Freude über gute Noten, Enttäuschung über schlechte Zensuren – sicherlich werden nicht alle Eltern vor Freude in die Luft springen, wenn ihre Schützlinge an diesem Freitag das Halbjahreszeugnis mit nach Hause bringen. Wie können Eltern ohne Druck auszuüben auf unzufriedenstellende Leistungen reagieren?
"Erfreulicherweise haben wir wieder die gleichen Anzahl von Schülern mit Hilfebedarf, wie vor Coronazeiten", sagt Stefan Nolting, Schulleiter des Gymnasiums an der Willmsstraße. Wenn Lehrer merken, dass ihre Schützlinge weitere Unterstützung benötigen, setze die Schule auf individuelle Beratung. "Wir bieten zum Beispiel Unterstützungsunterricht an", so Nolting. Das sei sehr zielführend. Zudem werden gemeinsame Gespräche mit Kindern, Lehrern und Eltern angeboten. Eltern rät er, die Kinder nicht zu überfordern.
"Ich glaube, jedes Zeugnis ist wichtig, da es sichtbare und nicht zu verändernde Aussagen trifft", sagt Sigrid Radetzky, Direktorin der Integrierten Gesamtschule Delmenhorst. Diese Beurteilungen seien eindrücklicher als mündliche Besprechungen. Gleichzeitig werden Zeugnisse auch mit Eltern besprochen, die vorher vielleicht unzureichend von ihren Kindern informiert wurden. Wenn das Halbjahreszeugnis zeigt, dass ein Schüler versetzungsgefährdet ist, ist längst nicht jede Hoffnung verloren. "Das kommt darauf an, wie viele Noten im nicht ausreichenden Bereich sind und ob es Ausgleichsfächer gibt", erklärt Radetzky.
Lehrer sollten mit Schülern besprechen, warum die Noten nicht zufriedenstellend sind und konkret darlegen, was getan werden muss, damit sich dies ändert. Schüler sollten auch gefragt werden, welches Ziel der oder die Einzelne hat, sagt Radetzky: "Dann lässt sich gemeinsam überlegen, in welchen Schritten diese erreicht werden können und wo es vielleicht Hilfe gibt." Auch Eltern sollten mit ihren Kindern über Ziele sprechen und Hilfe anbieten. Hilfe könne etwa darin bestehen, Lernzeiten zu kontrollieren oder für eine ruhige Lernatmosphäre zu sorgen. Dafür sollten sich Eltern nicht nur während der Zeugnis-Phasen interessieren, sondern generell damit beschäftigen, was das Kind in der Schule tut. Denn bereits beim Erzählen des Gelernten findet ein Festigungsprozess im Gehirn statt, erklärt Radetzky: "Und sie sollten ihrem Kind das Gefühl geben, es gern zu haben, egal wie gut die schulischen Leistungen sind."
Noten ab der dritten Klasse
Das bestätigt auch Ilona Schütte, Schulleiterin der Grundschule Bungerhof-Hasbergen: "Wichtig ist, dass Kinder verstehen: Egal welche Note du bekommst, du bist ein wertvoller Mensch." Gerade die Kleinsten müssen erst einmal ein Verständnis für Noten entwickeln. Die jetzigen Erstklässler bekommen beispielsweise im ersten Halbjahr kein Zeugnis, sondern erst das am Schuljahresende. Die Eltern erhalten einen inoffiziellen Brief, indem steht, wie sich ihr Kind derzeit entwickelt. "Das soll auch Wertschätzung zeigen", betont Schütte. Die Zweitklässler hingegen empfinden diesen Tag als ganz wichtig. Viele von ihnen würden gern schon Noten bekommen, so die Schulleiterin: "Die Drittklässler sind sehr aufgeregt vor dem ersten Notenzeugnis." Gerade dann sei es entscheidend, mit den Kindern über die Bewertungen ins Gespräch zu kommen.
Für Viertklässler sei das Halbjahreszeugnis etwas Besonderes. Denn mit diesem melden sie sich an der weiterführenden Schule an. Häufig kommt es vor, dass dabei Druck vonseiten der Eltern besteht. "Wenn es geht, dann sollen die Kinder am liebsten ein Gymnasium besuchen", beschreibt Schütte die Wünsche vieler Eltern. Seit einigen Jahren gibt es keine Schullaufbahnempfehlung mehr, dafür aber verpflichtende Beratungsgespräche im Oktober/November. In diesen Gesprächen werden verschiedene Schulformen vorgestellt. Zudem wird Eltern verdeutlicht, dass Kinder auch ohne den direkten Weg übers Gymnasium ihr Abitur absolvieren und studieren können.
Außerschulische Lernangebote
Anlaufstellen für außerschulische Lernangebote gibt es in verschiedenen Einrichtungen in Delmenhorst – etwa in Jugendhäusern und Nachbarschaftbüros. "Viele Kinder haben kein eigenes Zimmer zu Hause, indem sie ungestört ihre Hausaufgaben erledigen können", sagt Anna Brökling, Mitarbeiterin des Nachbarschaftsbüros Hasport. Zudem können die Eltern oftmals aus verschiedenen Gründen nicht bei den Aufgaben helfen. Deshalb besuchen einige Kinder aus dem Stadtteil die Hausaufgabenhilfe der Einrichtung. "Das ist ein ehrenamtliches Angebot für Grundschüler", so Brökling.
Meistens helfen die Ehrenamtlichen den Schülern, indem sie ihnen die jeweiligen Aufgabenstellungen erklären. Denn die Kleinsten können diese selbst noch gar nicht lesen und die Größeren haben öfters Probleme, zu verstehen, was sie machen sollen. "Deshalb ist es sehr wichtig, dass Kinder eine Begleitung bekommen", betont Brökling. Wenn sich auf Dauer Wissenslücken bilden, werden diese ihnen immer wieder Schwierigkeiten bereiten. Das führt dazu, dass die Kinder vergangene Inhalte aufholen müssen, während sie aber im aktuellen Unterricht schon Neues lernen. Wichtig ist laut der Mitarbeiterin, lösungsorientiert zu handeln: "Mit Druck ist niemandem geholfen."