. Studienbedingte Abgänge, berufliche Umorientierungen – die Gruppe löste sich auf. Ellrott zog einen imaginären Strich. Er betreut jetzt die 12- und 13-Jährigen im Verein. Es macht ihm Spaß, sagt er.
Er bleibt weiter ein Trainer, aber quasi nicht mehr mit Haut und Haar. Nicht mehr mit diesem alles vereinnahmenden Höher-schneller-weiter-Denken. Training-Trainingslager-Wettkampf, der Rhythmus lässt nicht viel übrig für links und rechts davon. Er gibt viel (vielleicht), er nimmt viel (sicher). Wann war ich das letzte Mal Ski laufen? Wann das letzte Mal im Sommerurlaub? Wann endlich mal bei der Schwester, die in Texas lebt? Fragen wie diese kreisten durch Ellrotts Kopf, nicht erst in diesem Sommer. Er freut sich jetzt, sagt er, auf ein Leben, in dem nicht mehr der Leistungssport den Takt vorgibt.
Die Erzählung über seine Umorientierung wäre jedoch unvollständig ohne den Zusatz: vorerst. Er zieht sich vorerst aus dem Leistungssport zurück. Was aber, wenn in Arsten noch mal ein besonders ambitionierter und talentierter Leichtathlet auftauchen würde? „Ja“, sagt Ellrott, „dann würde ich den Weg vielleicht noch mal gehen.“ Den Weg, der im Erfolgsfall bis zu olympischen Ringen oder in ein großes WM-Stadion führen könnte.
So wie damals, als die Sprinterinnen Carolin Nytra, Jonna Tilgner und der Weitspringer Sebastian Bayer zu seiner Trainingsgruppe gehörten. Sie holten nationale Titel, sie wurden Olympioniken. Nytra holte EM-Medaillen, Bayer sprang Hallen-Europarekord. Tilgner stand mit der 4x400-Meter-Staffel des DLV in Peking 2008 im Olympia-Finale. Ellrott war der Wegbegleiter und -bereiter. Er lebte einen Trainer-Traum, den er sich zu Beginn seiner Trainerkarriere nicht zu erträumen wagte. Der war zu weit weg.
Im Februar 1998 hatte man ihm eine Lehrer-Trainer-Stelle in Bremen angeboten. Er war weggegangen aus Bremen, seiner Heimatstadt. Er hatte in Köln Sport und Russisch studiert, auf Lehramt. Er hatte in Werl seine erste Stelle angenommen und engagierte sich im Leichtathletik Team der Deutschen Sporthochschule. Als er nicht mehr fremdelte mit Köln und den Kölnern und die Stelle als Leiter Hochschulsport hätte bekommen können, hatte er schon zugesagt in Bremen. Dort gründete er 2000 das BLT, das Bremer Leichtathletik-Team, dort tauchte zwei Jahre später die Hamburger Hürdensprinterin Carolin Nytra auf. Sie sauste dann immer schneller über Hürden, Ellrotts Horizont wurde immer weiter. Er betrat die große Bühne des nationalen und internationalen Spitzensports.
Er war nicht vertraut mit ihr, er hatte früher zwar alles Mögliche gemacht im Sport, vor allem Judo. Aber das Weltniveau war so weit weg wie Bremen von der Größe einer Weltstadt. Nach zwei Jahren Zusammenarbeit wurde Carolin Nytra deutsche U 20-Meisterin und Sechste der Junioren-WM. Sie verkündete: „Und 2008, bei Olympia in Peking, da bin ich dabei.“ Ellrott gesteht, dass er spontan gedacht habe: „Ach du Scheiße! Meine bislang größte Herausforderung.“
Trainer und Athletin verständigten sich auf einen Vier-Jahres bis Peking. „Und das war schon Wahnsinn, das umsetzen zu können“, sagt Ellrott. Carolin Nytra sowie Jonna Tilgner, die 2005 ihr Psychologie-Studium in Bremen begann und zum Ellrott-Team dazustieß, schafften den Sprung nach Peking. Ellrotts Augen funkeln, wenn er davon erzählt. Seine ganz persönliche Oscar-Verleihung. „Das bleibt für immer ein Highlight“, sagt er. Im Regensburger Meeting hatte Jonna Tilgner im 400-Meter-Hürden-Rennen die geforderte Olympianorm verfehlt. Um kurz darauf das Unmögliche möglich zu machen. Nur 50 Minuten Pause blieben nach der kräfteraubenden Hürden-Runde bis zum Start der 400-Meter-Runde ohne Hürden. Tilgner qualifizierte sich zur Verblüffung der Experten als Jahresschnellste für die Staffel.
Ein Jahr danach qualifizierte sie sich über 400 Meter Hürden für die Heim-WM in Berlin. Nytra für die 100 Meter Hürden. Bayer in Weitsprung. Er war mittlerweile mit Nytra liiert, eine Zeitlang waren sie das Traumpaar der deutschen Leichtathletik. Ellrott saß im Olympiastadion und genoss die Sommermärchen-Atmosphäre. Erlebte im Sommer darauf in Barcelona den Rausch des Erfolgs, als Nytra EM-Dritte wurde. Noch in diesem Sommer rannte sie in Lausanne mit 12,57 Sekunden so schnell wie bis heute keine westdeutsche Sprinterin über die Hürden.
Der emotionale Tiefschlag kam gleich nach diesem Sommer, in dem er schon den Plan für den nächsten Olympia-Zyklus im Kopf hatte. Nytra, die heute Dietrich heißt und im Management von RB Leipzig arbeitet, sagte ihm, dass sie nach Mannheim geht. Tilgner sagte, dass sie schwanger sei. Sie ist inzwischen dreifache Mutter und lebt im schwedischen Linköping. Bayer war schon zuvor nach Hamburg gewechselt. Ellrott nahm sich eine Auszeit, um nach drei Wochen festzustellen: „Ich werde wahnsinnig ohne den Sport.“
Droge Sport, Droge Erfolg. Jens Ellrott baute eine neue Gruppe auf, er nahm 2015 das Geschäftsführer-Angebot beim TuS an. Er sei nicht darauf gepolt, ständig Olympianormen anzupeilen, er sei ja nie hauptamtlicher Bundestrainer gewesen. Olympia, WM, Diamond League, das war für ihn nicht das Normale. Sondern die Ausnahme. Eine schöne Zeit, für die er sehr dankbar sei, sagt er. Schlauchend auch. Aber eben doch zu schön, um Nein zu sagen, falls doch noch mal wieder was passiert. Falls noch mal ein Talent seinen Weg kreuzt.
In loser Folge wird die Sportredaktion sich Menschen aus Bremen widmen, ohne die Sport nicht so funktionieren würde, wie er funktioniert. In der Serie unter dem Titel „Mein Leben als Trainer“ sollen bekannte wie unbekannte Trainer vorgestellt werden, die sich in kleinen oder großen Vereinen in unterschiedlichsten Sportarten engagieren. Die alte oder junge Sportler betreuen, Breitensportler, Leistungssportler, Anfänger, Routiniers. Egal, in welchem Bereich sie sich engagieren, es eint sie ihre nicht hoch genug einzuschätzende Rolle: Sie sind tragende Säulen des Sportbetriebs.
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