
Es ist gut zehn Jahre her, da hält Renée Allen eine Notensammlung in den Händen, die sie noch lange beschäftigen wird. Es ist eine Kopie der „Salonmusik für Waldhorn“, herausgegeben 1896 von August Emil Fischer. Fischer führt Ende des 19. Jahrhunderts ein Musikgeschäft in Bremen, in der Katharinenstraße 30. Er verkauft Instrumente und Noten, dreht Saiten und bietet einen Reparaturservice an. Es ist das größte und erfolgreichste Musikgeschäft der Stadt zu dieser Zeit. In den Bombenangriffen des Zweiten Weltkriegs aber gehen viele Noten und Originalaufnahmen des Verlages verloren. Sieben Jahrzehnte nach Kriegsende hat Allen Fischers Noten und eines seiner Instrumente auf einer CD wieder zusammengebracht – und lässt damit einen Teil Bremer Musikgeschichte aufleben.
Für wen war diese Musik gedacht, fragt sich Renée Allen, als sie von einem Musikwissenschaftler die Notensammlung „Solomusik für Waldhorn“ erhält. Die 50 darin versammelten Komponisten sind ihr weitgehend unbekannt. Allen will mehr darüber hinausfinden – und begibt sich auf eine musikhistorische Spurensuche, die mehr als zehn Jahre dauern wird. „Es hat mich nicht mehr losgelassen“, sagt Allen rückblickend. Sie beginnt zu recherchieren, stößt auf die Originalnoten, findet die Begleitstimmen. Von einem Sammler bekommt sie ein altes Horn, er wusste, dass sie danach sucht. Die Gravur: A.E. Fischer.
Sie restauriert das Instrument, beginnt die Stücke zu proben. „Salonmusik war dazu da, die Zuhörer zu berühren“, erklärt Allen. Es ging um Heimat, Natur, Liebe und Verlust. „Beim Konzert zu weinen, war das höchste Ziel.“ Die Notensammlung von A.E. Fischer sei ein Querschnitt des Genres, erklärt die Expertin.
Allen stammt aus dem kanadischen Montreal. In der Schule spielt zum ersten Mal Horn; weil sie ein gutes Gehör zu haben scheint, wird ihr das Instrument zugeteilt. Nach den zwei Jahren Pflichtunterricht macht sie weiter, studiert im Anschluss an ihren Schulabschluss Musik, Fachrichtung Horn. Während sie für das Symphonieorchester von Quebec spielt, wird ihr Interesse für das Naturhorn geweckt, das sie in den 80er Jahren letztlich nach Deutschland bringt.
Allen reizen die Klänge des alten Instruments. „Jede Tonart hat eine andere Farbe.“ Anders als die modernen Hörner hat das Naturhorn keine Ventile. Stattdessen gibt es Bögen zum Aufstecken in unterschiedlichen Längen. Für die Zwischentöne muss sie die Hand ins Horn stecken – Musik nach dem Baukastenprinzip sozusagen. Vieles bringt sie sich selbst bei, doch die Musikerin will ihr Wissen um die Naturhörner vertiefen. Sie geht nach Stuttgart an die Universität, der einzige Ort, an dem sie ein Aufbaustudium belegen kann. Die alten Instrumente waren zu der Zeit nicht weit verbreitet, sagt Allen. Das soll sich bald ändern. Ein Jahr will sie in Deutschland bleiben – heute ist sie immer noch hier.
Das eine für Beethoven, das andere für Brahms, ein Weiteres für Mozart – Allen hat für jedes Zeitalter das passende Horn. Historische Aufführungspraxis heißt diese Art des Musizierens, erklärt Allen, die heute eine Renaissance erlebt. „Das Historische ist zu einer Art Mainstream geworden.“ Mittlerweile gebe es ein Verständnis dafür, dass Musik so klingen soll wie zu der Zeit, als sie komponiert wurde. Dafür braucht es eben historische Instrumente – Streicher, Flöten, Trompeten, Hörner – sowie Musikerinnen und Musiker, die wissen, wie man sie spielt. Renée Allen ist eine von ihnen, ihr Können zeigt sie weltweit in unterschiedlichen Orchestern.
Die alte Bremer Notensammlung mit einem historischen Instrument zusammenzubringen und dann auch noch zu spielen – das ist genau die richtige Herausforderung für die Waller Hornistin. Dafür arbeitet sie intensiv an ihrer Atemtechnik, geht joggen, macht Yoga. „Mein Körper ist mein Instrument“, erklärt Allen. „Das Horn ist nur die Verstärkung.“
Für den letzten Schritt braucht Allen Unterstützung. Im ersten Lockdown brechen die Aufträge der Freiberuflerin weg, die Aufnahme der CD ist gefährdet. Doch kurz vor ihrem Ziel will Allen nicht aufgeben – und so startet sie eine Crowdfunding-Kampagne, um die Produktion zu finanzieren. Mit Erfolg: Mehr als 10.000 Euro kommen innerhalb von sechs Wochen zusammen. Die Musikerin ist gerührt von der Unterstützung und dem Vertrauen, das sowohl alte Bekannte als auch Fremde ihr entgegenbringen. „Statt einem Mangel wegen des Lockdown hatte ich ein Gefühl von Dankbarkeit und Fülle.“
Als sie den ersten Schnitt ihrer Aufnahme hört, muss Allen weinen. „Es hat mich so berührt.“ Da weiß sie, dass es ihr gelungen ist, die historische Musik ganz im Sinne ihrer Komponisten zu spielen –– Ziel erreicht. Und noch etwas hat diese CD, ihr erstes Solo-Album, mit ihr gemacht: „Meine Eltern meinten als Kind immer zu mir, ich sei unmusikalisch.“ Das habe sie jahrzehntelang zweifeln lassen, auch als sie bereits in hochklassigen Orchestern spielt. „Ich musste immer mehr lernen, noch eine weitere Ausbildung zu machen, um mich gut genug zu fühlen.“ Damit hat sie nun ihren Frieden geschlossen. Und die Reise ist noch nicht vorbei: „Ich habe Geld von einem Bremer Kulturfonds bekommen, um weiterzuforschen“, erzählt Allen, „und dann vielleicht auch eine zweite CD mit weiteren Stücken aus der Sammlung aufzunehmen.“
Die CD „Salonmusik für Waldhorn“ von Renée Allen (Horn) und Zvi Meniker (Klavier) ist ab kommender Woche im Onlineshop des WESER-KURIER erhältlich.
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