Bäckermeister Wilhelm Haferkamp ist sauer und beklagt eine massive Förderlücke im November-Hilfspaket der Bundesregierung: „Ein gemeinschaftliches Problem muss auch finanziell gemeinschaftlich getragen werden.“ Diese Sichtweise fehle aber in der gegenwärtigen Betrachtung der Corona-Folgen. Bäckereien, die Filialen mit Cafés betreiben, sollen – anders als Restaurants, Pizzerien oder Imbissbetriebe – nicht für den zweiten Lockdown entschädigt werden. Als Mischunternehmen seien sie nicht von einer Schließung des gesamten Geschäftsbetriebs betroffen. Sie könnten ihren Thekenverkauf fortsetzen, heißt es nach Angaben der Allgemeinen-Bäcker-Zeitung aus dem Bundeswirtschaftsministerium.
Für viele Bäcker ist das Café- und Snackgeschäft ein wichtiges Standbein geworden, das nun erneut vollständig wegbricht. Umsatzeinbußen müssen je nach Betriebskonzept in Kauf genommen werden. Haferkamp beziffert den Verlust für seine Handwerksbäckerei auf 30 Prozent. Als Obermeister der Bäckerinnung in Delmenhorst weiß er aber von Kollegen, die jetzt mit Umsatzverlusten in Höhe von bis zu 70 Prozent kalkulieren müssen. „Das ist ungerecht“, sagt Haferkamp, er spricht gar von einer „entschädigungslosen Enteignung“. Auch der weiter gestattete Thekenverkauf leide am Ausbleiben der Café-Besucher. Und die Innenstädte leiden mit, denn wenn es keine Chance mehr auf eine Rast bei Kaffee und Kuchen gebe, bliebe die Kundschaft zu Hause – „und bestellt im Onlinehandel“, sagt Haferkamp.
Die Corona-Krise dürfe nicht allein von einzelnen Branchen bewältigt werden. „Während die einen ihre Gewinne um 20 Prozent hochfahren, ich denke da an Amazon, gibt es andere, die 100 Prozent verlieren.“ Haferkamp fürchtet ein böses Erwachen im Frühjahr, er warnt vor einer Verödung der Innenstädte, wenn es zu massenhaften Geschäftsschließungen kommen könne. Wenn es nicht gelinge, die Kosten der Pandemie gleichmäßig auf alle zu verteilen, würde man vor allem inhabergeführte Läden in den Ruin treiben. Den jetzigen Lockdown kritisiert Haferkamp, weil die Bereiche, die schließen müssen, willkürlich benannt wurden.
Die vergangenen Monate hätten gezeigt, dass von Bäckereicafés keine erhöhte Infektionsgefahr ausgehe, sagt Michael Wippler, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerverbands. Statt nach der Rasenmäher-Methode vorzugehen und alle gastronomischen Einrichtungen zu schließen, hätte man sich stärker auf die für das Infektionsgeschehen verantwortlichen neuralgischen Punkte konzentrieren sollen. Der Verband werde prüfen, ob ein gerichtliches Vorgehen sinnvoll und möglich erscheine.
Pandemie hat Spätfolgen
Wilhelm Haferkamp hat schon Kontakt in die Politik gesucht und intensive Gespräche mit regionalen Mitgliedern des Deutschen Bundestages geführt. „Die bekommen ihre Bezüge ja auch weiterhin zu 100 Prozent, ohne Corona-Abschläge“, sagt er. „Bei Astrid Grotelüschen und auch bei Andreas Mattfeldt (beide CDU) habe ich viel Verständnis erreicht“, sagt Haferkamp. Der Bäckermeister unterhält selbst 45 Filialen in Delmenhorst, Bremen, Bremerhaven und im Landkreis Verden. Seine rund 380 Beschäftigten musste er in den verschiedenen Phasen der Pandemie wiederholt in Kurzarbeit schicken. „Nach dem vorigen Lockdown im Frühjahr und der Mehrwertsteuerabsenkung haben wir an die Belegschaft eine Corona-Prämie ausgezahlt“, sagt Haferkamp. Diese Sonderzahlung muss er nun streichen.
Auch die Spätfolgen der Pandemie hat er schon mit den beiden ihm bekannten Parlamentariern erörtert: Fürs nächste Jahr sieht er sein Unternehmen mit Umsatzeinbußen von fünf bis zehn Prozent konfrontiert, dann solle es auch gesetzliche Initiativen geben, diesen Ausnahmezeitraum aus den Ratings herauszurechnen, die für die Bonität von Betrieben entscheidend sind. Donnerstag eröffnet Haferkamp übrigens ein weiteres Bäckerei-Café, im Rahmen der Wiedereröffnung von Inkoop an der Schönemoorder Straße. Der Café-Bereich bleibt selbstverständlich bis auf Weiteres geschlossen.