Heute sagt man wohl Job, früher hieß es Beruf. Und es gibt ihn heute noch, den Beruf, der keinen Ruhestand kennt, weil er eine Berufung ist. Der Dötlinger Günter Berger gehört zu denen, die auch im hohen Alter nicht von ihrer Berufung lassen können.
Berger war von 1955 bis 1976 Organist und Chorleiter an St. Marien in Delmenhorst. Dazu war er Dozent am Bremer Konservatorium und dann Professor für Orgelliteratur und Improvisation an der Hochschule für gestaltende Kunst und Musik in Bremen. Und er hat komponiert. Mit riesigem Erfolg, der in seinem Fall sogar messbar ist.
So hat er seit 1991 nicht weniger als 23 Kompositionspreise bekommen, er heimst sie gleichsam im Jahrestakt ein. Sein umfangreiches kompositorisches Schaffen ruft also ein reges Echo hervor, wobei Berger das Jahr 1991 wohl als Anfang seiner Preis-Karriere ansieht, die mit einem ersten Preis für seine „Johannes-Passion" bei einem Wettbewerb in Neuss begann. Markante Preise waren 1998 ein „1. Kompositionspreis" zusätzlich mit einem Sonderpreis für die Kantate „Sieben Sequenzen pazifistischer Botschaften“ anlässlich „350 Jahre Westfälischer Frieden“ in Osnabrück. Oder 2008 ein „1. Kompositionspreis" beim Düsseldorfer Orgelfestival für „Echos et Couleurs“, einem Werk für Saxofon und Orgel.
Nicht ratlos verschrecken
Seinen jüngsten Preis (2018) erhielt der fast 90-jährige Günter Berger (geboren 1929 im polnischen Oppeln) für sein Werk „Symphonischer Klangteppich“. Ausgeschrieben war der Preis von der Berliner Kulturagentur „Psophos“ und dem Berliner Lietzeorchester, das auch die Jury aus seinen Reihen stellt. Seit 2012 findet der internationale sogenannte „Kompolize“-Wettbewerb zweimal jährlich statt. Die Uraufführung des Werkes wird im Februar 2019 in Berlin sein. Günter Berger sieht sich als Komponist, nicht als Teil der radikalen Avantgarde. Er will seine Hörer „mitnehmen“ und nicht „ratlos verschreckt“ zurücklassen. Stilistisch beeinflusst sieht er sich vor allem von Olivier Messiaen und Bela Bartok. So werden sich ältere Besucher seiner Orgelabende an seine Vorliebe für den französischen Expressionismus erinnern, für deren Klangsinnlichkeit er auch „seine Orgel“ disponierte. Günter Berger gehörte zu den ersten, die Musik Bartoks für die Orgel transponierten.
Sein Werk namens „Sinfonischer Klangteppich“ beschreibt Günter Berger, der in Dötlingen lebt, synästhetisch. „Augen und Ohren sind verbandelt. Geschlossene Augen werden hörend, Ohren werden sehend“, erklärt Berger. Wer Klänge so mit allen Sinnen aufnimmt, „sieht vielleicht farbige Kirchenfenster im Sonnenschein“, hört Dissonanzen als „vielfältige Farbmischungen“. Er braucht schönbergsche Quartschichtungen oder messiaensche Akkorde im zweiten oder dritten Modus nicht mit dem Intellekt zu suchen, muss nicht Zwölftönigkeit erkennen. All das ist zwar vorhanden, muss aber dem Hörer nicht bewusst werden. Er soll Farben hören und vor seinen Augen imaginär auch sehen.
Diese grundsätzliche Klangsinnlichkeit ist prägend für Günter Bergers Oeuvre, in dessen Mittelpunkt immer auch die Frage „nach Glauben und Lebenswirklichkeit“ stand. Für Berger hat die zeitgenössische Musik wie Kunst überhaupt „die Aufgabe, wach zu rütteln für Gerechtigkeit, Frieden, Freiheit, wahrhaftiges Leben und Stille.“
Das nächste Werk ist in Bergers Haus in der Abgeschiedenheit des Dötlinger Waldes sicher schon im Entstehen. Und wenn sich denn die Möglichkeit ergibt, wird es vielleicht auch wieder preiswürdig.
Jetzt sichern: Wir schenken Ihnen 1 Monat WK+!