Die Ausstellung „Ordnung und Vernichtung“ soll dazu beitragen, dass sich Menschen mit der Rolle der Polizei im NS-Staat auseinandersetzen, zugleich soll sie aber auch einen Bezug zum heutigen Demokratieverständnis und zur Polizei im demokratischen Rechtsstaat herstellen.
Die Polizei, dein Freund und Helfer. So soll es sein. So war es beileibe nicht immer. Das belegt eindrucksvoll die Wanderausstellung „Ordnung und Vernichtung – Die Polizei im NS-Staat“, die Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) gestern im Rathaus eröffnet hat. Die Ausstellung beschäftigt sich mit „dem schwärzesten Kapitel der deutschen Geschichte und der deutschen Polizeigeschichte“, sagte Pistorius. Die Ausstellung macht klar: Die Polizei im nationalsozialistischen Terrorregime von 1933 bis 1945 war ein zentrales Herrschaftsinstrument. Die Nationalsozialisten konnten sich von Beginn an auf die Polizei stützen – auch im Bereich des heutigen Landes Niedersachsen, auch in Delmenhorst und im Landkreis Oldenburg, wie Stellwände zeigen.
Das Besondere an der Ausstellung: Ihr Kern wurde 2011 in einer Kooperation zwischen der Deutschen Hochschule der Polizei und dem Deutschen Historischen Museum erarbeitet. Historiker der Polizeiakademie Niedersachsen haben sie aus der niedersächsischen Perspektive ergänzt.
Es hat sehr lange gedauert, bis die Polizei ihre eigene Rolle im NS-Regime aufgearbeitet hat. Der Anstoß kam erst nach der Jahrtausendwende, über 60 Jahre nach Ende des Dritten Reiches. Die Rolle der Polizei im System der Nazis – und gemeint ist ausdrücklich nicht nur die der Gestapo, sondern das Wirken der ganz gewöhnlichen Polizisten – war lange ein Tabuthema.
Der Polizeihistoriker Dirk Götting, der an der Konzeption der Ausstellung beteiligt ist und der gestern einführende Worte sprach, spiegelte seine Gefühle während der Recherche mit „Bedrücktheit, Unverständnis und Wut“. Beispiele für widerständiges Handeln, für Verweigerung, für Menschlichkeit in der Polizei während der NS-Zeit, die gebe es so gut wie nicht: „Die NS-Polizei war in keinem Bereich gut.“
Die Ausstellung zeigt, wie die Polizei an dem Völkermord beteiligt war, stellt unter anderem Friedrich Jeckeln vor, der vom Polizeipräsidenten Braunschweigs zum Massenmörder in der Ukraine wurde. Mit Hilfe der Polizei setzte das NS-Regime seine politischen und weltanschaulichen Ziele durch. Die Vorstellung einer auf rassistischer Ausgrenzung beruhenden „Volksgemeinschaft“ wurde von vielen Polizisten der NS-Zeit geteilt. Auch Kriminal- und Ordnungspolizei beteiligten sich an Verfolgungen – bis hin zum Völkermord an Juden sowie den Sinti und Roma. Dass viele Polizisten ihre Karriere nach dem Dritten Reich dennoch einfach fortsetzen konnten: auch das thematisiert die Ausstellung, die von der hiesigen Polizeiinspektion gemeinsam mit dem Kriminalpräventiven Rat der Stadt (KPR) ins Rathaus geholt wurde.
Für den Leiter der Polizeiinspektion, Jörn Stilke, ist Delmenhorst der richtige Platz, um die Ausstellung zu zeigen. „Wir haben hier heute eine fest gefügte Wehrhaftigkeit gegen Rechtsextremismus“, sagte er mit Verweis auf den gemeinsamen Kampf gegen Rechts: Stichwort Hotel am Stadtpark. Beim Betrachten der Ausstellung steige einem die Schamesröte ins Gesicht, die Scham dürfe aber den Kampf gegen Rechtsextremismus nicht bremsen. Auch Oberbürgermeister Patrick de La Lanne erinnerte an die Geschlossenheit im Kampf gegen Rechts. „Delmenhorst ist eine Einwandererstadt, wir wollen eine Willkommenskultur leben.“ Die Ausstellung liefere einen wichtigen Beitrag, „die Erinnerung aufrecht zu halten“.
Pedro Becerra, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde, erinnerte in seinem Grußwort daran, dass die Demokratisierung, auch in der Polizei, nach 1945 viele Hindernisse zu überwinden gehabt habe. „Viele braune Polizisten blieben einfach im Dienst“, sagte Becerra. Die Ausstellung sei auch deshalb wichtig, weil sie zeige, „wie sich die Polizei heute mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzt“. Genau diese Auseinandersetzung hob auch Pistorius hervor: „Der demokratische Rechtsstaat, wie wir ihn heute kennen, ist keine Selbstverständlichkeit.“ Man müsse sich immer wieder aufs Neue für ihn einsetzen, aus der Erinnerung lernen und wachsam bleiben. Der Innenminister plädierte auch explizit dafür, den NPD-Verbotsantrag einzuleiten. Und er sagte: „Laut einer Umfrage vertrauen heute 90 Prozent aller Niedersachsen ihrer Polizei.“ Ein Wert, der auch Verpflichtung sei.
Die Wanderausstellung auf dem Rathausflur kann ab Montag bis einschließlich Freitag, 28. Februar, zu den üblichen Öffnungszeiten kostenlos besucht werden. Interessierten werden auch Führungen angeboten. Besuchergruppen können sich dafür bei der Polizei Delmenhorst unter 04221/1559104 oder pressestelle@pi-del.polizei.niedersachsen.de anmelden.