München. Bastian Schweinsteiger macht jetzt Werbung für die Börse Stuttgart. Neuerdings trägt er auch häufiger Anzug und Krawatte. Dem Fachblatt 'Kicker' hat er unlängst erklärt, was es damit auf sich hat. 'Den ,Schweini?', hat er gesagt, 'den ,Schweini?, den gibt?s nicht mehr.' Hier ist einer erwachsen geworden, lautet die Botschaft. Bastian Schweinsteiger hat sich verändert, außerhalb des Spielfeldes, aber auch auf dem Platz. Bastian Schweinsteiger spielt beim FC Bayern jetzt im Zentrum. Heute gegen Argentinien (20.45 Uhr im ZDF) wird er das erstmals auch in der Nationalmannschaft tun.
Bastian Schweinsteiger, dieser freche Hund, diese zweite Hälfte des lustigen Duos 'Poldi und Schweini', zieht von der rechten Außenbahn, für die er, der verrückte Dribbler, geboren schien nach innen. An die Seite von Mannschaftskapitän Michael Ballack, der damit künftig wohl defensiver agieren muss. Es ist nicht das einzige Experiment, mit dem Bundestrainer Joachim Löw für Mittwochabend liebäugelt. Weil Schweinsteiger auf die sogenannte Position des Sechsers vor der Abwehr rückt, wird weiter vorne rechts ein Platz frei.
Ein Platz für einen der beiden Senkrechtstarter Toni Kroos von Bayer Leverkusen oder Thomas Müller vom FC Bayern? 'Ich bin bereit, das eine oder andere Experiment einzugehen', sagt Löw. Der Bundestrainer bezieht damit gleichzeitig Position in einer kniffligen Frage: Welche Bedeutung hat der Klassiker Deutschland gegen Argentinien eigentlich? Ist das schon der geprobte Ernstfall? Oder ist die Allianz-Arena mit ihren 66.000 Zuschauern heute das Versuchslabor für diverse taktische und personelle Varianten?
Keine leichte Entscheidung. Das Argentinien-Spiel ist das einzige Länderspiel, bevor Löw im Mai seinen endgültigen WM-Kader benennt. Die Gegner kurz vor der WM heißen Malta, Ungarn und Bosnien-Herzegowina. 35 Spieler umfasst der Kader im Moment, das heißt, dass Löw noch zwölf Kandidaten aussortieren müssen. 'Es geht ab jetzt um die Plätze', weiß Philipp Lahm. Löw muss also einerseits sehen, wie sich bestimmte Spieler (Kroos? Müller?) in Drucksituationen verhalten, selbst auf die Gefahr hin, dass die Neulinge gegen einen Gegner wie Argentinien mit Messi, Tevez, Mascherano an ihre Grenzen stoßen.
Andererseits darf es Löw aber auch nicht zu bunt treiben mit seiner Lust am Ausprobieren. Die Fans erwarten auch ein gutes Ergebnis. Vor vier Jahren, vor der WM im eigenen Land, gab es mal ein Testspiel in Florenz. Die Partie gegen Italien ging damals mit 1:4 verloren, und am Ende einer bizarren Diskussion forderte sogar jemand aus dem Bundestag, dass sich Bundestrainer Jürgen Klinsmann doch einmal vor der Politik erklären möge. 'So eine Unruhe wollen wir uns diesmal natürlich ersparen', sagt Philipp Lahm.
Also arbeitet Löw daran, wenigstens einige der 'Großbaustellen' (Kicker) zu schließen. In der Torwartfrage herrscht Klarheit seit Montag, René Adler ist die Nummer eins. Auch der Nebenmann von Per Mertesacker dürfte feststehen. Wenn er demnächst wieder gesund ist, kehrt der Schalker Heiko Westermann in die Innenverteidigung zurück. Heute übernimmt entweder Serdar Tasci (VfB Stuttgart) oder Arne Friedrich (Hertha BSC) diese Rolle.
Bleibt noch der Angriff. Mario Gomez (stark in der Gegenwart) oder Miroslav Klose (stark in der Vergangenheit) als einzige Spitze? Oder entsprechend der Löwschen Maxime vom Leistungsprinzip Stefan Kießling, der Führende der Bundesliga-Torschützenliste? Vielleicht aber ja sogar der Sieben-Tore-in-acht-Tagen-Mann Cacau, ein Lieblingsspieler von Löw?
Dahinter dürfte Lukas Podolski seinen Platz trotz fortwährender Krise sicher haben. Und Mesut Özil eigentlich auch. Wobei: Werders Mittelfeldmann erhielt am Montag erstmal einen zusätzlichen freien Tag. Wie auch die übrigen Bremer Per Mertesacker, Marko Marin und Aaron Hunt. Sie hätten ziemlich müde gewirkt, so Löw. Er aber braucht wache Spieler. Gerade gegen einen Gegner wie Argentinien, der so schwer greifbar ist. Individuell Weltklasse. Aber taktisch? Löws Gegenüber Diego Maradona lässt mal mit einem Zehner, dann wieder ohne spielen. Mittelfeldspieler finden sich bei ihm in der Abwehr wieder, Innenverteidiger auf Außen und umgekehrt. Darin steckt auch ein kleiner Trost für Experimentiermeister Joachim Löw: Er ist nicht der Einzige, der noch nach seiner besten Aufstellung sucht.