
Leipzig. Ralf Rangnick kann sich richtig in Rage reden. Was gerade erst wieder bei einer Podiumsdiskussion auf dem Internationalen Trainerkongress in Fulda geschah. Auf die Leinwand im Kongresszentrum war ein Bild geworfen worden, wie argentinische Nationalspieler nach dem Viertelfinale bei der Copa América in der Kabine kauerten; jeder damit beschäftigt, sein Smartphone zu bedienen. Derjenige, der sich darüber am meisten mokierte, war Rangnick. „Bei uns ist das auch nicht erlaubt”, sagte der Sportdirektor von RB Leipzig und versicherte: „Auch eine halbe Stunde nach einem Spiel entstehen solche Bilder bei uns nicht.”
Die sozialen Medien hätten mittlerweile ein hohes Suchtpotenzial, sagt Rangnick. Der Facebook-Hasser („Ich verkehre da nicht”) hält es beispielsweise für ein Unding, wenn Profis beim Physiotherapeuten auf der Pritsche liegen und WhatsApp-Nachrichten verschicken: „Was ist das für eine Respektlosigkeit gegenüber dem eigenen Mitarbeiter. Wenn das bei uns einer macht, kann er gleich den Raum verlassen.” Donnernder Applaus von mehr als 1000 lizenzierten Fußballlehrern prasselte auf Rangnick ein.
Seine emotionale Ausführung brachte noch eine andere Erkenntnis: Rangnick (58) mag mit dem Bundesliga-Aufstieg den Trainerposten an den vom FC Ingolstadt abgeworbenen Ralph Hasenhüttl abgegeben haben, der Supervisor aber bleibt er, der ehrgeizige Schwabe, der kurioserweise am ersten Spieltag genau dort antritt, wo er mal ein ähnliches Projekt in die Bundesliga brachte: bei der TSG Hoffenheim. Rangnick, der auch schon den SSV Ulm und Hannover 96 in die erste Liga hievte, arbeitet vielleicht detailversessener als je zuvor.
„Wenn ich mich daran erinnere, was wir in Schalker Zeiten vor einem Champions-League-Spiel zu uns genommen haben, wird mir schlecht”, räumte Rangnick beispielsweise ein. Zu viel Weißmehl und Kohlehydrate, und das in einer Sportart, deren physische Anforderungen immens gestiegen seien. Viel von dem Kapital und Know-how, das ihm über den Red-Bull-Konzern zur Verfügung gestellt wird, fließt in hochkarätiges Spezialistentum.
Unter dem RB-Dach werden die Spieler auf Lebensmittel-Unverträglichkeiten getestet, und sogar Testspiele werden von bis zu drei Videoanalysten seziert. Immer wieder geht es um die Spielphilosophie, für die Rangnick steht: Pressing, Umschaltspiel – bedingt durch die Erkenntnis, „dass innerhalb von zehn Sekunden nach Balleroberung die größte Chance besteht, ein Tor zu erzielen”. Gleichwohl: Die Rasenballsportler mit dem Bullenlogo wären unter Rangnicks Regie nicht der zweiten Liga entkommen, wenn sie nicht auch das Stilmittel beherrscht hätten, längere Ballbesitzpassagen durch ein Tor zu veredeln.
Spätestens Rangnicks schwere Muskelverletzung, die er sich bei den Aufstiegsfeierlichkeiten zuzog, als er dem mit einem Bierglas heranstürmenden Davie Selke entkommen wollte, hätte eigentlich das Signal für seinen Rückzug sein müssen. Doch Rangnick schaut bei den Trainingseinheiten von Hasenhüttl so oft zu, wie es nur geht. Mitunter sitzt der Vordenker auf einem Holztisch am Platzrand und lugt einfach aus einem Fenster. Der neue Trainer muss mit dem Überwachungsmodus leben.
Rangnick geht es mehr denn je ums große Ganze. Am Freitag bestätigte er, dass der belgische Verband ihn als Nationaltrainer verpflichten wollte, er die Anfrage aber abgelehnt habe. Denn er hat in Leipzig noch was vor. Der ohnehin in weiten Teilen erstligataugliche Kader wurde verstärkt. Die Leipziger haben fast 28 Millionen Euro in die Hand genommen, um mit Naby Keita, Benno Schmitz (beide aus Salzburg), Timo Werner (Stuttgart) oder Torwart Marius Müller (Kaiserslautern) für alle Mannschaftsteile hoffnungsvolle Kräfte zu holen.
Die Strategie ist klar: Firmenbesitzer Dietrich Mateschitz möchte im Osten Deutschlands ein internationales Aushängeschild verankern, nachdem am erklärten Lieblingsstandort Salzburg alle Versuche grandios scheiterten, den dortigen Klub auch nur einmal in die Champions League zu bringen. Rangnick bekommt keine Tobsuchtsanfälle, wenn er mit solchen Ambitionen konfrontiert wird. Er sagt: „Europa im dritten Jahr wäre nicht völlig utopisch.”
Die rund 40 Millionen Euro teure Nachwuchsakademie, die 150 festangestellten Mitarbeiter oder die Pläne, ein neues, 70 000 Zuschauer fassendes Stadion zu errichten, obwohl die zur WM 2006 errichtete Arena 42 559 Plätze bietet, verdeutlichen, worum es geht: einen gewichtigen Player in der Bundesliga nachhaltig zu installieren. Dafür gibt es wohl kaum einen besseren Projektleiter als Ralf Rangnick.
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