
Einen Arbeitsplatz auf einem deutschen Handelsschiff zu finden – für Funker Rolf Cordes kein Problem. Allerdings ist das über 50 Jahre her. Seine Erfahrungen hat Cordes in seinem Buch „Als Funker mit der SS ,Kattenturm’ in gefährliche Gewässer“ festgehalten. Damals befand sich die deutsche Handelsflotte nach dem Zweiten Weltkrieg gerade im Aufbau – Personal wurde händeringend gesucht. Nicht zu vergleichen mit der heutigen Situation: Von Jahr zu Jahr schrumpft die Handelsflotte – zumindest, was die Flagge angeht. Von etwa 3200 Schiffen – die Flotte ist weltweit immer noch die größte – fahren nur noch circa 200 Schiffe im internationalen Verkehr unter deutscher Flagge.
Cordes’ Berufseinstieg war zu Beginn des Wirtschaftswunders: Unmittelbar nach seiner Funkerausbildung an der Seefahrtschule Elsfleth ging er erstmals auf Große Fahrt. Am 4. März 1957 hielt er nach bestandener Prüfung bei der Oberpostdirektion in Bremen sein Funkzeugnis in der Hand und stellte sich bei einer der damaligen größten deutschen Reedereien, der D.D.G. Hansa, vor. Am nächsten Tag saß der 21-jährige frisch gebackene Funker Cordes im Zug nach Genua, um auf der
SS „Kattenturm“ anzufangen. SS im Namen des Schiffes war nicht ein Relikt aus der Zeit des Nationalsozialismus, sondern war die englische Abkürzung von Steam Ship, auf deutsch Dampfschiff.
Einen Teil dieser Reise wird er noch einmal erleben – allerdings wesentlich bequemer: Der ehemalige Funker wird an diesem Freitag an Bord der „Mein Schiff 2“ gehen und einen Teil der „Kattenturm“-Route nachfahren. Einen gefährlichen Totalausfall der Maschinen wie er ihn auf der „Kattenturm“ mitten im Atlantik erlebt hat, ist bei dieser Urlaubsfahrt wohl gänzlich auszuschließen.
Bei seiner ersten Fahrt deutete sich von Anfang an, dass irgendetwas mit der Maschine der 91,85 Meter langen und 13,5 Meter breiten „Kattenturm“ nicht stimmte. Bereits seit der Abfahrt in Genua hatten sich Probleme mit der Kühlung der Hauptmaschine bemerkbar gemacht. Dass sich daraus am Ende ein Totalschaden entwickelt, damit hatte allerdings keiner gerechnet: „Die Schraube der ,Kattenturm’ drehte sich nicht mehr und wir trieben im Atlantik tagelang manövrierunfähig dahin und waren noch lange nicht in Kapstadt... das Schiff lag in der seitlich einkommenden heftigen Dünung vom Südatlantik. Das Schiff holte ständig bis zu 40 Grad über und die schwere Decksladung, bestehend aus den vier großen Lkws auf Backbord- und Steuerbordseite, sowie die Kettenfahrzeuge und Traktoren, halfen dabei kräftig mit, das Schiff möglichst lange in der Schräglage zu halten“, schreibt Cordes.
Cordes’ Buch beschreibt aber nicht nur das Leben an Bord, sondern es werden auch geschichtliche Ereignissen und Lebensumständen der damaligen Zeit eingeordnet. „Die Erinnerungen von Rolf Cordes bilden ein Stück vergangener maritimer Zeitgeschichte ab, gekennzeichnet durch den wirtschaftlichen Aufschwung jener Jahre, den neuerlichen Aufbau internationaler Handelsverbindungen nach dem Zweiten Weltkrieg und dem damit verbundenen Schifffahrtsboom“, schreibt Christine Keitsch, Leiterin des Schifffahrtsmuseums in Brake, im Vorwort. Das Buch vermittle auch in anschaulicher Weise in die Zeit des deutschen Wirtschaftswunders der 1950er-Jahre und gebe Aufschlüsse über einige Aspekte bundesdeutscher Verhältnisse, wobei die Wesermarsch durchaus als exemplarisch gelten könne.
Eines der geschichtlichen Ereignisse, die den Autor nachhaltig geprägt haben, ist der Untergang der „Pamir“ am 21. September 1957 etwa 600 Seemeilen südwestlich der Azoren. Nur sechs der insgesamt 86 Besatzungsmitglieder überlebten. Auch wenn Cordes weit entfernt von der Unglücksstelle war – die „Kattenturm“ lag vor Bahrain auf Reede – verfolgte er das dramatische Geschehen hautnah mit: „Ich erlebte einen der schrecklichsten Tage, die man als Funker erleben kann.“ Es war etwa die Nachmittagszeit als er im Funkverkehr auf Mittelwelle 500 kHz eine fast gespenstische Ruhe vorfand – „keinerlei Morsezeichen, nichts!“ Cordes horchte alle Kanäle durch und beim Durchsuchen im 8- oder 16- MHz-Band vernahm er die Morsezeichen von „Distress at Sea“ dem Notrufsignal auf See... . Sobald er heute im Schifffahrtsmuseum in Brake vorbeischaut, steht Cordes nach wie vor ehrfurchtsvoll vor dem letzten Relikt der ,Pamir’ – Reste des Rettungsbootes Nummer 5.
Als Funker habe ich den Funkverkehr von den zu Hilfe eilenden Schiffen und den dramatischen Funkverkehr von diesen Schiffen untereinander und mit der ,Pamir’, bevor sie keine Signale mehr sendete, mit Porthishead Radio/England und natürlich Norddeich Radio noch gut in Erinnerung.“
Für Cordes war damals sofort ersichtlich, dass Hilfe von anderen Schiffen die untergehende „Pamir“ nicht mehr rechtzeitig erreichen würde. „War das allem grausam. Viele auf der ,Kattenturm’ hatten Verwandte, Bekannte oder Freunde auf dem Segelschulschiff und alle wollten von mir die Namen der geretteten Seeleute und Kadetten wissen. Ich kann mir heute immer noch sehr gut den Funker auf der ,Pamir’ vorstellen, wie er bei der zunehmenden Schräglage eine SOS-Meldung nach der anderen rausjagte.“
Dieses Erlebnis war für Cordes zwar schlimm, aber nicht der Grund, weshalb er nach fünf Jahren nicht mehr als Funker zur See fuhr: „Ich habe damals aufgehört, weil ich mehr mit meiner Frau zusammen sein wollte. Außerdem hatten wir zwei kleine Kinder.“ Insgesamt sei die Zeit auf See aber ein interessanten Lebensabschnitt gewesen, den er nicht missen möchte. Heute könne er sich ein Leben auf See aber gar nicht mehr vorstellen: „Wir lagen früher manchmal zwei Tage oder länger im Hafen – da hatte man noch Zeit, sich die Stadt anzugucken.“
Um eine anregende, sachliche und für alle Parteien angenehme Diskussion auf www.weser-kurier.de sowie auf Facebook zu ermöglichen, haben wir folgende Richtlinien entwickelt, um deren Einhaltung wir Sie bitten möchten.
Welcher Verein wann in Bremen oder der Region spielt und wie die Begegnung ausgegangen ist, erfahren Sie in unserem Tabellenbereich. Auch die Ergebnisse der Spiele der höheren Ligen finden Sie dort.