In Bremen ist der Unmut über die Nordwestbahn mittlerweile so groß, dass die Vorstände des zweitgrößten deutschen Eisenbahn- und Busunternehmens Transdev an diesem Donnerstag zum Krisengespräch mit Maike Schaefer, der neuen Bremer Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau, kommen. „Das Angebot der Nordwestbahn ist aktuell inakzeptabel, da muss dringend nachgebessert werden“, sagt Schaefers Sprecher Jens Tittmann im Gespräch mit dem DELMENHORSTER KURIER. Ab diesem Wochenende trifft das Problem auch Delmenhorst und den Landkreis Oldenburg. Die Nordwestbahn (NWB) muss ihr Angebot ausdünnen.
In einer Pressemitteilung nennt die NWB das Ausdünnen der Zugverbindungen unter anderem zwischen Bremen und Wilhelmshaven „Stabilisierung der Zugverkehre“. Das große Problem: Es fehlen Zugführer, im korrekten Bahnerdeutsch „Triebfahrzeugführer“ genannt. „Im Weser-Ems-Netz sind es circa fünf Prozent, die uns fehlen“, sagt Steffen Högemann, Sprecher der NWB. Doch das Unternehmen bilde gerade Triebfahrzeugführer aus, die absehbar fertig werden würden. Das Osnabrücker Unternehmen rechnet damit, „voraussichtlich ab April 2020“ wieder den vollen Service auf die Schiene zu bringen. „Um mit der geringeren Anzahl an Triebfahrzeugführern dennoch einen zuverlässigen Verkehr anbieten zu können, ist es notwendig, einige Verbindungen an den Wochenenden vorübergehend aus dem Fahrplan zu nehmen.“
Niedersachsen verhängt Strafen
Doch nicht nur in Bremen ist man im Verkehrsressort alles andere als amüsiert über die aktuelle Situation. Auch bei der in Niedersachsen für das Thema zuständigen Landesnahverkehrsgesellschaft (LNVG) betrachtet man die aktuelle Situation kritisch. „Allerdings ist die jetzige Regelung als Notlösung besser, als wenn immer wieder kurzfristig Züge ausfallen. So können sich die Fahrgäste wenigstens auf die Situation einstellen“, sagt Dirk Altwig, Sprecher der LNVG. Im vergangenen Jahr führte die NWB die Ausfallstatistik der LNVG mit deutlichem Abstand vor der DB Regio an. Wobei in Hannover auf die massiven Zugausfälle reagiert wurde, Geld, das der NWB eigentlich überwiesen werden sollte, wurde einbehalten. „Wir haben solche Pönale gegen die Nordwestbahn verhängt. Im vergangenen Jahr waren es 730 000 Euro, in diesem Jahr zwischen Januar und Mai bereits 410 000 Euro“, erklärt Altwig. Aber auch woanders kämpft die NWB mit ihrem Personalmangel: Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr in Nordrhein-Westfalen hat das Osnabrücker Privatunternehmen wegen seiner Unzuverlässigkeit bereits abgemahnt.
Der Fachkräftemangel im Führerstand der Züge ist nicht neu, alle Unternehmen kämpfen damit, selbst der Branchenriese Deutsche Bahn. Wobei das Bundesunternehmen auch Teil des Problems sei, zumindest die DB Cargo und die DB Fernverkehr. Die beiden haben sich auch nicht an einem Abkommen der Eisenbahnverkehrsunternehmen in Niedersachsen beteiligt, im Gegensatz zur DB Regio. Der Inhalt: Die Firmen werben sich nicht gegeneinander die Leute ab. „Die NWB sieht das Abkommen als einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Allerdings braucht diese Vereinbarung Zeit, bis sie Früchte trägt.“
In der Vorwoche hat sich das niedersächsische Wirtschaftsministerium des Themas angenommen. Es prüft, wie Eisenbahnverkehrsunternehmen bei der Ausbildung und Qualifizierung von Lokführern sowie der Ansprache potenzieller Quereinsteiger aus dem In- und Ausland besser unterstützt werden können. Die hohe Zahl der – auch ungeplanten – Zugausfälle und Verspätungen in den ersten fünf Monaten dieses Jahres sei besorgniserregend, hieß es in einer Mitteilung. In 42 Prozent der Fälle waren fehlende Lokführer die Ursache. „Das ist ein Zustand, den wir so nicht weiter akzeptieren können“, sagte Minister Bernd Althusmann (CDU). Er stellte jedoch klar: „Ausbildung und Qualifizierung, Gewinnung und Bindung von ausreichend Personal ist Hauptaufgabe der Eisenbahnunternehmen und ihrer Geschäftsführungen. Wir werden prüfen, ob wir auch mit Mitteln der Arbeits- und Beschäftigungsförderung stärkere Anreize setzen können, aber wir werden nicht vor strengen Sanktionen zurückschrecken, wenn die Bahnunternehmen die vereinbarten Leistungen nicht zuverlässig erbringen.“
Doch es hat wohl in der Vergangenheit nicht nur an der Ausbildung gehangen, es gab auch tarifliche Einflüsse, die sich bemerkbar gemacht haben. „So gab es im letzten Abschluss eine Regelung, dass sich die Beschäftigten aussuchen können, ob sie mehr Gehalt oder mehr Urlaub wollen. 90 Prozent haben sich für mehr Urlaub entschieden“, sagt Steffen Högemann von der NWB. Auch neue Ruhezeitenreglungen hätten die Situation verschärft. So sehr, dass es am Sonnabend, 7. September, zu diesen Änderungen kommt:
RE 19 Wilhelmshaven – Bremen: Der RE 19 wird auf der ganzen Strecke zwischen Wilhelmshaven und Bremen am Wochenende ausgesetzt. Zwischen Wilhelmshaven und Oldenburg wird ein Schienenersatzverkehr fahren. Zwischen Oldenburg und Bremen werden die Fahrgäste gebeten, die RS 3 der Regio-S-Bahn zu nutzen.
RB 58 Osnabrück – Bremen: Auf dem Streckenabschnitt zwischen Delmenhorst und Bremen werden die Fahrgäste gebeten, die RS 3 beziehungsweise die RS 4 des Regio-S-Bahn-Netzes zu nutzen. Alle Züge der RB 58 enden und starten am Wochenende folglich in Delmenhorst. Durch das Umsteigen in Delmenhorst verlängert sich die Reisezeit von und nach Bremen um sechs bis zwölf Minuten. Die Fahrt in der Nacht von Sonnabend auf Sonntag um 0.22 Uhr ab Bremen wird auf dem gesamten Weg zwischen Bremen und Lohne nicht fahren. Für diese Verbindung sollen die Fahrgäste die RS 3 beziehungsweise die RS 4 bis Delmenhorst nutzen, weiter geht es dann mit dem Schienenersatzverkehr bis Lohne. Der Zug um 20.26 Uhr ab Osnabrück kann dagegen sonntags wie gewohnt bis Bremen durchfahren.
RE 18 Osnabrück – Oldenburg: In der Nacht von Sonnabend auf Sonntag wird die Fahrt um 23.59 Uhr ab Oldenburg bis Cloppenburg durch einen Schienenersatzverkehr bedient.
Auch an Feiertagen unter der Woche gelten besondere Fahrpläne, teilt die NWB mit. Dabei geht es konkret um den 3. und den 31. Oktober. An diesen beiden Tagen werden RE 19 und RB 58 nach dem regulären Sonntagsfahrplan verkehren, lediglich die Spätfahrt der RB 58 in der Nacht zum Feiertag um 0.22 Uhr ab Bremen wird entfallen. Fahrgäste bis Delmenhorst nutzen bitte die RS 3 oder RS 4. Ab Delmenhorst verkehrt ein Schienenersatzverkehr bis Lohne.