Bremen. Weihnachten ist bekanntlich im Winter, wenn die Tage kurz, die Abende lang und die Temperaturen oft im Keller sind. Friedemann Friese hält das für eine glückliche Fügung des Schicksals und begründet es so: „Wenn Heiligabend auf den 24. Juni oder Juli fiele, da würden ganz andere Geschenke unter dem Weihnachtsbaum liegen.“ Doch nun finden Kinder und auch Erwachsene dort oft die neuesten Kreationen vom großen Markt der Brettspiele, und das kommt dem Kontostand des 47-jährigen Bremers sehr entgegen. Denn Friedemann Friese ist einer der bedeutendsten Spiele-Erfinder in diesem Land, und 2017 ist für ihn ein Jubiläumsjahr. Vor genau 25 Jahren gründete er seine Firma „2-F-Spiele“, die im Kreis der rund 50 Mitbewerber in Deutschland einen festen Kundenstamm hat. Friedemann Friese sagt es so: „Ich weiß, dass es etliche Leute gibt, die speziell meine Spiele sammeln.“
Er ist das, was man in positivem Sinne einen Typen nennt. Ein wenig unangepasst, das Haupthaar trägt Friedemann Friese zum Beispiel seit rund zwei Jahrzehnten vorzugsweise grün gefärbt – nicht etwa als Werder-Fan, sondern einfach so: „Grün steht mir am besten. Ich habe es auch mal mit Pink versucht, aber das war nichts.“ Als sein wesentlichstes Hobby bezeichnet er neben der beruflich bedingten Leidenschaft für Brettspiele das Kutterpullen. Als Mitglied von Lok Pusdorf klettert er mindestens einmal im Monat ins Boot, gemeinsam mit Gleichgesinnten paddeln sie dann durchs Neustädter Hafenbecken oder bei der alljährlichen Stadtmeisterschaft auch mal auf der Weser.
Wie wird man Spiele-Erfinder? „Eher zufällig“, sagt Friedemann Friese und erzählt, dass er schon immer Brettspiele geliebt habe, bei denen vor allem logisches Denken und gutes Merkvermögen gefragt war. „Nichts mit Würfeln, das ist ja eher zufällig und praktisch gedächtnislos.“ Interessehalber schaute der Brettspiel-Freund 1991 auf der alljährlichen großen deutschen Spiele-Messe in Essen vorbei, sah sich die Produkte der Aussteller an und fand, so etwas könne er auch. „Das war alles noch sehr amateurhaft, die haben ihre Spiele selbst gebastelt und geklebt.“ Ein Jahr später hatte er selbst ein Spiel gebastelt und sich vorgenommen: „Wenn ich bei der Spielemesse einen Stand bekomme, trete ich da auch auf.“ Er bekam den Stand, sein erstes Spiel nannte er „Raus aus dem Schneckenhaus“, und das fand schon einige Liebhaber.
Doch bis zur eigenen Firma, von der Friese heute sagt: „Ich werde vermutlich nicht reich, aber ich kann meine vierköpfige Familie davon ernähren“, war es noch ein weiter Weg. Denn nach dem Abitur in Achim hatte er noch ganz andere Pläne. Friedemann Friese begann ein Mathematik-Studium, machte nach drei Semestern schon das Vordiplom, doch die nächsten Jahre verliefen für ihn dann eher wechselhaft. Zivildienst, Programmierer, Discjockey und Inhaber einer Multimedia-Agentur, mit der er jedoch mit dem Platzen der Internetblase in die Pleite schlidderte – es waren sehr lebendige Jahre in der Vita des Friedemann Friese. Offiziell studierte er nebenbei auch damals immer noch Mathematik („Insgesamt bin ich auf 29 Semester gekommen“), tatsächlich jedoch war er an den unterschiedlichsten Fronten aktiv. Und nebenbei existierte seit 1992 auch schon immer die Firma „2-F-Spiele“.
Das lohnte sich anfangs noch nicht so recht. Doch die „2-F-Spiele“ wurden mit den Jahren immer erfolgreicher, sicherten irgendwann die bürgerliche Existenz und werden es auch in Zukunft tun. Denn der Markt ist stabil, Friese ist überzeugt: „Alle reden von Computerspielen, die sind aber letztlich keine Konkurrenz.“ Denn Gesellschaftsspiele, vor allem Brettspiele, erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. „In diesem Jahr haben wir schon ein Plus von sieben Prozent“, weiß der Bremer und glaubt auch den Grund zu kennen: „Die Leute haben mehr Zeit als früher, und sie suchen Geselligkeit. Da bieten sich Spiele-Abende doch an.“ Auch Friedemann Friese mischt da kräftig mit, sowohl aus Freude am Spiel als auch aus kommerziellem Interesse. In seinem Arbeitsraum eines Bremer Hauses im Fedelhören stapeln sich an einer Wand rund 100 neue Spiele anderer Autoren, alles mitgebracht von der letzten Spielemesse aus Essen. Friedemann Friese spielt sie im Freundeskreis, „denn ich muss doch wissen, was den anderen so einfällt“. Insgesamt, so schätzt er, hat er in seinem Leben schon rund 4000 Spiele gespielt.
Auch ihm ist in den letzten Jahren immer wieder etwas eingefallen, eine Schaffenspause mangels neuer Ideen befürchtet er nicht. „Ich habe in meinem Archiv noch so viele Entwürfe, die nicht zu Ende entwickelt wurden, da besteht kein Mangel.“ Aber auch in seinem Hirn entstehen nicht nur Erfolgsmodelle („ab 30 000 verkauften Exemplaren ist ein Spiel richtig erfolgreich“), er hat auch schon Volltreffer gelandet. An der Spitze steht „Funkenschlag“, das mit rund 300 000 verkauften Exemplaren seit Jahren zu den erfolgreichsten Spielen der Welt gehört. Auch „Wucherer“ und „ Freitag“ laufen seit Jahren gut. Was ihn bei allen Erfolgen etwas stört: Noch nie schaffte es ein „2-F-Spiel“ auf den deutschen Thron zum „Spiel des Jahres“ – eine Auszeichnung, die vor allem beim Verkauf sehr hilfreich ist. Einige Male glaubte sich der Bremer am Ziel („Funkenschlag hätte es auf jeden Fall schaffen müssen“), doch dann holte jemand anderes den lukrativen Preis. Dass er dennoch zur Elite der Spiele-Erfinder gehört, erfuhr er aus dem Ausland: In Spanien, Polen und Flandern landeten Friese-Spiele auf Platz eins im nationalen Ranking.
Inzwischen hat die Firma „2-F-Spiele“ nur noch wenig gemein mit dem Unternehmen, das Friedemann Friese vor 25 Jahren gründete. Er bastelt und klebt seine Entwürfe schon lange nicht mehr selbst, die Firma „Ludofact“ produziert seine Spiele im professionellen Design. Ein Verlag übernimmt den Vertrieb. Und in einem Großlager in Süddeutschland stapeln sich die „2-F-Spiele“ auf rund 100 Paletten. Etwa 20 verschiedene Spiele hat Friedemann Friese derzeit im aktuellen Programm, jederzeit abrufbar von den Geschäften, die sie dann verkaufen.
Die „2-F-Spiele“ sind zwar im Prinzip ein Ein-Mann-Betrieb, ganz alleine ist Friedemann Friese jedoch nicht. Ein Grafiker und eine Art „Lektor“ helfen und beraten ihn. Denn aus fünf bis 25 Ideen wird am Ende nur ein Spiel, das die allerwichtigste Anforderung ihres Erfinders erfüllt: „Es muss vor allem Spaß machen.“ Diese Eigenschaft wiederum spricht er dem wohl bekanntesten aller Brettspiele ab: „Schach“, sagt Friedemann Friese, „spiele ich grundsätzlich nicht. Denn das ist total spaßfrei.“