Zur Frage der Gestaltung eines Familienzentrums an der Fröbelschule gibt es einen Disput zwischen dem zuständigen Fachbereichsleiter Rudolf Mattern und der Arbeiterwohlfahrt (Awo). Die Verwaltung war am Dienstag im Sozialausschuss mit dem Vorschlag gescheitert, am Standort Fröbelschule ein Familienzentrum mit dem Schwerpunkt Beratung einzurichten und auch die Trägerschaft zu übernehmen (wir berichteten).
Bislang war die Awo im Schulgebäude mit ihrem Projekt zur Flüchtlingsbetreuung engagiert. Das Rathaus hatte auf das Auslaufen des entsprechenden Vertrags hingewiesen. Dort vertritt man die Rechtsauffassung, dass ein Weiterbetrieb durch die Awo nicht ohne eine europaweite Ausschreibung erfolgen dürfe. Dagegen beziehen Grazina Urmonas und Andrea Meyer-Garbe als Geschäftsführerin und Vorsitzende der Awo in einem offenen Brief Position. In der Ausschusssitzung sei die „Gretchenfrage“, welche sozialen Aufgaben sich der Stadt und den Freien Wohlfahrtsverbänden eigentlich stellen, schon erörtert worden.
Die Stadt würde bei eigener Wahrnehmung solcher Aufgaben zum Berater und gleichzeitig Bewilliger der sozialen Leistungen werden. Ob das, wie von Mattern im Ausschuss vertreten, tatsächlich „für alle Beteiligten das Beste“ wäre, ziehen Urmonas und Meyer-Garbe in Zweifel.
Im Falle der Ausführung durch die Stadt bedeute dies darüber hinaus, dass gegen das geltende Subsidiaritätsprinzip verstoßen würde. Es bestünde die Gefahr, dass Hilfesuchende keine von der finanziellen Lage der Kommune unabhängige Beratung erhielten. Dem Wohl dieser Menschen aber fühlten sich die Wohlfahrtsverbände verpflichtet. Und die Verbände stünden für bürgerschaftliches Engagement, dies identifiziere sie mit den wahrgenommenen Aufgaben. „Ehrenamtler sorgen für Transparenz und Qualitätssicherung, für wirtschaftliche Betriebsführung, gewährleisten selbstverständlich immer die Prüf- und Revisionsrechte des Kostenträgers“, argumentieren Urmonas und Meyer-Garbe.
Im Falle der europaweiten Ausschreibung könne es geschehen, dass die freien, gemeinnützigen Träger nicht zum Zuge kämen, sondern stattdessen Unternehmen die Ausschreibung gewinnen, die bloß an der eigenen Renditemaximierung interessiert seien. „Die bisher gängige Praxis, dass benötigte soziale Aufgaben und deren Ausführung zwischen den Trägern der Freien Wohlfahrtspflege und der Stadt besprochen werden, um passgenaue Lösungen für die Inanspruchnehmenden zu finden, muss bei Ausschreibungen entfallen, da solche Absprachen den Vergaberichtlinien entgegenstünden, eine Anbindung und Vernetzung mit anderen Akteuren der Stadt Delmenhorst wäre nicht mehr selbstverständlich gegeben.“
Bei der Rollenverteilung von Stadt und Wohlfahrtsverbänden handele es sich um keine Dienstleistungen im Sinne des EU-Rechts. Sie würden zumeist fortlaufend und gemeinsam mit der Stadt erledigt, Öffnungszeiten, Personalfragen, innerbetriebliche Standards würden permanent zwischen beiden Trägerebenen abgesprochen. Es gehe dabei vielmehr um eine Heranziehung im Rahmen des Zuwendungsrechts. Diese dritte Möglichkeit des Erledigens von sozialen Aufgaben müsse auch für das Familienzentrum geprüft werden, „zumal der Stadt bereits eine offizielle Interessensbekundung der Awo Delmenhorst zur Weiterführung von sozialen Aufgaben in der Fröbelschule vorliegt“. Spätestens mit dieser Interessensbekundung müsse nun die Stadt Delmenhorst reagieren, „der Ball liegt im Feld der Stadt“, so heißt es im offenen Brief der Arbeiterwohlfahrt.
Auf Nachfrage des DELMENHORSTER KURIER um eine Stellungnahme von Rudolf Mattern, ließ dieser erklären, dass er im Zusammenhang mit dem Brief den direkten Kontakt zur Awo suchen werde, „um die Angelegenheit erneut zu thematisieren“.