
Sie hat mal ein T-Shirt geschenkt bekommen. Aufdruck: „Des zieh‘ mea jetzt no‘ durch.“ Sie ist Schwäbin, da passte das schon mal. Sie ist aber auch eine Durchzieherin, das darf man über die Langstreckenläuferin Alina Reh getrost sagen. Der Spruch auf dem Shirt, er ist Beschreibung wie Motto zugleich. Als Alina Reh gemeinsam mit ihrem Trainer beschloss, die Saison noch nicht zu beenden nach den Leichtathletik-Europameisterschaften in Berlin, da sagte sie zu Jürgen Austin-Kerl: „Ich fahr‘ doch nicht nach Bremen, um da La Paloma zu machen.“
Nein, das hat sie dann auch nicht getan, wenn das La-Paloma-machen in der Sportler-Sprache so etwas Ähnliches bedeutet wie dieses Eine-ruhige-Kugel-schieben. Nein, Alina Reh aus Laichingen hat sich am Sonntag am Weserstadion an den Startstrich zur Deutschen Meisterschaft im Zehn-Kilometer-Straßenlauf gestellt – und war ungefähr nach einem Hundertstel der Strecke allein. Keine Konkurrentin konnte mehr folgen. Beziehungsweise: vermied es tunlichst zu folgen. Dieses hohe Tempo wäre für keine der Konkurrentinnen wirklich ratsam gewesen.
Nach zwei Runden hin und her auf dem Osterdeich war Alina Reh, die EM-Vierte über 10 000 Meter, schon wieder zurück bei Start und Ziel am Weserstadion. 32 Minuten und 22 Sekunden hatte sie benötigt und damit die sportlich hochkarätigste Leistung der Veranstaltung vollbracht. Einsam an der Spitze zog sie das durch. Sie hielt ihr hohes Tempo, bis zum Schluss. Womöglich wäre sie noch etwas schneller gewesen, womöglich auch schneller als 32 Minuten, wenn sie in der Männer-Leistungsklasse gestartet wäre und dadurch um sich herum Mitläufer gehabt hätte.
Fräulein Laufwunder ist ein etwas inflationär benutzter Begriff. Aber dass Alina Reh vom SSV Ulm neben Konstanze Klosterhalfen von Bayer Leverkusen ein großes deutsches Lauf-Talent und also eine große deutsche Lauf-Hoffnung ist, das stimmt trotzdem. Alina Reh ist erst 21 Jahre alt. Das ist normalerweise nicht das Alter, in dem eine Langstreckenläuferin ihren Leistungszenit erreicht oder gar schon überschritten hat.
Man kann in gewisser Weise sogar behaupten, dass es jetzt erst richtig losgeht bei Alina Reh. Mit Blick auf die Weltmeisterschaften im kommenden Jahr in Doha und vor allem auf die Olympischen Spiele 2020 in Tokio will sie sich noch mehr auf das konzentrieren, was sie seit frühester Kindheit schon so gern und so gut gemacht hat: schnell laufen.
Sie will das jetzt noch professioneller angehen. Bislang hat sie als Einzelhandelskauffrau gearbeitet, ihre Mutter führt einen Rewe-Supermarkt. Demnächst wird sie nicht mehr im Markt sein. Sie ist dann quasi erst mal ein Lauf-Profi. Sie spricht nicht von WM- oder Olympia-Medaillen. „Eine 30 vorneweg, das möchte ich schon mal haben“, sagt sie und das wäre dann schon ein sehr ambitioniertes Ziel. Schneller als 31 Minuten ist über 10.000 Meter noch nie eine Frau gelaufen in Deutschland. Wer beobachtet hat, wie flink und dennoch unverkrampft die erst 21-jährige Alina Reh da am Sonntag auf dem Osterdeich in ihrem 32:22-Alleingang unterwegs war, wird ihr eine solche Steigerung zutrauen.
„Die hat immer Bock, die rennt immer Vollgas. Und die ist immer gut gelaunt“, sagt Nationalmannschaftskollegin Denise Krebs. Rehs Trainer sagt sogar: „So eine Athletin trainieren zu dürfen, das ist für mich so etwas wie ein Sechser im Lotto.“ Jürgen Austin-Kerl war selbst Läufer, ein sehr guter, aber eben kein herausragender, und jetzt im Zielraum am Weserstadion erzählt er begeistert von der Zusammenarbeit mit einer Läuferin auf einem nochmal höheren Leistungsniveau.
Austin-Kerl schwärmt dabei auch von der recht professionellen Infrastruktur beim SSV Ulm. Von der physiotherapeutischen und ärztlichen Betreuung. Davon, dass es ja um so viel mehr Faktoren geht als nur um den reinen Trainingsplan, auf dem oft 150 und 160 Kilometer stehen. Pro Woche, und zwar mit vielen sehr schnell zu laufenden Kilometern.
Zu den vielen Faktoren gehört auch, dass ein Körper, so viel Talent auch in ihm stecken mag, die hohen Belastungen auch aushält. Der Trainer spricht von einem Training, in dem die Athletin im Idealfall „gar nicht erst in die Verletzung ‚reinkommt“, antizipatorischem Training sozusagen. „Wir reden ja über Leistungssport, das ist immer ein Ritt auf der Rasierklinge“, sagt Alina Reh. Sie hat schon drei Ermüdungsbrüche hinter sich.
Erst in diesem Frühjahr hatte es sie erneut erwischt, sie konnte erst im Juni voll ins Training einsteigen. Im Grunde kam die EM Anfang August in Berlin noch etwas zu früh, bei der sie nach einem taktisch klugen Rennen überraschend als Vierte den Zielstrich überquerte. Und nach dem sogar noch eine nachträgliche Übersendung der Bronzemedaille im Bereich des Möglichen liegt. Die EM-Dritte hatte in Schweden angeblich zwei Dopingtests versäumt.
Jedenfalls sagt Alina Reh, dass sie in Bremen jetzt fast noch besser in Form war als vor ein paar Wochen in Berlin. Es mag auch daran liegen, dass sie im Rückblick recht versöhnlich mit der großen EM in Berlin umgehen kann. Dort hatte sie einerseits ein Rennen hingelegt, das ihren Trainer heute noch begeistert. Dort gab es aber auch diesen umstrittenen Start der späteren Bronzemedaillen-Gewinnerin, und dort gab es auch die eher übersichtliche Beachtung durch Stadionsprecher und ARD-Kommentator.
„Ach, es war trotzdem richtig toll, nach dem, was alles war“, sagt Alina Reh jetzt. Sie gibt zu, dass sie in diesem EM-Jahr „Blut geleckt“ habe. Sie denkt an eine Saison, die zunächst ein Ermüdungsbruch torpediert hatte, und die jetzt nach mit einem weiteren schnellen Zehn Kilometer-Rennen sowie dem Halbmarathon in Köln enden soll. Da will sie dann nochmal voll durchziehen.
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