Die von den Grünen gewählte Überschrift für ihre Initiative im Stadtrat klingt wie ein großes Versprechen: Plastikfreie Stadt. Tatsächlich werden sich die Kommunalpolitiker in der selbst ernannten Klimamusterstadt am Mittwochabend aber nicht mit der großen Frage beschäftigen, wie sie alle Arten und Variationen des Plastikmülls aus Delmenhorst verbannen können. Es geht nur um einen Teil dieses Umwelt- und Klimaproblems: Die Verpackungen für Mahlzeiten zum Mitnehmen, dem Essen „to go“. Die Grünen wollen, dass hier künftig kein Einwegplastik mehr zum Einsatz kommt. Als Alternative sollen Mehrwegboxen des Herstellers „Recircle“ verwendet werden.
Der Hersteller kommt aus der Schweiz, dort gibt es nach eigenen Angaben bereits über 1000 Partner. Der deutsche Unternehmensableger mit Sitz in Stuttgart hat die Mehrwegboxen bisher bundesweit an 120 Standorte verteilt. Und zwei davon sind schon jetzt in der Delmenhorster Fußgängerzone zu finden. Neben dem „Spaghetti Basilikum“ bietet auch das „Freiraum Unverpackt“ seine wechselnden Mittagsgerichte in den umweltschonenden Behältern an. „Eine Einwegverpackung hätte dem Konzept komplett widersprochen und ist deshalb undenkbar“, erklärt Inhaberin Pia Sattler. In ihrem Geschäft verkauft sie Lebensmittel grundsätzlich ohne Verpackungsmüll – unverpackt eben.
Das Recircle-System durchläuft bei Sattler gerade eine dreimonatige Testphase. Für einen Grundstock der Boxen in drei unterschiedlichen Größen musste sie in Vorleistung gehen. 2500 Euro gab sie dafür aus. „Es zeichnet sich aber ab, dass ich gar nicht so viele Boxen benötige. Den Überschuss kann ich dann zurückgeben und erhalte auch das Geld zurück“, erklärt Sattler. Pro Behälter hat sie zehn Euro gezahlt. Diese Summe müssen auch Kunden als Pfand zahlen, die ihr Mittagessen mitnehmen wollen. Danach haben sie die Wahl: Entweder sie holen sich das Geld zurück oder sie erhalten die nächste Mahlzeit in einer frischen Box.
Die Nachfrage nach den Mehrwegboxen ist bislang überschaubar. Von den bis zu 50 Mahlzeiten, die der Laden pro Tag ausgibt, nimmt sich etwa jeder dritte Kunde das Essen mit. Und davon setzt laut Sattler die Mehrheit auf mitgebrachte Behälter. „Das System wird allerdings umso attraktiver, je mehr mitmachen“, argumentiert sie. Viele Imbisse wüssten bislang schlichtweg noch nichts von dieser Möglichkeit oder blieben aus Gewohnheit bei den Einwegverpackungen.
An diesem Punkt wollen die Grünen mit ihrer Initiative im Stadtrat ansetzen. In ihrem – im Fachausschuss leicht abgeänderten – Antrag wird die Stadtverwaltung dazu aufgefordert, mit Recircle ein Konzept für Delmenhorst zu erarbeiten. Eine Abstimmung soll mit Abfallwirtschaft (ADG) und Wirtschaftsförderung (DWFG) erfolgen. „Die DWFG soll Kontakt zu den Unternehmen aufnehmen, die für dieses System infrage kommen. Da hat die DWFG den besten Überblick“, sagt Fraktionsvorsitzende Marianne Huismann. Sie könne sich auch grundsätzlich vorstellen, das System etwa auf Großveranstaltungen wie das Kartoffelfest auszuweiten. Der Müll aus Einwegverpackungen ist aus Sicht der Grünen nicht nur für die Umwelt ein Problem. „Er resultiert in enormen Reinigungskosten und mindert für alle spürbar die Lebensqualität“, argumentiert die Stadtratsfraktion in ihrem Antrag.
Kritik übt hingegen Ratsherr Peter Stemmler aus der Gruppe UAD/ FDP. „Ich empfinde das als eine Blauäugigkeit der Grünen. Für Recircle ist das ein Doppelgeschäft in eigener Sache“, argumentiert er. Für Stemmler kann es nicht sein, dass ein Unternehmen ein Konzept erarbeitet, an dem es dann selbst verdient. „Da habe ich auch vergaberechtliche Bedenken“, moniert der Politiker aus den Reihen der Unabhängigen Delmenhorster. Seine Fraktion UAD/ FDP werde deshalb gegen den Antrag stimmen. Und Stemmler weiter: „Dass der Plastikmüll ein Problem ist, darüber brauchen wir nicht diskutieren. Die Grünen gehen hier aber einen total falschen Weg.“
Neben dem Anschaffungspreis für die Boxen berechnet Recircle auch eine Servicegebühr pro ausgegebenem Essen in den Behältern. Diese richtet sich nach den Ausgaben, die bei dem Partner ansonsten für das Einwegplastik anfallen. Das Unternehmen wirbt damit, dass die Gebühr niedriger als die eingesparten Ausgaben sei, die Partner insgesamt also auch einen finanziellen Vorteil haben. „Es kommt wahrscheinlich bei plus/minus null heraus“, sagt Sattler. Bei ihrem Geschäft sind es knapp 20 Cent, die pro Essen an Recircle gehen.
Sattler hat die Hoffnung, dass die Kommune Delmenhorst mit Recircle anders verhandeln kann als einzelne Imbisse oder Gastronomen. „Wenn sich etwa zwanzig Unternehmen daran beteiligen, geht es gleich um ganz andere Mengen“, erklärt sie. Dies könne sich auf den Preis für die Anschaffung der Boxen oder die Servicegebühr auswirken. „Es könnte aber auch eine besondere Version für Delmenhorst geben“, führt die Geschäftsinhaberin aus. Die Stadt müsse auch Anreize setzen, um mehr Partner für das System zu gewinnen. „Ich möchte in Delmenhorst kein Öko-Königreich gründen, sondern so viele wie möglich mitnehmen“, sagt Sattler. Dazu passt auch der Schriftzug auf ihrem Pullover: Support your local planet.
Bundestag beschließt Plastikverbot
Mit den Recircle-Mehrwegboxen haben Imbisse und Restaurants die Möglichkeit, sich freiwillig gegen Einwegplastik zu entscheiden. Schon bald könnte allerdings der Gesetzgeber ihnen diese Entscheidung abnehmen. Der Bundestag hat am Donnerstag ein Verbot bestimmter Wegwerfartikel aus Plastik beschlossen, darunter auch Behälter für Essen aus Styropor. Das Verbot soll im kommenden Sommer in Kraft treten, die Abstimmung im Bundesrat steht allerdings noch aus.