Weniger Autos, mehr Fahrräder und öffentlicher Nahverkehr – diese Kurzformel verspricht mehr Klimaschutz. Auch die selbst ernannte Klimamusterstadt Delmenhorst setzt auf dieses Ziel, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Doch die zwei Säulen der Verkehrswende, das Fahrrad und der ÖPNV, geraten in Delmenhorst zunehmend in Konflikt zueinander. Schon jetzt bremsen neue Privilegien für das Rad den Busverkehr aus, es kommt zu Verspätungen. Dabei steht der Ausbau der Fahrradrouten gerade erst am Anfang.
„Radler treten auf der Busspur gemütlich in die Pedale, sodass der Busfahrer nur im gemächlichen Tempo den Radlern hinterherfährt“, kritisieren die Ratsfraktionen CDU und Grüne in einem gemeinsamen Antrag. Sie fordern die Stadtverwaltung dazu auf, die Verkehrsführung für Rad- und Busfahrer auf gemeinsam genutzten Straßen zu verbessern. Der Fachdienst Verkehr solle Gespräche mit Delbus aufnehmen und Lösungsangebote erarbeiten. Die beiden Fraktionen fordern: „Busse sollten die Fahrgäste schneller ans Ziel bringen, denn so werden Fahrgäste für ihr umweltfreundliches Verhalten belohnt.“ Am Mittwoch befasst sich der Ausschuss für Planen, Bauen und Verkehr mit dem Thema.
Im September haben die Verkehrsplaner aus dem Rathaus in Deichhorst erstmals einige Fahrradstraßen eingerichtet. Auto- und Busfahrer müssen sich dort dem Fahrradfahrer unterordnen, gegebenenfalls muss hinter dem Rad gefahren werden. Aktuell kollidieren die Fahrradstraßen nur kaum mit den Delbus-Linien. Das könnte sich aber bald ändern.
Ein Radroutenkonzept der Stadt sieht zehn innerstädtische Hauptrouten vor. Zu fünf von ihnen liegt bereits eine Entscheidung des Rats vor, die weiteren Beschlüsse befinden sich in Vorbereitung. Für Fahrräder soll es auf diesen Alltagsrouten laut Verwaltung künftig „komfortable und direkte Verbindungen“ geben. „Sie liegen, wann immer möglich, abseits der Hauptverkehrsstraßen“, heißt es auf der Website der Stadt. Der Ausbau der Alltagsrouten muss nicht immer die Ausweisung von Fahrradstraßen bedeuten. Trotzdem gehört dieses Instrument nun zum festen Repertoire der Verkehrsplaner.
Delbus-Chef übt Kritik
Carsten Hoffmann, Geschäftsführer von Delbus, betrachtet das mit Sorge. „Ich wünsche mir, dass auf den Routen unserer Busse keine Fahrradstraßen eingerichtet werden“, sagt er. Sobald sich das Fahrgastaufkommen und der Straßenverkehr insgesamt wieder normalisieren, rechnet er mit regelmäßigen Verspätungen, weil Busse Fahrradfahrer nicht überholen können. „Dann haben wir zwei Möglichkeiten: Entweder wir setzen mehr Busse ein oder wir fahren die letzte Haltestelle einer Route nicht mehr an“, warnt er. Dies sei dann die Wahl zwischen höheren Kosten oder einer schlechteren Verkehrsanbindung in Randbezirken.
Für den Delbus-Chef sind nicht nur Fahrradstraßen ein Problem. Auch auf dem Burggrafendamm, einer gewöhnlichen Tempo-50-Straße, käme es derzeit zu Verzögerungen. „Auf der Fahrbahn ist nun ein breiter Fahrradstreifen, wodurch das Überholen oft nicht möglich ist“, erklärt er. Für die Verkehrsplanung sei es wichtig, dass Delbus frühzeitig eingebunden werde. „Wir investieren so viel in den ÖPNV und schießen uns dann durch solche Entscheidungen den Fahrplan kaputt. Das darf nicht sein“, kritisiert Hoffmann.
Auch Marianne Huismann, Fraktionsvorsitzende der Grünen, ist der Meinung, dass Delbus stärker an der Planung der Fahrradrouten beteiligt werden sollte: „Es kann nicht sein, dass da zwei Stellen aneinander vorbei planen.“ Für die Politikerin geht es nun darum, für Fahrrad und Bus optimale Strecken zu finden. „Das Problem betrifft beide Seiten, auch Buslinien kann man anders legen“, argumentiert sie. Verspätungen im Nahverkehr könnten im schlimmsten Fall dazu führen, dass sich die Delmenhorster wieder lieber in ein Auto setzen.
Die Verwaltung will das Alltagsroutennetz – 2014 im Zuge eines Verkehrsentwicklungsplans beschlossen – nun noch einmal auf den Prüfstand stellen. „Die Notwendigkeit ergibt sich auch aufgrund des zwischenzeitlich fortentwickelten Stadtbusliniennetzes“, heißt es in der Antwort auf den Antrag von Grünen und CDU. Gegebenenfalls sei eine Anpassung der Routenverläufe nötig. In der ersten Hälfte des aktuellen Jahres 2021 soll die Überprüfung abgeschlossen sein.
Radschnellweg in Aussicht
Mit dem Fahrrad zügig und komfortabel von Ganderkesee nach Bremen – dieses Ziel verfolgen die Verkehrsplaner mit einem neuen Schnellweg. Neun der insgesamt rund 17 Kilometer sollen durch Delmenhorst führen. Mit Oldenburger Landstraße, Oldenburger Straße, Nordwollestraße und Heidkruger Weg ist der Verlauf in wesentlichen Teilen schon definiert. Eine Machbarkeitsstudie soll nun klären, wo die Fahrräder in Bahnhofsnähe fahren sollen und ob als Ersatz für die Bremer Heerstraße ein neuer Abschnitt gebaut werden soll. Die Studie soll auch Auswirkungen auf den Busverkehr beachten. Über den Stand der Planungen informiert die Verwaltung in der Sitzung des Verkehrsausschusses am Mittwoch.
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