Der Fanladen des FC St. Pauli erhält den Julius-Hirsch-Preis. Mit dem Preis werden seit 2005 Vereine ausgezeichnet, die sich gegen Rassismus engagieren.
Am Montag fährt das Fanladen-Team des FC St. Pauli mal wieder nach Hannover. Diesmal ist der Anlass allerdings erfreulicher als die 0:2-Niederlage des FC St. Pauli bei 96 vor einer Woche. Statt einer erneuten Klatsche erwarten sie viele lobende Worte und eine mit 5000 Euro dotierte Auszeichnung: den Julius-Hirsch-Preis.
Schon zum achten Mal hatte sich der Fanladen des Hamburger Zweitligisten in diesem Frühjahr am „Erinnerungstag“ beteiligt, mit dem der deutsche Fußball des Holocausts gedenkt. Zum Abschluss einer mehrtägigen Vortragsreihe liefen die Spieler zum Heimspiel gegen RB Leipzig mit dem Trikotslogan „Kein Fußball den Faschisten“ auf. Verein und Hauptsponsor räumten dafür die Trikotfläche frei. Grund genug für die Jury, dem Fanladen den Preis zu verleihen, der den Namen des von den Nazis ermordeten Karlsruher Nationalspielers Julius „Juller“ Hirsch trägt.
Ein steiniger Weg zur Auszeichnung
Mit dem Preis werden seit 2005 Initiativen und Vereine ausgezeichnet, die sich gegen Intoleranz und Rassismus engagieren. So wie der Berliner Verein „Fußballfans gegen Homophobie“, der den zweiten Platz belegt, oder das Willibald-Gluck-Gymnasium im oberpfälzischen Neumarkt, an dem sich 1500 Schüler in einer Projektwoche mit der NS-Zeit befasst hatten. Oder eben der Fanladen.
Allerdings sei der Weg zur Auszeichnung ein steiniger gewesen, erinnert sich Mitarbeiter Justus Peltzer. Zunächst hatte eine DFL-Angestellte befürchtet, der Slogan „Kein Fußball den Faschisten“ sei zu politisch und verstoße deshalb gegen die Statuten. „Dem Enthusiasmus eines Präsidiumsmitglieds ist es zu verdanken, dass die DFL eingelenkt hat.“
Auswahl der Preisträger als Beweis eines Sinneswandels
Der studierte Soziologe findet es dann auch bemerkenswert, dass sie vom gleichen Verband nun für einen Slogan ausgezeichnet werden, der den noch vor eineinhalb Jahren verdeckt sehen wollte. Denn auch der DFB hatte im Mai 2014 noch so seine Schwierigkeiten mit dem Spirit am Millerntor. Beim Training der deutschen Nationalmannschaft vor dem Länderspiel gegen Polen musste der Verein auf Geheiß des DFB den über der Gegengerade angebrachten Slogan so überkleben, dass keine politische Message mehr zu erkennen war.
„Kein Fußball“ prangte damals also kamerafreundlich auf der Tribüne, unter der Neuer und Co. trainierten. Das sorgte damals für einige Lacher. Später entschuldigte sich der DFB für die Intervention und sprach von einem Kommunikationsfehler. So peinlich solche Pannen auch sein mögen, dass sich der DFB mittlerweile glaubwürdig gegen rechts artikuliert, gestehen ihm auch viele seiner zahlreichen Kritiker in den Fanszenen zu.
Die Auswahl der Preisträger kann in diesem Sinne auch als Beweis eines Sinneswandels gesehen werden. Schließlich war die Jury, in der außer den Spitzen von DFB und DFL auch Kirchenvertreter oder der Hirsch-Enkel Andreas Hirsch sitzen, bereit, auch Initiativen auszuzeichnen, mit denen sich die Frankfurter Verbände ansonsten schwertun.
Nachhaltiger Einsatz gegen Rechte
Doch Bedenken, die es gegen die Ultra-Gruppe „Schickeria“ (2014) vom FC Bayern München, des Breitensportvereins „Roter Stern Leipzig“ (2010) oder eben nun des Fanladens gegeben haben könnte, scheinen vor der Tatsache in den Hintergrund getreten zu sein, dass die drei Initiativen sich seit Jahren nachhaltig gegen rechte Umtriebe in den Fanszenen oder im Amateurfußball zur Wehr setzen.
Im Hamburger Fall gehört das Engagement gegen rechts sogar zur Gründungsgeschichte des im Februar 1990 eröffneten Fanladens. Schon damals pilgerten Fußballfans aus ganz Deutschland und junge Antifas dorthin und kauften sich die „St. Pauli-Fans-gegen-rechts“-Aufkleber, 50 Stück zu zwei Mark.
Heute sind fast drei Millionen davon verkauft. Bilder, die Anfang der Neunziger entstanden sind, zeigen den damaligen Fanladen-Leiter mit Irokesen-Frisur. Neben ihm Torwart Volker Ippig, der als Hafenstraßen-Bewohner und Nicaragua-Aktivist eine Ikone der immer schon linken Fanszene war. „Volker, hör die Signale“, stand deshalb auf einem Shirt. „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus, nie wieder Zweite Liga“, auf einem anderen.
„Seither hat sich in der Hinsicht nichts geändert“, berichtet Peltzer. „So unterschiedlich die Leute hier sind – die Gegen-rechts-Haltung ist der Minimalkonsens für 25 000 Leute im Stadion.“
Jetzt sichern: Wir schenken Ihnen 1 Monat WK+!