
Bremen. Philip Kass ist ein Vegesacker Junge. In Bremen-Nord ist er groß geworden. Dort fühlt er sich wohl, dort trifft er sich mit seinen Freunden so gern im Gül-Imbiss. Oder im Big Mo, einem Friseurladen. Er werde Vegesack, die Freunde, den Gül-Imbiss, das Big Mo sehr vermissen, sagt Philip Kass. Der Stabhochspringer wagt, nun ja, den Sprung. Er wechselt vom SV Werder zu Bayer Leverkusen, nächste Woche will er den Wechselantrag einreichen. Er startet dann ab Januar für Bayer.
In Anlehnung an die luftigen Höhen, in die sich Bremens bester Leichtathlet katapultiert, könnte man sagen: Es ist ein großer Sprung. Philip Kass, der Ende des Monats 21 Jahre alt wird, zieht von zuhause aus. Er sucht eine Wohnung in Leverkusen, spätestens zum 1. Dezember. Im Dezember fängt er einen Job an einer Leverkusener Grundschule an. 20 Wochenstunden Nachmittagsbetreuung. Ab dem Sommersemester will er dann in Köln Sport studieren. Er zieht sozusagen auch in sportlicher Hinsicht von zuhause aus. Demnächst ist nicht mehr sein Vater Leszek sein Trainer. Sondern Christine Adams, Teamleiterin Stabhochsprung im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV).
„Ich habe große Ziele und spüre noch großes Potenzial in mir“, sagt Philip Kass. Wer das sagt, wer es weit bringen will im Leistungssport, steht in Bremen irgendwann automatisch vor der Frage: Reicht dafür Bremen aus? Leszek Kass sagt, dass sein Sohn wohl nicht der letzte Spitzensportler mit dem Traum von der Spitze sei, der deswegen Bremen verlässt. „Er will mit den Besten trainieren. Das kann ich ihm hier nicht bieten“, sagt der Vater über den Sohn.
Der Vater sagt, er hätte das schon interessant gefunden: zu sehen, wie weit die sportliche Reise in Bremen noch gegangen wäre. Sie hatte seinen Sohn im Sommer zu mehrfach übersprungenen 5,41 Metern und auf Rang fünf der deutschen Meisterschaften geführt. Aus Sicht des Vaters war das Limit in Bremen noch nicht erreicht. Er hatte, wie man so sagt, daran zu knabbern, dass sein Sohn weggeht. Mittlerweile sei er drüber weg. „Ihn hier zu halten, macht keinen Sinn“, sagt er.
Philip Kass erwarten am Bundesstützpunkt in Leverkusen Bedingungen, mit denen Bremen nicht mithalten kann. In Bremen war allein schon die Leichtathletik-Halle im Bauch des Weserstadions ein Problem. Dort ist vor ein paar Jahren die Deckenhöhe angehoben worden. Sie lässt seitdem Sprünge bis 5,20 Meter zu. Das langt aber immer noch nicht für höhere Ziele. Philip Kass müsste mit seinem Vater im Wintertraining nach Hamburg oder Hannover ausweichen. Es wäre mit erheblichem Aufwand verbunden.
In Bremen fehlt zudem die Konkurrenz im Training. „Ich bin hier im Grunde gegen mich selbst gesprungen“, sagt Philip Kass. In Leverkusen ist er kein Einzelkämpfer mehr. In der Trainingsgruppe von Christine Adams gibt es zum Beispiel Torben Blech, der schon 5,80 Meter überflogen hat. Es gibt Philip Kass‘ Freund Bo Kanda Lita-Baehre. Der ist ein Jahr jünger und war in dieser Saison bereits ein WM-Starter. Bestleistung: 5,72 Meter.
Trainingsbedingungen, Rahmenbedingungen: Es ist letztlich das Gesamtpaket, das Philip Kass dazu gebracht hat, diesen großen Schritt jetzt zu gehen. Die Schule, an der er jetzt jobbt, habe ihm der Verein vermittelt, sie sei eine Partnerschule von Bayer. Der Bremer wird von seinem zukünftigen Verein finanziell kräftiger unterstützt als zuvor in Bremen. Weil er, zur eigenen Überraschung, in den Perspektivkader des DLV aufgenommen wurde, erhält er zudem monatlich 700 Euro Sporthilfe. Eigentlich wären übersprungene 5,50 Meter nötig gewesen, um in den DLV-Perspektivkader zu rutschen. Ambitionierte Athleten können in einer Art Wild-Card-Verfahren aber auch ohne Normerfüllung berufen werden. Ambitioniert ist Kass definitiv. Er erzählt von einem Versuch bei den deutschen Meisterschaften im Sommer in Berlin, der ihn deutlich höher hinausgetragen habe als 5,41 Meter. Olympia 2024 in Paris, Olympia 2028 in Los Angeles – das wäre dann nichts, das er für sich ausschließt und jenseits seines Limits verortet. „5,70 Meter traue ich ihm locker zu“, sagt sein Vater.
Aber erst mal, um im Metier zu bleiben: Anlauf nehmen in Leverkusen. Die anstehende Saison werde nicht einfach, sagt er. Wegen der Olympischen Spiele, die Ende Juli in Tokio beginnen, werden die deutschen Meisterschaften schon sehr früh ausgetragen, schon Anfang Juni. Er habe mit seiner künftigen Trainerin noch keine konkrete Saisonplanung vorgenommen, sagt Philip Kass.
Derzeit trainiert er noch in Bremen, bei seinem Vater. Und geht davon aus, dass er im Winter die Hallen-Wettkämpfe bestreiten werde. Im nächsten Sommer will er zunächst mal an das im vergangenen Sommer erreichte Niveau anknüpfen und an seiner Technik feilen. Vielleicht kann es in Richtung 5,50 Meter, 5,60 Meter gehen. Es werde so etwas wie eine Übergangs-Saison werden. Kass ist noch ein Jahr lang in der Altersklasse U 23. Die nächste U 23-EM gibt es erst, wenn er der Altersklasse entwachsen ist, 2021 im norwegischen Bergen. Olympia in Tokio kommt aller Voraussicht nach noch zu früh.
Womöglich wird es auch noch eine Weile dauern, bis er ein, sagen wir mal: eher persönliches Ziel umgesetzt hat. Wenigstens einmal noch wolle er es schaffen, sagt er, Bo Kanda Lita-Baehre zu bezwingen. An fehlender Nähe zum Freund und Konkurrenten wird es schon mal nicht scheitern. Philip Kass ist ja ganz dicht dran demnächst.
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