Selbst die zerstrittensten Familien würden sich auf dem Friedhof nicht so verhalten, wie es in der Corona-Krise trauernden Angehörigen selbst harmonischster Familien auferlegt wird. „Normalerweise geht die Trauergemeinde im Pulk zum Grab, man rückt zusammen, nimmt sich an die Hand, umarmt sich. Jetzt wirkt es wirklich sehr skurril, wenn die Menschen, die eigentlich füreinander da sein möchten, mit einem Abstand von zwei Metern über den Friedhof gehen. Die Atmosphäre bei den Beisetzungen hat sich sehr verändert“, erzählt Thomas Cordes, Inhaber von Cordes Bestattungen.
Es ist nicht der wirtschaftliche Aspekt, der Cordes zu schaffen macht. „Natürlich sind wir Bestatter auch Geschäftsleute und uns fehlen auch Einnahmen, weil wir zurzeit gewisse Dienstleistungen einfach nicht anbieten dürfen und auch nicht nachholen können“, sagt er. „Aber das ist Jammern auf sehr hohem Niveau. Andere müssen ihre Geschäfte zuschließen und haben null Einnahmen“, fügt er hinzu. Und darum geht es dem Senior von Cordes Bestattungen auch gar nicht. Man hört förmlich, wie ihm das Herz schwer wird, wenn er über den zwischenmenschlichen Aspekt in der Corona-Krise spricht. „Der Abstand zwischen den Menschen ist das Schlimmste. Es fällt nicht immer leicht, ihn einzuhalten“, sagt er und ergänzt: „Wenn man einem Trauernden gegenübersteht, möchte man seine Hand drücken, wenn man ihm sein Beileid ausdrückt – oder ihn sogar umarmen. Aber das darf nicht sein. Und das, obwohl viele gerade in so einer schwierigen Situation ein wenig Zuneigung brauchen.“ Manche Menschen würden auch hin und wieder den Status quo vergessen und Cordes die Hand reichen. „Diese Menschen dann zurückweisen zu müssen, ist fürchterlich“, sagt er.
Strenge Vorschriften
Auch für die Beratungsgespräche gelten strenge Vorschriften. Um den vorgeschriebenen Abstand zu wahren, dürfen maximal zwei Personen ins Büro kommen. „Es kommt schon vor, dass dann doch drei vor der Tür stehen, weil der Verstorbene beispielsweise eine Frau und zwei Kinder hinterlassen hat. Ich kann das verstehen: Wer will da entscheiden, wer mit hinein darf? Aber ich muss da streng sein – und fühle mich dann sehr kaltherzig“, berichtet Cordes. Oft komme das glücklicherweise nicht vor: „Die meisten halten sich an die Vorgaben.“
Im Umgang mit den Verstorbenen selbst habe sich für die Bestatter nicht sehr viel geändert. „Hausüberführungen machen wir noch ohne Mundschutz. Nur in Seniorenheime gehen wir mit Gesichtsmaske, um sicher zu gehen, dort nichts hineinzuschleppen“, erklärt Cordes. Handschuhe seien sowieso Pflicht und gehörten immer zu den Hygienestandards eines Bestatters. „Wir betrachten erst einmal jeden Verstorbenen als infektiös. Es gibt ja auch noch andere Krankheiten als Corona. In 99 Prozent der Fälle liegt gar keine Infektion vor, aber man weiß ja nie“, sagt der Bestatter.
Er weiß, wovon er spricht, denn er hat seine Erfahrungen gemacht. Einen mit Corona infizierten Verstorbenen hat er beigesetzt – und wusste es nicht. „Vom Krankenhaus hatten wir keine Info bekommen. Wir haben es erst aus der Presse erfahren“, sagt er. Inzwischen müsse eine Corona-Infektion auf der Todesbescheinigung vermerkt werden. „Dann können wir auch in Sachen Hygiene noch eine Schippe drauf legen. Dann tragen wir natürlich Mundschutz und Schürze und desinfizieren hinterher alles“, erklärt Cordes. Offene Aufbahrungen sind im Falle einer Corona-Infektion verboten. „Der Sarg bleibt dann zu und wird mit einem Schild gekennzeichnet“, erzählt Cordes. Auch unter den maximal zehn zugelassenen Trauernden bei der Beisetzung dürfen keine Menschen mit Krankheitserscheinungen teilnehmen.

Zeremonie im Freien statt Trauerfeier in der Kapelle: Die Atmosphäre bei den Beisetzungen hat sich verändert.
„Es ist schon verrückt: Wir haben immer dafür gekämpft, dass jeder Verstorbene würdig und im Beisein seiner Angehörigen beerdigt wird. Und nun müssen wir fast für das Gegenteil sorgen, indem zum Beispiel die Beisetzungstermine gar nicht mehr veröffentlicht werden“, sagt Cordes. Um wenigstens die Würde aufrecht zu erhalten, würden sich viele Hinterbliebene bemühen, das Zeremoniell, das ausschließlich im Freien stattfindet, so schön wie möglich zu gestalten. „Trauerreden – egal, für wie wenige Angehörige – und Musik gibt es weiterhin“, sagt Cordes.
Der Bundesverband Deutscher Bestatter (BDB) rät dazu, aus der aktuellen Situation das beste zu machen. Weil das aktive Abschiednehmen für Trauernde sehr wichtig sei, sollten Bestatter über alternative Lösungen zur klassischen Trauerfeier nachdenken. Zum Beispiel könne die Beisetzung zunächst im kleinsten Kreis vollzogen werden. Eine große Trauerfeier könne später nachgeholt werden. Darauf könne man schon in der Traueranzeige aufmerksam machen. Ein zweiter Vorschlag des BDB ist eine Online-Übertragung, um möglichst viele Hinterbliebene teilhaben zu lassen. Man könne aber auch die Bestattung filmen und das Video später bei der Trauerfeier vorführen.