Die vier Spiele im DFB-Pokal sind in dieser Woche ohne große Auffälligkeiten über die Bühne gegangen. Das ist in diesen Tagen eine Meldung wert. Zuletzt konnte man nämlich den Eindruck gewinnen, dass ab sofort nichts mehr undenkbar ist: dass Spieler eigenmächtig den Platz verlassen. Dass Spiele drei Stunden dauern, weil sie so oft unterbrochen werden. Oder dass sie gar nicht mehr zu Ende gebracht werden, weil der Schiedsrichter sie vorher abpfeift.
Passiert ist davon in den ersten Spielen nach den Anfeindungen gegen Hoffenheim-Boss Dietmar Hopp nichts. Also alles wieder gut im deutschen Profifußball? Bestimmt nicht. Dafür ist zu viel passiert. Dafür sind die Fronten viel zu verhärtet. Dafür tobt mehr denn je ein Kampf um das Spiel und die Kurve.
Zunächst einmal ist es gut, dass sich der Diskussionshorizont nach der Attacke gegen Hopp geweitet hat. Es ging von Anfang an um mehr als ausschließlich darum, einen ungeliebten Milliardär zu demütigen, der mit seinem Geld einen Dorfklub in die Bundesliga gehievt hat.
Es ist gut, dass sich nach der ersten Aufregung die Einsicht breitmacht, dass der Fußball schon viel früher ein so energisches Zeichen hätte setzen müssen. Etwa gegen Rassismus, als Hertha-Profi Jordan Torunarigha beleidigt worden war. Oder für die Courage, die Herthas U16-Junioren gezeigt haben, als sie nach rassistischen Beleidigungen gegen einen Mitspieler geschlossen den Platz verlassen hatten – stattdessen wurde das Spiel gegen Hertha gewertet. Verglichen mit der Empörung, die Entscheider wie Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge oder DFB-Präsident Fritz Keller im Falle Hopp befeuert hatten, war der Aufschrei in den beschriebenen Fällen kaum vernehmbar.
Der Stachel im Fleisch des Sports
Eine Gruppe, die dieses Verhalten besonders scheinheilig findet und das auch zum Ausdruck bringt, sind die Ultras. Sie sind seit Jahren der Stachel im Fleisch eines Sports, dessen Kommerzialisierung nahezu ungebremst voranschreitet. Natürlich schimpft man auch auf der Haupttribüne über zerstückelte Spieltage, über den Hauptsponsor des Lieblingsvereins und über den x-ten Decoder, den man sich anschaffen muss, wenn man alle Bundesligaspiele im Fernsehen sehen will. Aber meist bleibt es beim Murren. Man geht am Ende doch am Montagabend ins Stadion, kauft doch das neue Trikot und schließt doch das nächste TV-Abo ab.
Die Kurve ist da anders: Ultras artikulieren und inszenieren ihren Protest. Das muss man nicht gut finden, vor allem nicht, wenn dabei Grenzen überschritten werden, siehe Hopp. Tatsächlich können Ultras ganz schön nerven mit ihrem Selbstverständnis und ihrem Selbstbewusstsein. Sie halten sich für die wahren Hüter des Spiels und glauben, dass nur sie im Stadion für die richtige Stimmung sorgen können mit ihrer (verbotenen) Pyrotechnik und ihren Dauergesängen.
Trotzdem spielen sie für den Profifußball eine wichtige Rolle: Sie wirken als Korrektiv, weil sie auf Fehlentwicklungen hinweisen und dagegenwirken. Ultras haben Anteil daran, dass sich Nazis in Fanblöcken seit den 1990er-Jahren nicht mehr wohlfühlen oder dass Themen wie Toleranz und Vielfalt in den Kurven Einzug gehalten haben. Auch dass die allseits ungeliebten Montagsspiele wieder abgeschafft werden, dürfen die Ultras als ihr Verdienst werten.
In diesen Tagen drängt sich der Eindruck auf, dass bestimmte Kreise den Zeitpunkt für günstig halten, die unbequemen Ultras ein für alle Mal mundtot zu machen. Vorschläge aus dieser Woche, vom Hopp-Anwalt und von Hessens Innenminister zum Beispiel, lauteten, Ultras komplett aus den Stadien zu verbannen, sie mal für eine Nacht ins Gefängnis zu stecken oder ihre Wohnungen zu durchsuchen. Dieser Ansatz ist so schlicht wie er klingt.
Vielleicht ist es bei den Pokalspielen unter der Woche so ruhig geblieben, weil allen Beteiligten dämmert, dass ein weiteres verbales und emotionales Aufrüsten niemandem hilft. Es ist an der Zeit, dass die Klubs und Verbände mal ein bisschen runterkommen und dass die Ultras ihre Methoden hinterfragen. Am Ende leidet sonst vor allem der Fußball, den angeblich ja alle so sehr lieben.