
Plötzlich hallen laute Stimmen durch die Halle: Auf der Freifläche vor den Ständen der Vereine und Verbände kommt es offenbar zu einer Auseinandersetzung, ein Fußgänger wird gegenüber einer Rollstuhlfahrerin handgreiflich. Silvana Nowacki aber weiß sich zu erwehren. Mit gezielten Griffen widersetzt sie sich der Attacke von Michael Muntau. Es sei eine realistische Szene, wie Silvana Nowacki sagt, aber zum Glück ist es keine wirkliche. Michael Muntau hat einen Angriff fingiert, damit die Trainerin den Zuschauern zeigen kann, was sie in einer Gefahrensituation ebenfalls machen könnten.
Ein echter Überfall sei jedoch, so sagt Silvana Nowacki, der Grund gewesen, warum in Bremerhaven 2002 die Selbstverteidigung für behinderte Menschen – kurz: SVB – ins Leben gerufen wurde. Der damalige Gründer, ein ehemaliger Kickboxer, wollte sein Wissen um die Selbstverteidigung weitergeben, nachdem er selbst eine Behinderung erlitten hatte.
„Menschen mit Behinderung sollten in der Lage sein, sich zu wehren“, sagt Silvana Nowacki. Die SVB-Trainerin, die früher Ju-Jutsu-Kämpferin war und seit 2007 auf den Rollstuhl angewiesen ist, möchte mit ihrer Gruppe Aufklärungsarbeit leisten und zugleich Menschen an den Sport heranführen. „Letztlich wollen wir die Lebensqualität verbessern“, sagt sie. Wer sich wehren könne, habe oftmals auch mehr Selbstvertrauen und eine selbstbewusstere Ausstrahlung.
Silvana Nowacki und ihre SVB-Gefährten gehören zu einer ganzen Reihe von Vereins- und Verbandsvertretern, die im Rahmen der Internationalen Reha-, Pflege- und Mobilitätsmesse für Alle (Irma) auf der Bremer Bürgerweide über Formen des Behindertensports informieren und gern auch neue Mitglieder gewinnen möchten. Das müssen nicht zwingend Menschen mit einem Handikap sein, denn viele Sportarten eignen sich gleichermaßen für Fußgänger wie für Rollstuhlfahrer.
Vor zwei Jahren hat der Tennisverein Bierden eine Rollstuhlsparte gegründet. Den Impuls dazu hatte Frank Bergs gegeben, der vor seiner Erkrankung begeisterter Tennisspieler war und nach Ausbruch trotz Rollstuhls nicht von seinem Hobby lassen wollte. Nur: In der Nähe von Achim gab es 2014 keine Spielmöglichkeit für ihn, sodass er die weite Fahrt zum TC Stelle etwa 20 Kilometer südöstlich von Hamburg in Kauf nahm.
Als der TV Bierden einen fünften Tennisplatz plante, war Bergs zur Stelle: Er fragte, ob der nicht Rollstuhl-gerecht, also mit speziellem Belag, gebaut werden könnte. Er konnte, und seit 2017 hat der TV Bierden eine Rollstuhlsparte mit dem Beauftragten für Rollstuhltennis, Frank Bergs. „Bei Rollstuhltennis denkt jeder sofort an Querschnittlähmung“, sagt Bergs. Folglich kämen beispielsweise Sportler mit künstlichen Gelenken gar nicht auf die Idee, dass die Sportart auch etwas für sie sein könnte.
Während in der benachbarten Halle 7 Aussteller über Prothesen, Rollstühle, Hebebühnen und vieles andere informieren, tummeln sich in Halle 6 Vereine und Verbände wie der Behindertensportverband Bremen mit seinem Vorsitzenden Bernd Giesecke, um Möglichkeiten der Sportgestaltung aufzuzeigen. Hier wird nichts verkauft, sondern hier können Menschen mit und ohne Behinderung Blindenfußball, Para-Eishockey auf einem Schlitten, Rollstuhlbasketball und -rugby, Tischtennis und Rollstuhltennis einfach mal ausprobieren.
Die Schützen aus Oldenburg und die Selbstverteidiger aus Bremerhaven werben für ihren Sport. Wer Lust hat, einen Spezialparcours mit dem Handbike zu durchfahren, kann es versuchen. Die Vielfalt auf der Messe ist noch bis Sonntag riesengroß und hochinteressant. Natürlich würden sich die Vereine freuen, wenn sie ein paar neue Mitglieder gewinnen könnten. Aber viel wichtiger scheint allen Repräsentanten, die Hemmschwellen abzubauen, die Sportinteressierte daran hindern, ihrer Neugier nachzugeben.
Messegäste können ihrerseits aber auch Anregungen geben. So könnte sich Nico Röger, Rollstuhlbasketballer der Achim Lions, nach einem Gespräch mit einem Sehbehinderten vorstellen, beim TSV Achim einen Schnuppertag mit Sportarten für Sehbehinderte zu veranstalten. Messeveranstalter Pascal Escales ist jedenfalls froh, dass die Sportler in Halle 6 so engagiert sind und das Programmangebot bereichern. Denn: „Die Messe zeigt, wie man das Leben wieder selbstständiger gestalten kann. Und dabei ist auch der Sport sehr wichtig.“
Zwei weitere Messe-Tage
Am ersten Tag der Internationalen Reha-, Pflege- und Mobilitätsmesse für Alle (Irma) nutzten Ausbildungsklassen für Physiotherapeuten und Altenpfleger die Gelegenheit, sich über neueste Standards und Möglichkeiten zu informieren. Am Wochenende hoffen vor allem die Sportler in Halle 6 auf mehr Resonanz auf ihre Angebote. In Halle 7 präsentieren sich die Fachaussteller, Soziale Dienste und auch Behörden. Die Türen sind geöffnet am Sonnabend von 10 bis 18 Uhr und am Sonntag von 10 bis 16 Uhr. Die Tageskarte kostet 5 Euro.
Welcher Verein wann in Bremen oder der Region spielt und wie die Begegnung ausgegangen ist, erfahren Sie in unserem Tabellenbereich. Auch die Ergebnisse der Spiele der höheren Ligen finden Sie dort.
Sport in Bremen: Meldungen aus Bremen und den Stadtteilen
Die Norddeutsche: Sport aus Bremen-Nord, Schwanewede, Elsfleth, Berne und Lemwerder
Osterholzer Kreisblatt/Wümme-Zeitung: Sport aus Hagen, Hambergen, OHZ, Ritterhude, Gnarrenburg, Worpswede, Tarmstedt, Lilienthal, Grasberg
Achimer Kurier/Verdener Nachrichten: Sport aus Achim, Verden, Ottersberg, Oyten, Sottrum, Rotenburg, Langwedel, Thedinghausen, Kirchlinteln, Dörverden
Regionale Rundschau/Syker Kurier: Sport aus Stuhr, Weyhe, Syke, Bassum, Bruchhausen-Vilsen
Delmenhorster Kurier: Sport aus Delmenhorst, Hude, Ganderkesee, Dötlingen, Harpstedt, Wildeshausen