Vor der Saison wurde Rot-Weiß Hürriyet als sicherer Abstiegskandidat in der Fußball-Kreisliga gehandelt. Die Begründung: viele Abgänge und ein Mini-Kader. Aber wenn die Geschichte eines gelehrt hat, dann ist das die Unberechenbarkeit der Rot-Weißen. Nach den ersten drei Wochen der Spielzeit haben die Delmenhorster wohl schon mehr Punkte auf dem Konto als Trainingseinheiten absolviert. Dazu kommt noch der Sieg im Pokal beim derzeitigen Tabellenführer FC Huntlosen. In der Liga folgte der knappen Auftaktniederlage gegen Hicretspor nun ein klarer 5:2 (2:1)-Auswärtssieg gegen den TV Falkenburg.
Wobei: Das Ergebnis hört sich viel deutlicher an, als der Spielverlauf und vor allem das Chancenverhältnis waren. Die Falken hätten nach verdientem Pausenrückstand das Spiel einfach drehen müssen, so viele Möglichkeiten hatten sie. Die Schlüsselszene war vielleicht der gehaltene Elfmeter von Aushilfstorwart Ibrahim Ekici in der 74. Minute beim Stand von 1:3. „Wenn der drin ist, möchte ich nicht wissen, wie das Spiel ausgeht“, sagte Ekici. Sein Torwart-Stil ist – vermutlich normal als gelernter Innenverteidiger – sehr unkonventionell. Den Elfer von Ole Stolle grätschte er mit dem Fuß aus dem linken Eck. Aber das passte zum Spiel. Hürriyets gesamter Stil war unkonventionell, der Sieg dadurch jedoch nicht unverdient.
Falken-Trainer Jan Badberg musste nach der ärgerlichen Pleite erst mal ein paar Minuten in der Kabine verschwinden und kam dann zurück. „Ich hatte der Mannschaft vorher gesagt, dass wir heute ein Feuerwerk abbrennen wollen. In der Halbzeit musste ich ihnen sagen, dass sie mit dem bisschen Feuer noch nicht mal eine Zigarette anzünden werden.“ Dabei hatte es gut für den TV begonnen. Kevin Ebner hatte einen Pass abgefangen und Ole Stolle bedient, der cool zum 1:0 einschob (13.). Stolle hat die individuelle Klasse, mit der auch Eugen Plushnikow gesegnet ist. Der sollte zum Mann des Nachmittags werden. Sein erstes Ausrufezeichen war das Solo zum 1:1 (20.). Damit war Hürriyet richtig drin und hatte einige gute Möglichkeiten zur Führung. Die besorgte dann Sadik Aydogdu nach einem Falkenburger Querschläger mit einem Volleyschuss in den linken Winkel (38.).
Hürriyet agiert cleverer
Badberg beließ es in der Kabine nicht bei Worten, er wechselte auch gleich dreifach. Zwei Neue, nämlich Tim Jüchter und Niels Punke, hätten sich direkt als Joker in die Schützenliste eintragen können (52./55.). Noch zwingender hätte Dominique Streif (48.) seinen Alleingang verwerten müssen. Doch Ekici zog ihm den Zahn. Außerdem nervte Hürriyet die Falken durch frühes Zeitspiel, vielleicht schlug Streif auch deshalb mutterseelenallein am Fünfer ein Luftloch (62.). Hürriyet war wesentlich cleverer. Plushnikow schlug den Ball flach vors Tor und Berat Uyar vollendete cool zum 1:3 (71.). „In der zweiten Halbzeit haben wir gut gekontert und waren sehr effektiv“, lobte Ekici seine Vorderleute.
Badberg hatte bis dahin an der Seitenlinie fast ein größeres Laufpensum absolviert als seine Schützlinge. „Der Mannschaft fehlt auf dem Platz ein Sprachrohr im Mittelfeld, sie sind da noch zu brav und zu grün. Hürriyet war viel galliger“, sprach Badberg Defizite an. Dazu addierte er „viel zu viele Fehlpässe und mangelhafte Zweikampfstärke“. Und den vergebenen Elfmeter von Stolle (74.), den Uyar erneut nach Plushnikow-Vorlage mit dem 1:4 beantwortete (81.). Hoffnung kam für die Gastgeber noch einmal auf, weil Sebastian Ahlers mit der nächsten Aktion – Kopfballtor nach Ecke von Florian Erhorn – auf 2:4 stellte. Der TVF warf alles nach vorne, hatte aber keine nennenswerten Möglichkeiten mehr. Plushnikow belohnte sich mit seinem zweiten Treffer zum 2:5-Endstand.
Während Badberg nach der dritten Niederlage dringend ein Erfolgserlebnis herbeisehnt, hat Ekici für Hürriyet ganz andere Wünsche. „Ich hoffe, dass wir in den nächsten Wochen zu einem geregelten Training kommen und als Mannschaft mehr zusammenfinden. Außerdem möchte ich eigentlich nicht mehr ins Tor gehen. Wir haben mit mir im Tor zwar jetzt zweimal gewonnen, aber auf dem Feld fühle ich mich wohler.“