Ein Derby gegen den Ex-Verein hat seinen ganz besonderen Reiz – auch für den früheren Drittliga-Handballer Andre Haake, der mit seinen 35 Jahren eigentlich schon fast alles gesehen hat. Doch im größten Spiel seines Lebens stellte er dank einer herausragenden Leistung all die anderen Schlachten, die er in seiner erfolgreichen Karriere geschlagen hat, in den Hintergrund.
Wir schreiben den 20. Oktober 2018, als der Spielmacher schon beim Aufwärmen bis in die Haarspitzen motiviert ist, denn es steht die Partie seiner TSG Hatten-Sandkrug gegen die HSG Delmenhorst auf dem Programm. Es ist eine Begegnung mit einer gewissen Brisanz. Denn Haake spielte acht Jahre lang für die HSG Delmenhorst und trifft an diesem Tag zum ersten Mal auf seine ehemaligen Mitspieler. „Ich hätte sicherlich auch Spiele aus der 3. Liga mit Hatten wählen können, aber in diesem Spiel habe ich schon sehr gut gespielt“, betont Haake, der am Ende gleich zehn Bälle im Delmenhorster Gehäuse unterbringt und die Gäste mit einer gnadenlosen Wurfeffektivität verzweifeln lässt – es gelingt ihm beinahe alles. Und so führt der in Delmenhorst lebende Spielmacher seine TSG Hatten-Sandkrug zu einem hochverdienten und ungefährdeten 28:24 (13:10)-Sieg.
Haake, der in der Spielzeit 2017/2018 mit den Delmenhorstern die Verbandsliga-Meisterschaft und den Oberliga-Aufstieg gefeiert hatte, ist noch heute von der damaligen Leidenschaft seines Teams begeistert. Die sei neben der guten Abwehrleistung und dem überragenden Auftritt von Torwart Jan-Peter Steffens ausschlaggebend für den Heimsieg gewesen. Die HSG hingegen enttäuschte damals auf ganzer Linie. „Für ein Derby war unsere Einstellung zu lasch. Die Einstellung müssen die Spieler aber schon selber mitbringen, das erwarte ich von ihnen. Man muss sich fragen, ob heute überhaupt etwas bei uns gestimmt hat“, meinte HSG-Trainer Jörg Rademacher nach der Pleite gegenüber dem DELMENHORSTER KURIER.
Die Geschichte hatte eine besondere Würze, denn ein paar Monate vor diesem Spiel hatte Rademacher ausgerechnet Haake aus der ersten Mannschaft aussortiert – eine ganz bittere Nachricht für den gebürtigen Oldenburger. „Das hat mich schon ein bisschen enttäuscht. Auch weil ich in den acht Jahren bei der HSG oft den Karren aus dem Dreck gezogen habe. Aber Jörg Rademacher hat mir dann während eines Telefonats mitgeteilt, dass er mit jüngeren Spielern auf meiner Position plant“, erklärt Haake und ergänzt: „Für mich spielt das Alter überhaupt keine Rolle, solange man fit ist. Ich habe mir damals noch mindestens zwei Jahre Oberliga zugetraut, auch jetzt könnte ich da noch mitspielen.“
Die Spielzeit beendete Haake trotz der Hiobsbotschaft bei der HSG und wurde mit dem Aufstieg belohnt. „Das war eine coole Saison“, erinnert sich der zweifache Familienvater, der in Delmenhorst noch die zweite Mannschaft als Spielertrainer hätte übernehmen können. Doch dieses Angebot lehnte er ab und wechselte zur TSG Hatten-Sandkrug, mit der er dann am fünften Spieltag der Saison 2018/2019 die mit Spannung erwartete Begegnung gegen Delmenhorst bestritt. „Ich habe in diesem Spiel nicht wirklich nachgedacht, obwohl ich die meisten Zuschauer auf der Tribüne gekannt habe. Es waren auch viele Delmenhorster in der Halle, die sich wohl geärgert haben, dass ausgerechnet der Haake gegen sie so gut spielt.“
Auch die HSG-Torhüter Sönke Schröder und Deni Prvonožac konnten den Sturmlauf des Andre Haake nicht verhindern, obwohl sie eigentlich ganz genau gewusst haben müssen, wo er meistens hinwerfen würde. Doch die Würfe waren in diesem Spiel einfach zu hart und platziert. „Sönke saß oft in der Ecke, konnte die Bälle aber trotzdem nicht halten“, schildert Haake.
Als er in der zweiten Halbzeit auch noch in Manndeckung genommen wurde, war sein Tag endgültig perfekt. „Es ist natürlich eine gewisse Genugtuung dabei gewesen, wenn ein Verein dir sagt, du bist zu alt, wir planen nicht mehr mit dir, und du dann trotzdem in Manndeckung genommen wirst“, betont Haake. Diese taktische Maßnahme zeigte dann auch Wirkung. Die HSG verkürzte den Rückstand von 17:24 auf 23:26, doch am Ende sollte es nicht mehr reichen. „Wenn du in Manndeckung genommen wirst, wurmt dich das schon. In den kommenden Spielen gegen Delmenhorst haben sie mich dann auch über eine längere Zeit mit einer 5:1-Verteidigung gedeckt, das hat dann auch geklappt.“ Im Rückspiel gelang der HSG in eigener Halle die Revanche. „Ich behalte aber lieber die schönen Erinnerungen aus dem Hinspiel im Kopf. Diesen Sieg haben wir anschließend richtig gefeiert“, blickt Haake zurück.
Solche Erfolge würde er in Zukunft auch gerne mit der TS Hoykenkamp feiern, bei der er seit dieser Saison als Spielertrainer tätig ist. Dort schaue er auf die kommenden fünf Jahre und wolle die Mannschaft bis dahin verbandsligatauglich machen. „In Hoykenkamp haben wir viele Talente, die wir entwickeln können. Außerdem soll hier in diesem Jahr auch noch eine neue Halle gebaut werden. Ich werde versuchen, in Hoykenkamp etwas aufzubauen“, zeigt sich Haake zielorientiert. In Hoykenkamp soll die Spielerkarriere des 35-Jährigen dann in einigen Jahren auch zu Ende gehen. Am besten natürlich mit einem aus seiner Sicht weiteren Spiel für die Ewigkeit.
Andre Haake (35)
wurde in Oldenburg geboren, lebt aber seit vielen Jahren in Delmenhorst. Haake ist Vater von zwei Kindern. Während seiner Laufbahn als Handballer hat er viele Erfolge gefeiert, spielte eingangs jahrelang für die TSG Hatten-Sandkrug in der 3. Liga. Im Jahr 2010 wechselte er zur HSG Delmenhorst und erlebte in acht Jahren Höhen und Tiefen. Inzwischen agiert er als Spielertrainer bei der TS Hoykenkamp. Haake verbindet aber nicht nur eine große Liebe zum Handball, sondern er ist auch leidenschaftlicher Fußballer. Unter anderem lief er in der Vergangenheit für den Delmenhorster TB und den SV Achternmeer auf. Sein aktueller Spielerpass liegt laut eigener Aussage bei der SG Döhlen/Großenkneten, wo er für die Ü32-Mannschaft spielt, wenn es zeitlich passt. Priorität habe schließlich der Handball.
Der bejubelte Aufstieg oder ein tränenreicher Abstieg. Ein unvergessener Sieg oder die bittere Niederlage in letzter Sekunde. In unserer Serie „Das Spiel meines Lebens“ erinnern sich Sportlerinnen und Sportler an den größten Moment ihrer Laufbahn – ganz egal, ob positiv oder negativ.
Weitere Informationen
TSG Hatten-Sandkrug - HSG Delmenhorst 28:24 (13:10)
TSG Hatten-Sandkrug: Steffens, Bruns; Kirschen, Schepker (4), Sauer (1), Schinnerer (7), Menkens (3), Larisch, Streckhardt (2), Haake (10/3), Spille, Lücken (1), Ghimes, Wolf
HSG Delmenhorst: S. Schröder, Prvonozac; Meissner (2), Goyert, Sudau (2), Timmermann (1), Coors (6), M. Schröder (2), Janßen (6), Ludwig, Freese (3), Till (2)
Spielfilm: 3:1 (9.), 4:4 (16.), 9:8 (25.), 13:10 (30.) – 16:12 (35.), 21:14 (41.), 24:17 (46.), 26:23 (57.), 28:24 (60.)