Förderung beginnt erst, wenn Eisen herausgefiltert werden kann / Meinungsverschiedenheit im Aufsichtsrat Graftwasser gefährlich für die Delme

Delmenhorst. Ende kommender Woche wird die Grundwasserförderung in der Graft wahrscheinlich beginnen. Dann könnte die Enteisenungsanlage im Graftwasserwerk wieder einsatzbereit sein, teilte Britta Fengler, Pressesprecherin der Stadtwerke (SWD), gestern auf Anfrage mit. Ohne die Enteisenungsanlage geht es nämlich nicht - der Eisengehalt im Graftgrundwasser ist zu hoch, um es ungereinigt in die Kleine Delme und damit auch die Delme einzuleiten.
24.09.2011, 05:00 Uhr
Lesedauer: 3 Min
Zur Merkliste
Von Andreas D. Becker

Delmenhorst. Ende kommender Woche wird die Grundwasserförderung in der Graft wahrscheinlich beginnen. Dann könnte die Enteisenungsanlage im Graftwasserwerk wieder einsatzbereit sein, teilte Britta Fengler, Pressesprecherin der Stadtwerke (SWD), gestern auf Anfrage mit. Ohne die Enteisenungsanlage geht es nämlich nicht - der Eisengehalt im Graftgrundwasser ist zu hoch, um es ungereinigt in die Kleine Delme und damit auch die Delme einzuleiten.

"Daher haben sich die Stadt und Stadtwerke einvernehmlich dafür ausgesprochen, die Grundwasserförderung mit Inbetriebnahme der Enteisenungsanlage aufzunehmen", erklärte Britta Fengler. Auch die Stadt äußerte sich gestern zur Einleitung des Grundwassers über den Hützelberggraben in die Kleine Delme: "Dabei werden Wassermengen und Einleitungsparameter von der Unteren Wasserbehörde so festgesetzt, dass keine Gefährdung der Gewässerfauna eintritt. Der Fischereiverband wird entsprechend beteiligt." Die Stadt hat gestern die Stadtwerke informiert, dass der Eisengehalt des Grundwassers fünf Milligramm pro Liter nicht übersteigen darf - sonst könnten Tiere und Pflanzen im Fluss sterben. Ein Grenzwert, den das Wasserwerk spielend einhalten sollte, denn für Trinkwasser muss er mit 0,2 Milligramm pro Liter laut Trinkwasserverordnung von 2001 noch deutlich niedriger liegen.

Das Problem mit dem Eisen ist, dass es das voluminöse, gelartige Eisenhydroxid bildet, wenn es in den Fluss gelangen sollte. Das Hydroxid würde sich wie ein rotbrauner Überzug auf alle Tiere, Pflanzen und Sedimente legen. Dadurch kann es passieren, dass Organismen keinen Sauerstoff mehr aufnehmen können, Fischen und anderen Wassertieren droht also der Tod durch Ersticken. Insgesamt reagieren die unterschiedlichen Arten aber sehr individuell auf Eisenhydroxid - die Reaktion ist zudem vom Entwicklungsstadium abhängig. So sind Eier zum Beispiel oft sehr viel empfindlicher als ausgewachsene Tiere.

In Gewässerabschnitten, in denen der Sauerstoffgehalt schon extrem niedrig ist, wie zum Beispiel in Staubereichen, kann es noch zu anderen Reaktionen kommen. Dort kann es passieren, dass sich Teile des oxidierten Eisens aus dem Sediment durch eine chemische Reaktion namens Reduktion herauslösen. Dabei gelangen immer auch Phosphate und Schwermetalle ins Wasser. Die Phosphate sorgen für eine Überdüngung, während es durch die Schwermetalle zu Vergiftungen kommen kann - beides Vorgänge, die für die Gewässerbiologie sehr bedrohlich sein können. Und das trotz der großen Selbstreinigungskräfte von Fließgewässern.

Besprochen wurde dieses Thema nach Informationen des WESER-KURIER bereits am Donnerstagabend, als der Aufsichtsrat der Stadtwerke tagte. Stadtwerke-Chef Hans-Ulrich Salmen berichtete dem Gremium, dass das Graft-Grundwasser einen Eisengehalt von bis zu 60 Milligramm pro Liter haben könnte, also im schlimmsten Fall das zwölffache des von den Behörden im Moment als Verträglichkeitsobergrenze festgelegten Wertes. Wie hinter vorgehaltener Hand zu hören war, soll Salmen geplant haben, auch dieses ungereinigte Rohwasser in die Flüsse einzuleiten. Er verwies darauf, dass er nur die Anweisungen der Unteren Wasserbehörde umsetzen wolle. Und die hatte die "unverzügliche" Wiederinbetriebnahme des Wasserwerks verlangt. Salmen wollte deshalb nicht darauf warten, bis auch die Enteisenungsanlage wieder einsatzbereit ist.

Wegen dieser Haltung scheint es zu Meinungsverschiedenheiten gekommen zu sein, die dazu führten, dass SPD-Mann Detlef Roß, auch Vorsitzender des Fischereivereins Delmenhorst, unter Protest die Sitzung verließ. Die Haltung Salmens sorgte wohl nicht nur bei Roß für Irritationen - die gestern aber offenbar ausgeräumt wurden. Zur Aufsichtsratssitzung heißt es seitens der SWD: "Positiv gewertet wurde, dass sowohl Stadt als auch SWD eine auf die unmittelbare Zukunft ausgerichtete Lösung gefunden haben - insbesondere was den Schutz der Gewässer angeht."

In der Bevölkerung scheint der Unmut über die Graft-Probleme etwas abzunehmen: Bei einer Demonstration, die sich auf dem Schweinemarkt sammelte und zum Marktplatz zog, fanden sich nur knapp 40 Protestierer ein, davon auch einige Politiker. Eva Sassen (Bürgerforum) nahm vor dem Rathaus die Moderation der kleinen Veranstaltung in ihre Hand, obwohl der Zug von der Piratenpartei angemeldet worden war. Sie ermahnte die Bürger, weiterhin Druck zu machen, auch damit diejenigen Graftanrainer, deren Häuser durch das gestiegene Hochwasser beschädigt wurden, nicht allein auf den entstehenden Kosten sitzen bleiben. Zudem forderte sie, die Probleme im austrocknenden Annenheide nicht aus den Augen zu verlieren.

Jetzt sichern: Wir schenken Ihnen 1 Monat WK+!
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Einwilligung und Werberichtlinie

Ich erkläre mich damit einverstanden, dass die von mir angegebenen Daten dazu genutzt werden, regelmäßig per E-Mail redaktionelle Inhalte des WESER-KURIER seitens der Chefredaktion zu erhalten. Die Daten werden nicht an Dritte weitergegeben. Ich kann diese Einwilligung jederzeit formlos mit Wirkung für die Zukunft widerrufen, z.B. per E-Mail an widerruf@weser-kurier.de.
Weitere Informationen nach Art. 13 finden Sie unter https://www.weser-kurier.de/datenschutz

Schließen

Das Beste mit WK+