Alle Schüler in Deutschland sollen in der siebten Klasse die Wiederbelebung lernen, um ihren Mitschülern im Notfall helfen zu können. Die Kultusminister haben den Ländern empfohlen, ihre Lehrkräfte entsprechend zu schulen und an zwei Stunden pro Jahr die Reanimation zu lehren.
Im Notfall schnell und vor allem richtig reagieren zu können, kann Leben retten. Daher sollen Schüler in die Lage versetzt werden, ihre Mitschüler bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand reanimieren zu können. Das hat die Kultusministerkonferenz nun den Ländern empfohlen, die die „Wiederbelebung an Schulen“ als Pflichtthema im Unterricht aufnehmen sollen. Das heißt, bereits ab dem nächsten Schuljahr können Schüler für die Wiederbelebung ausgebildet werden. Verpflichtend ist dieses Unterrichtsthema demnach noch nicht. „Bis diese Empfehlung in den Ländern umgesetzt wird, kann es durchaus noch dauern“, glaubt Stadtsprecher Timo Frers. Denn zuvor müssten die Lehrkräfte entsprechend geschult werden.
Vorgesehen ist seitens der Kultusminister, dass alle Schüler ab der siebten Klasse die Wiederbelebung in zwei Unterrichtsstunden pro Jahr erlernen. Sollten dafür Lehr- und Lernmittel benötigt werden – zum Beispiel Übungspuppen für Herzdruckmassagen –, müsste die Stadt Delmenhorst als Schulträger diese finanzieren. Der Delmenhorster Amtsarzt Helge Schumann stuft den Stellenwert der Sofortmaßnahmen als „unbestritten“ ein, denn auch wenn sie von Laien angewendet werden, „sind sie häufig lebensrettend“. Das könne zielgruppengerecht den siebten Klassen vermittelt werden, glaubt Schumann. Zumal nur wenige Grundsätze zu beachten sind, die für eine Wiederbelebung konsequent ausgeführt werden müssen.
Die Initiative „Ein Leben retten – 100 pro Reanimation“, die von den Anästhesisten-Verbänden gegründet wurde und die „Wiederbelebung im Schulunterricht“ gefordert hatte, bringt die Anwendung der Lebensrettung auf eine einfache Formel: Prüfen. Rufen. Drücken. Ersthelfer sollen zunächst prüfen, ob der Kollabierte noch atmet, dann unter der Notrufnummer 112 den Rettungsdienst verständigen und dann „fest und mindestens 100 Mal pro Minute in der Mitte des Brustkorbs drücken und nicht aufhören, bis Hilfe eintrifft“. Das sei kinderleicht zu merken, glaubt die Initiative. Und auch die zwei Stunden Reanimationsunterricht im Jahr reichen nach Ansicht der Anästhesisten-Verbände aus, „um die zukünftige Wiederbelebungsrate in Deutschland deutlich zu erhöhen“.
Das hätten Erfahrungswerte aus anderen Ländern gezeigt, die in ihren Lehrplänen schon seit Jahrzehnten die Wiederbelebung verankert haben. Liege die Quote der Wiederbelebungen, die durch Laien erfolgt ist, in Deutschland je nach Bundesland und Versorgungsstruktur bei 17 bis 21 Prozent, liege sie beispielsweise in Norwegen bei 73 Prozent. Laut der Anästhesisten-Verbände sei daher für die Situation in Deutschland der Rückschluss zulässig: „ In mindestens 79 Prozent der Fälle eines Herz-Kreislauf-Stillstandes wissen diejenigen Personen, die sich zufällig in direkter Nähe des Kollabierten befinden, nicht, was zu tun ist.“ Das liege an der Angst, etwas falsch zu machen – dabei steige die Chance zu überleben bei mit einer sofortigen Herzdruckmassage ums Zwei- bis Dreifache. „Ohne hohen Aufwand“, so glaubt die Initiative, könne in den deutschen Schulen der Reanimationsunterricht für Schüler ab dem zwölften Lebensjahr zum Beispiel in den Fächern Biologie und Sport in den Stundenplan integriert werden. Die Lehrkräfte müssten jedoch geschult werden. „Es spielt keine Rolle, ob die Schüler von professionellen Rettungshelfern ausgebildet wurden oder von gut geschulten Lehrern.“
In den Delmenhorster Schulen ist die weitere Vorgehensweise noch nicht überall erörtert worden. Wie Waldemar Schilberg, Konrektor der Hauptschule West, sagte, gibt es bisher eine Ersthelferausbildung für die Konfliktschlichter und die Schülervertreter, die derlei Kurse absolvieren müssten. Über einen umfassenden Reanimationsunterricht sei noch nicht gesprochen worden. Das gilt auch für die Oberschule Süd, wie Rektor Hergen Hillje schilderte. „Aber wir sind auf einem guten Weg und haben beispielsweise ausgebildete Schulsanitäter im Einsatz.“
Insgesamt begrüßt auch Günter Alfs, Koordinator der Sekundarstufe I am Willms-Gymnasium, den Beschluss der Kultusminister. Aber er ist auch skeptisch. „Ich halte nichts davon, so etwas nach dem Gießkannen-Prinzip zu machen“, sagte er. Denn nicht alle Schüler seien motiviert und würden deshalb den Inhalt der Wiederbelebung unter Umständen nicht so aufsaugen wie beispielsweise die eigenen Schulsanitäter. Außerdem stellt sich Alfs die Frage, wie der Reanimationsunterricht bezahlt und organisiert werden soll, selbst wenn es nur zwei Stunden im Jahr sein sollen. „In Delmenhorst haben wird etwa 800 bis 900 Siebtklässler, die müssten ja alle an einer Puppe üben können“, gab Alfs zu Bedenken. Er könne sich vorstellen, die Wiederbelebung im Rahmen des Ganztagsangebots in den Nachmittagsstunden anzubieten.
Die Rettungsorganisationen wie die Johanniter Unfall-Hilfe gehen davon aus, dass sie in den Unterricht involviert werden. Wie Johanniter-Sprecher Stefan Greiber sagte, „werden wir und die anderen Rettungsorganisationen wohl an die Schulen gehen“. Das sei auch die günstigste Lösung, glaubt Greiber, weil die Organisationen wie die Johanniter, Rotes Kreuz oder Malteser das entsprechende Know-how und Übungsmaterial bereits besitzen.