An diesem Montag, 3. August, hätte für viele Schulabgänger eigentlich der Start in einen neuen Lebensabschnitt beginnen sollen. Im August startet traditionell das neue Ausbildungsjahr. Doch 2020 ist das anders. „Die Unternehmen hinken mit ihren Entscheidungen rund sechs bis acht Wochen hinterher“, sagt Karin Kayser, Leiterin der Agentur für Arbeit in Delmenhorst. Grund ist die Corona-Pandemie. Deswegen sagt sie auch: „Es gibt noch viele freie Stellen. Wer noch sucht, sollte seinen Kopf jetzt auf gar keinen Fall in den Sand stecken.“
Laut den Zahlen in der offiziellen Statistik waren von den im Oktober des Vorjahres gemeldeten 324 Ausbildungsstellen 137 Ende Juli immer noch nicht besetzt, zeitgleich haben 335 Bewerber immer noch eine Stelle gesucht. Im Vergleich mit dem Juli 2019 zeigt sich, wie gravierend die Unterschiede vor und mit Corona sind: Denn aktuell suchen 22,3 Prozent mehr Jugendliche als im Vorjahr noch eine Ausbildungsstelle, und fast 27 Prozent mehr Stellen sind immer noch unbesetzt. Dass es so ist, liegt laut Karin Kayser einmal an der Zurückhaltung einiger Betriebe. Denn niemand weiß, wie sich die wirtschaftliche Situation im Herbst entwickeln wird. Als Gegenmaßnahme hat der Bund bereits eine Ausbildungsprämie für kleine und mittlere Betriebe ins Leben gerufen: Sie sollen unterstützt werden, wenn sie im selben oder sogar größerem Umfang als bisher ausbilden.
Doch die Zurückhaltung ist allgegenwärtig. Die Oldenburgische Industrie- und Handelskammer (IHK) konstatiert zum Beginn des Ausbildungsjahres 2020 ein Minus von 14,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr bei den Ausbildungsverträgen. Neben Corona macht sich an der Stelle noch etwas anderes bemerkbar: Es gibt an den allgemeinbildenden Gymnasien wegen der Umstellung des Abiturs von zwölf auf 13 Schuljahren aktuell keine frischen Abiturienten. Auch wenn ein Großteil dieser Schüler im Anschluss studiert, fehlen dem Arbeitsmarkt somit auch zahlreiche junge Leute. Auch die Handwerkskammer Oldenburg nennt Zahlen in ähnlicher Größenordnung: 11,7 Prozent weniger Ausbildungsverträge wurden dort verzeichnet.
„Ein weiterer Faktor ist, dass vor einer Ausbildung im Vorfeld Praktika absolviert werden, um herauszufinden, ob eine Ausbildungsplatz wirklich den Vorstellungen entspricht“, erzählt Karin Kayser. Das fiel in diesem Jahr wegen Corona flach. Wer noch sucht, soll sich nicht scheuen und direkt Kontakt zu Unternehmen aufnehmen und dort zumindest hospitieren, sagt sie. Über dieses direkte Kennenlernen bahnen sich oft viel leichter Ausbildungsverhältnisse als über eine simple Bewerbung an, weil das persönliche Miteinander oft aussagekräftiger als ein Schulzeugnis ist. Und die Auswahl der freien Stellen ist riesig, 62 unterschiedliche Ausbildungsberufe von A wie Anlagenmechaniker Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik bis Z wie Zimmerer stehen noch zur Auswahl. Selbst sonst beliebte Stellen wie Kfz-Mechatroniker oder Industriekaufmann stehen auf der Liste, auch eher seltene Berufe wie Landwirt, Oberflächenbeschichter oder Packmitteltechnologe.
Sven Jochims, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Delmenhorst/Oldenburg-Land, weist darauf hin, dass in diesem Jahr der Zug noch lange nicht abgefahren ist. „Viele Betriebe starten die Ausbildung sowieso erst zum 1. September, weil die Ferien auch bis Ende August dauern.“ Und sicherlich sei es auch vorstellbar, dass mitunter eine Ausbildung erst zum 1. Oktober beginne. „Danach dürfte es aber schwierig werden, weil sonst der Stoff in der Berufsschule auch nur schwer aufzuholen sein dürfte“, sagt er.
Zukunft auf dem Silbertablett
Während just das neue Ausbildungsjahr beginnt, haben 55 Auszubildende im Handwerk vor Kurzem ihre Gesellenbriefe erhalten. Allerdings musste der festliche Rahmen im Kleinen Haus dieses Mal wegen Corona ausfallen. Stattdessen gab es die Abschlussfeier in kleinen Gruppen in der Aula der Berufsbildenden Schulen II – über den gesamten Tag gestreckt. Die Übergabe der Gesellenbriefe erfolgte auf einem silbernen Tablett. Das war nicht nur gelebte Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln, sondern hatte auch symbolischen Wert, betont Sven Jochims. „Wir überreichen Ihnen Ihre Zukunft auf einem silbernen Tablett“, bekamen die ehemaligen Lehrlinge bei der Brief-Übergabe zu hören.
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