Gelsenkirchen. Fußballspiele, die im Nachgang mit dem Attribut „Arbeitssieg” versehen werden, bedürfen in der Regel keiner großen Analysen und Interpretationen. Ihre Geschichte ist eigentlich immer ähnlich: Ein favorisiertes Team bringt seine überlegenen Fähigkeiten zur Geltung, ohne fußballerisches Feuerwerk, ohne spektakuläre Dramaturgie. Solide Arbeit eben. Exakt diese Beschreibung trifft auf das 3:1 des FC Schalke 04 gegen Werder Bremen vom Sonntagabend zu, und so verwundert es nicht, dass Christian Heidel den Erfolg gleich in einem seiner ersten Sätze der Kategorie „Arbeitssieg” zuordnete. Dass ihm das noch besser zu gefallen schien als ein schillerndes Torspektakel, war allerdings bemerkenswert.
Chronischer Extremzustand
Der Schalker Manager ist ein feinsinniger Mann mit gutem Gespür für Momente und Situationen, und so formulierte er den Gedanken, dass genau diese Art von Erfolg „ohne Glanz und Gloria” ganz besonders kostbar sein könnte. „Es ist wichtig für uns, auch so was mitzunehmen. Ich glaube, das ist für das Selbstvertrauen der Mannschaft sehr, sehr hilfreich gewesen”, erklärte Heidel, der im Sommer den FSV Mainz 05 nach 24 Jahren Richtung Gelsenkirchen verlassen hatte. Schalke 04, dieser Klub im chronischen Extremzustand, ist in einem unspektakulären Alltag angekommen und genau könnte ein entscheidender Fortschritt sein für das königblaue Fußballprojekt.
Nach den besonderen Umständen des Neuanfangs mit Trainer- und Managerwechsel, dem katastrophalen Saisonstart mit fünf Niederlagen, und entsprechend großem Druck hat sich erstmals in der neuen Ära so etwas wie ein Gefühl der Normalität entwickelt. Atmosphärisch und fußballerisch. Das Geheimnis des Erfolges, sagte Heidel, sei, dass man einfach mit System, Qualität und Arbeit gegen den Ball arbeitet. Wenn einer diese Worte so dahersagt, klingt dieses Rezept tatsächlich ziemlich schlicht, doch einen Zustand erreicht zu haben, in dem das möglich ist, ist ein bemerkenswerter Erfolg für den grundsanierten FC Schalke 04.
Wie ein Architekt, der sich an den ersten erkennbaren Konturen seines Werkes erfreut, betrachtete Markus Weinzierl den Zustand seiner Mannschaft. Der Trainer sprach von „klaren Phasen”, die sein Team durchlaufen hat: Zunächst habe er möglichst vielen Spielern Einsatzzeiten geben müssen, um Erkenntnisse zu gewinnen, dann habe er die beste Mannschaft und eine Vorgehensweise zur Verteilung der Belastungen gefunden, und jetzt läuft es. Nach einem schlüssigen Konzept werden Spielerwechsel vorgenommen, „jeder hat eine Wertigkeit in der Mannschaft, jeder weiß, dass er gebraucht wird”, erläuterte der ehemalige Augsburg-Trainer. Und auf diesem gewissenhaft bestellten Acker erblühen immer mehr Einzelspieler.
Gegen Bremen glänzte vor allem Alessandro Schöpf, der das erste und das dritte Tor schoss und bestens klarkommt mit seiner Zwitterrolle zwischen Außenverteidigerposition rechts neben der Dreierabwehrkette und seinem offensivem Flügelspiel. „Wenn du so engagiert bist und so viel läufst, dann kommst du auch in die gefährlichen Situationen rein”, lobte Weinzierl den ehemaligen Nürnberger, der mit Abstand die größte Laufstrecke aller Schalker am Sonntag zurückgelegt hatte. Aber auch Sead Kolasinac, Schöpfs Pendant von links, ist stark wie nie. Auch Max Meyer spielte trotz lädiertem Fußgelenk großartig als hängende Spitze und Nabil Bentaleb ist so etwas wie der neue Star des Teams.
Der 21-Jährige Algerier, den Heidel von Tottenham Hotspur ausleihen konnte, ist an fast allen Angriffen beteiligt, er lenkt das Spiel der Königsblauen mit Eleganz und Konsequenz. „Es kann dir nichts Besseres passieren, als einen defensiven Mittelfeldspieler zu haben, der den Ball so gescheit spielen kann”, sagte Heidel, „das macht er in einer Art und Weise, die ist beeindruckend.” Wenn Bentaleb sich nicht schwer verletzt, kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Schalker ihre Kaufoption ziehen und Bentaleb für angeblich festgeschriebene 19 Millionen Euro langfristig nach Gelsenkirchen holen.
Schalke freut sich also auf die Zukunft wie lange nicht, nur die Tabelle sieht immer noch ziemlich deprimierend aus. Die Königsblauen rangieren aktuell auf Platz zwöf, der Rückstand auf die europäischen Plätze beträgt sieben Punkte, und nach der Länderspielpause in Wolfsburg (19. November) wird für einen Erfolg vermutlich mehr nötig sein, als so eine solide Alltagsleistung wie am Sonntagabend gegen Werder Bremen.