Die Jalousien fahren in der Divarena herunter, die Beleuchtung ist so spartanisch wie das Bühnenbild. Nun heißt es für die Zuschauer aufzupassen und dem Geschehen auf der Bühne zu folgen. In 30 Minuten erzählen die Schauspieler eine ganze Geschichte. Mal ist es eine humoristische Szene, mal durchlebt der Zuschauer ein Wechselbad der Gefühle. Am Ende kommt es neben der Wertung der Fachjury auch auf die Stimme des Publikums an.
Rund 50 Laienschauspieler haben beim Kurzstückfestival in der Divarena am Sonnabend und Sonntag mitgewirkt. Acht Niedersächsische Bühnen waren mit jeweils 30-minütigen Stücken vertreten – der festgelegte Rahmen für das vom Amateurtheaterverband Niedersachsen initiierte Format. „Kurz und knackig“ lautete daher das Motto des als Wettbewerb angelegten Festivals. Der Ausrichter war das Proszenium Delmenhorst.
Das Eröffnungsstück „Auf hoher See“ der Delmenhorster Laienschauspieler war von der Wertung ausgenommen. Das reine Männerstück feierte am Sonnabendvormittag gleichzeitig Premiere. Darin geht es um drei Schiffbrüchige (Michael Weiman, Heinz-Günther Harms und Lutz Echtermann), die untereinander ausloten müssen, wer sich opfern soll, um von den übrigen zwei verspeist zu werden. Die groteske Geschichte schaukelt sich hoch, und am Ende, als die beiden „Sieger“ sich ihr Tischlätzchen umbinden, beschleicht den Zuschauer das Gefühl, dass die Würfel schon vor der Diskussion gefallen waren.
Der Clou der Veranstaltung: Sowohl eine fünfköpfige Fachjury als auch das Publikum waren daraufhin aufgefordert, die Favoritengruppe zu wählen. Den Jurypreis erhielt die Schaumburger Bühne mit „Die Tatortreiniger – Ganz normale Jobs“. Der Gewinner des Publikumspreises war das Parabol Theater mit dem Stück „Norway Today“.
Mit einem rund um Kurzstücke konzipierten Festival betrat der Amateurtheaterverband Niedersachsen neues Terrain. „Das ist der Versuch, eine neue historische Theaterform zu initiieren“, sagte sein Vorsitzender, Alexander Börger. Das filmische Pendant, der Kurzfilm, sei schon längst eine fest etablierte Größe bei Filmfestivals. Auch Einakter und Sketche seien als Kunstformen populär – nur das auf eine halbe Stunde begrenzte Kurzstück hat seinen Durchbruch noch nicht erlebt. Das möchte der Amateurtheaterverband Niedersachsen ändern. Das Festival soll im Zweijahresrhythmus veranstaltet werden. Dass es nächstes Mal wieder in Delmenhorst stattfindet, hält Alexander Börger für wahrscheinlich.
Bei einer Neuheit müssen erst einmal Bewertungskriterien für die Leistung der Schauspieler gefunden werden – das galt für Jury und Zuschauer gleichermaßen. „Da das ganz unterschiedliche Genres sind, ist das nicht so einfach“, sagte Jury-Mitglied Karsten Michael Drohsel aus Berlin. Neben ihm bewerteten ein Theater-Schauspieler, ein Journalist und mit Bürgermeisterin Antje Beilemann und Ratsfrau Andrea Meyer-Garbe zwei Kommunalpolitikerinnen die Leistungen der Bühnen. Karsten Michael Drohsel jedenfalls richtete sich bei seiner persönlichen Bewertung nach Standards wie Timing, Zusammenspiel der Darsteller und Umgang mit dem Bühnenraum, wie er sagte. „Wichtig ist darauf zu achten, berührt das Stück mich, hat es etwas mit meiner Realität zu tun“, erklärte er. Dass man bei den kurzen Stücken ganz genau hinschauen muss, fanden die Zuschauer Marion Ewert und Kai Kolander aus Cuxhaven. „Der Spannungsbogen wird ja recht schnell geschlagen“, konstatierte Ewert. Das war die Gemeinsamkeit der ansonsten sehr unterschiedlichen Stücke. Mal sahen die Zuschauer klassisches Volkstheater, dann wieder ein anspruchsvolles Metropolenstück. „Es ist eine gute Mischung – mir ist der Humor auch nicht zu kurz gekommen, der gehört schließlich dazu“, bilanzierte Zuschauer Kai Kolander, als sich die Bühne allmählich in ein altbackenes Wohnzimmer mit Blümchenstoff-Sofa und Häkeldeckchen verwandelte.