Studie zeigt, dass Heranwachsende in der Stadt sehr jung sind, wenn sie zum ersten Mal Alkohol, Tabak oder Cannabis konsumieren Delmenhorster Jugendliche beginnen früh zu trinken

Die Jugendlichen in Delmenhorst trinken, rauchen und kiffen früher als ihre Altersgenossen in Deutschland. Das ergab die Untersuchung "Riskanter Konsum von Jugendlichen", die bereits zum zweiten Mal nach 2008 in Delmenhorst an allen Schulen durchgeführt wurde. Die Ergebnisse zeigen, wo die Präventionsarbeit der Stadt gezielt ansetzen muss.
06.04.2013, 05:00 Uhr
Lesedauer: 4 Min
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Von Andreas D. Becker

Die Jugendlichen in Delmenhorst trinken, rauchen und kiffen früher als ihre Altersgenossen in Deutschland. Das ergab die Untersuchung "Riskanter Konsum von Jugendlichen", die bereits zum zweiten Mal nach 2008 in Delmenhorst an allen Schulen durchgeführt wurde. Die Ergebnisse zeigen, wo die Präventionsarbeit der Stadt gezielt ansetzen muss.

Delmenhorst. Eine Badewanne voll alkoholischer Getränke trinkt jeder Deutsche im Jahr. Das steht zumindest im "Jahrbuch Sucht 2013", das die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen gerade veröffentlicht hat. Und die niedersächsische Landesregierung denkt darüber nach, die Eigenbedarfsgrenze von Cannabis zu erhöhen: Die Menge, die man straffrei besitzen darf, soll also größer werden. Ein guter Rahmen für das Aktionsbündnis "Riskanter Konsum in Delmenhorst", um die detaillierte Studie "Riskanter Konsum von Jugendlichen: Ein Thema in Kommunen. Ergebnisse der 2. Delmenhorster Schülerstudie zum Alkohol-, Tabak- und PC-Konsum" vorzustellen. Dafür wurden 1715 Schüler im Alter von zwölf bis 17 Jahren an allen allgemeinbildenden Schulen der Stadt befragt.

Dabei zeigte sich: Im Vergleich zu Jugendlichen in Deutschland trinken und rauchen die Delmenhorster Jugendlichen nicht nur früher, sie konsumieren auch Cannabis früher. "Wir hatten schon bei der ersten Studie 2008 Hinweise, dass das Einstiegsalter in Delmenhorst niedriger als im Bundesdurchschnitt ist", sagte Professor Knut Tielking vom Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit der Hochschule Emden-Leer, der die Studie begleitet und ausgewertet hat. "Die Zahlen des schädlichen Alkoholkonsums, also des Rauschtrinkens, liegen sogar deutlich über dem Bundesdurchschnitt." Allerdings hat sich seit 2008 auch etwas verändert: Die Zahl der Delmenhorster Frühanfänger ist zurückgegangen. Ein kleiner Erfolg. Immerhin.

"Diese Zahlen sind für uns auch die Basis, dass wir weiterhin in den sechsten Klassen unser Projekt ,drop+hop’ durchführen", sagt Henning Fietz, bei der Anonymen Drogenberatung (drob) für die Alkoholprävention zuständig. Dafür ernten die Präventionsarbeiter durchaus auch Kritik von Eltern, die finden, dass sich ihre Kinder mit zehn oder elf Jahren noch nicht mit dem Thema Zigaretten und Alkohol beschäftigen sollten. Wenn man aber sieht, dass in Delmenhorst Kinder durchschnittlich mit 13,1 Jahren das erste Mal Alkohol trinken (im Bundesdurchschnitt sind sie 14,5 Jahre alt), mit 14,3 Jahren das erste Mal betrunken sind (15,9), ihre erste Zigarette mit 12,8 Jahren rauchen (14,4) und mit 14,4 Jahren das erste Mal am Joint ziehen (16,7), scheinen die Schüler der sechsten Klassen das perfekte Zielpublikum zu sein. "Auch wenn sie in dem Alter alle eine ablehnende Haltung zu Alkohol und Zigaretten haben", sagt Fietz.

Eine Stärke der detaillierten Delmenhorster Untersuchung sei die genaue Erfassung der Hintergründe, sagt Professor Tielking. So zeigte die Studie, dass Haupt- und Förderschüler besonders häufig Cannabis konsumieren; jeder fünfte Haupt- und Realschüler rauche regelmäßig; Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund tendieren eher zu einer problematischen PC-Nutzung. Dieses genaue Wissen hilft den Präventionsarbeitern, mit ihren begrenzten Ressourcen möglichst passgenau vorzugehen "Und es zeigt sich, dass der Ansatz, nicht punktuell zu arbeiten, sondern Maßnahmen entwicklungsbegleitend wie in Delmenhorst durchzuführen, richtig ist", lobte Tielking die Delmenhorster. Sowieso werde die Stadt wegen der Studie auch von anderen Kommunen wahrgenommen, viele wollen auch so ein regionales Monitoring erarbeiten, um zu sehen, wo die Probleme exakt liegen.

In Delmenhorst ist es vor allem das Rauschtrinken, das aufhorchen lässt. Acht Prozent der Jugendlichen gaben an, sich mindestens ein Mal in der Woche zu betrinken, das sind doppelt so viele Jugendliche wie im Bundesdurchschnitt. Fast jeder Fünfte kreuzte an, dass er im Monat vor der Befragung mindestens ein Mal betrunken gewesen war. Und sieben Prozent derjenigen, die schon einmal mehr als nur einen Schluck Alkohol getrunken haben, trinken mindestens einmal wöchentlich so viel, bis sie total betrunken seien.

An der Stelle setzt Fietz mit einer Sekundärprävention in den achten Klassen an, also zu einem Zeitpunkt, an dem fast alle Schüler schon mal Alkohol getrunken haben und eventuell auch schon mal betrunken waren. "Da geht es um die Vermittlung von Partykompetenz", sagt er. Also darum, dass die Jugendlichen auf ihre Freunde ein Auge werfen. Und sie werden mit ihrem eigenen Verhalten konfrontiert. Denn dass Alkohol und Zigaretten alles andere als gesund sind, muss Fietz nicht mehr erzählen, das wissen die Schüler recht gut, sagt er. Was sie aber nicht davon abhält, Rauschmittel zu sich zu nehmen. Eher im Gegenteil. Sie trinken Alkohol, weil es ihnen schmeckt und weil er locker macht, geben die Jugendlichen zu, Weggehen und Alkohol gehören für 42 Prozent der Befragten einfach zusammen.

"Die Jugendlichen nervt es aber zum Beispiel, wenn einer in der Gruppe ständig betrunken ist und nach Hause gebracht werden muss", erzählt Fietz. Er versucht also eher darüber zu reden, dass ein Vollrausch, wodurch auch immer ausgelöst, viele unschöne Seiten hat, nicht nur soziale. Er warnt davor, dass jemand sexuell gefügig gemacht werden kann, wenn er abgefüllt wird. Und er redet mit den Schülern über Alkohol und Gewalt.

Neu an der jetzigen Untersuchung waren einige Fragen zur Computernutzung. Zwar sind klare Kriterien für eine Internet-Sucht oder Ähnliches schwer zu definieren, aber es zeigte sich doch, dass einige Schüler ein so auffälliges Nutzungsverhalten an den Tag legen, dass die Prävention in dem Bereich verstärkt ansetzen muss. So gaben acht Prozent der Schüler an, dass sie vor den Anforderungen der realen Welt Angst haben und nur beim Spielen oder Surfen am Computer Spaß empfinden. Sitzen sie nicht vor dem PC, sind sie lustlos. Ebenfalls acht Prozent der Jugendlichen pflegen ihre Kontakte vor allem deswegen am liebsten online, weil sie nur ungern mit Menschen sprechen, die sie sehen und anfassen können. Auffälliges Verhalten ist auch, wenn die Jugendlichen nervös werden oder gereizt und aggressiv reagieren, wenn sie nicht mehr am PC sitzen dürfen. Solche Reaktionen kannte fast jeder Zehnte von sich selbst.

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